Schild der actio spes unica
actio spes unica Pfarrer Milch St. Athanasius Bildungswerk Aktuell
Geistliches Wort im Oktober 2013

Mannestugend im Licht der Eucharistie

Gerechtigkeit

"Wer darf, oh Herr, in deinem Zelte wohnen und wer auf deinem heiligen Berge ruh'n? Wer ohne Makel wandelt und übt Gerechtigkeit." (Ps 14)

Der Psalmist gibt die Antwort: wer ohne Makel wandelt und übt Gerechtigkeit. Über die Tugend der Gerechtigkeit wollen wir heute eine Betrachtung anstellen. Wir verstehen unter Gerechtigkeit den Willen, das Recht anderer zu achten und jedem das Seine zu geben und zu lassen. So wird sie neben der Nächstenliebe zur eigentlichen sozialen Tugend. Würden wir beide allerorts antreffen, so hätten wir das Paradies auf Erden. Stattdessen wollen die Klagen über schreiende Ungerechtigkeit nicht mehr verstummen. Vielleicht werfen wir selbst in die Waagschale des Gerichtes Tag für Tag unsere Ungerechtigkeit! Wo ist im Streit um das Recht eine Lösung, ein Weg? Um die Tugend der Gerechtigkeit tief und von allen Seiten zu erfassen, erwägen wir drei Punkte:

I. Anklagen
II. Selbstanklagen
III. Lösung und Wege

Jesus, die Sonne der Gerechtigkeit, den wir in unser Herz aufnehmen, möge uns durch seine Eucharistie Licht und Kraft verleihen, ohne Makel zu wandeln und Gerechtigkeit zu üben.

Anklagen

Wenn wir in die Menschheit das Wort "Gerechtigkeit" hineinrufen, dann kommt ein schauerliches Echo zurück. Spott und Hohn, Weinen und Racherufe, grenzenlose Verzweiflung klingen in diesem Echo mit. Dabei ist es, als ob diese erschütternden Klagen immer von unten gegen oben schrieen und als ob die obere Schicht sich in eisiges Schweigen gegen die Tiefe hüllte. "Gerechtigkeit?" so höre ich klagen "es gibt keine Gerechtigkeit auf Erden! Wenn die Gerechtigkeit gebietet, das Recht anderer zu achten und jedem das Seine zu geben und zu lassen – wer achtet denn das Recht der Armen, das Recht der Niederen, das Recht der Rechtlosen? Wer gibt denn jedem das Seine, wer läßt auch nur jedem ungestört das Seine?" Schwere Anklagen, meine lieben katholischen Männer, und größtenteils schreckliche Wahrheit! Darf man sich wundern, wenn es da gärt und revolutioniert, wenn der Funke zündet und die Masse ihr wirkliches oder vermeintliches Recht mit Gewalt sucht?

Dabei haben wir noch kein Wort gesagt über die Zeitungschroniken Tag für Tag, die nicht müde werden zu berichten von Mord, Totschlag, Vergiftung, Notzucht, Ehebruch, betrügerischen Bankrott, Unterschlagung, Lüge, Betrug, Wucheraffären, Verrat, Verleumdung, Brandstiftung, Urkundenfälschung, Bestechung – lauter furchtbare Sünden gegen die Gerechtigkeit. Ist es wahr, daß man die kleinen Diebe hängt und die Großen laufen läßt? O nein, es scheint wirklich keine Gerechtigkeit auf Erden zu geben.

Dazu die Ungerechtigkeit im Völkerleben: ungerechter Krieg und Frieden, das Martyrium der unterdrückten Minderheiten in Polen und Tirol, das beispiellose Unrecht von Versailles, die Bluttage der Türken, die in den Jahren 1914 und 1915 über eine Million christlicher Armenier ermordet und diese Volk nahezu ausrotteten, die Satansherrschaft in Rußland, wo nach der staatlichen Sowjetstatistik die Gewalthaber in den ersten drei Jahren ihrer Herrschaft die Mitglieder der Kaiserfamilie, 1600 Priester und Bischöfe, 138000 Adlige, Offiziere und Studenten, 200000 Arbeiter, 355000 Bürgerliche und 900000 Bauern erschossen oder zu Tode gemartert haben!

Und Gott? Wenn schon das Blut Abels zum Himmel um Rache schrie, hat etwas der Blutstrom der Millionen Gemordeten in unseren Tagen keine Stimme und keine Kraft mehr, um den Himmel zu zerreißen und Gott zur Rache anzurufen? Aber Gott schweigt. Es ist, als ob er nicht hörte und nicht sehe. Und nun kommt die furchtbare Begleiterscheinung so vieler Ungerechtigkeiten auf Erden: Die halbe Welt glaubt nicht mehr an die Gerechtigkeit Gottes!

Selbstanklagen

Und du? Gegen solchen Vorwurf ist mein Wort zu schwach. Gott selbst soll das Wort ergreifen. Ich öffne das Alte Testament und finde bei Ezechiel Kapitel 18 Vers 29 die Stelle: "Die Söhne Israels sprechen: Der Weg des Herrn ist nicht gerecht! Sind wirklich meine Wege nicht gerecht, Haus Israel, oder sind nicht vielmehr eure Wege verkehrt?"

An dieser Gottesfrage dürfen wir uns nicht vorbeidrücken, meine lieben katholischen Männer, auch wenn die Selbstanklage über unsere eigene Ungerechtigkeit sehr bitter schmeckt. Ihr dürft keine blinden Pharisäer sein. Wenn nun die Tugend der Gerechtigkeit das Recht andere zu achten und jedem das Seine zu geben und zu lassen gebietet – haben denn nicht auch wir irgendwie Anteil an den eben vernommenen Untaten? Wenn ihr auch keine Armenier massakriert, so gibt es doch auch in katholischen Häusern türkische Paschas, die bei den Ihren Furcht und Schrecken verbreiten, sie bis aufs Blut drangsalieren. Wenn ihr auch keine russische Justizmorde auf dem Gewissen habt, so gibt es doch auch in katholischen Häusern Sowjetdiktatoren, die immer recht haben, die die Ihren, ohne sie anzuhören, verdammen, die die Kinder ohne Gott erziehen, die Ehe wie in Rußland zerstören durch Treuebruch und Schändlichkeiten – o das ist entsetzliche Ungerechtigkeit! Wenn ihr auch keine Börsenfürsten und keine Öl-, Stahl- oder Zündholzkönige seid, deren Weg zum Mammon über Leichen ging, so gibt es doch auch in katholischen Häusern Tyrannen, die ihrem Weib das notwendige Haushaltsgeld nur mit Skandal und wüster Drohung auszahlen, die ihre Dienstboten und Taglöhner schlecht behandeln, ihnen den verdienten Arbeitslohn nicht geben (und das ist eine von den vier himmelschreienden Sünden!), Schulden machen und sie nicht bezahlen, obwohl sie könnten und obwohl ihr Lieferant darüber nahezu bankrott wird, o das sind schwere Sachen!

Wie? Ihr fragt: der Weg des Herrn ist nicht gerecht – sind wirklich meine Wege nicht gerecht oder sind nicht vielmehr eure Wege verkehrt? Was zählst du meine Satzungen auf – so ruft derselbe Heilige Geist im 29. Psalm – und was nimmst du meinen Bund in deinen Mund, während du doch die Zucht hassest und meine Worte verachtest? Siehst du den Dieb, so läufst du mit ihm und hältst Gemeinschaft mit Ehebrechern. Von schlimmen Reden trieft dein Mund, Betrug spricht deine Zunge. Du sitzt da und redest wider deinen Bruder, schmähst deiner Mutter Sohn!

Meine lieben katholischen Männer, seid ihr gerecht? Oder gibt es noch manches zu lernen, zu bereuen, abzubitten, gutzumachen? O Heiliger Geist, deine hehre Aufgabe ist es, die Welt zu überführen von der Sünde und vom Gericht und von der Gerechtigkeit (Joh 16,8), laß uns in so vielen verschuldeten und unverschuldeten Ungerechtigkeiten Lösungen und Wege finden.

Lösungen und Wege

Und da sagen wir erstens: Auf Erden gibt es kein volles Recht. Das ist eine Erfahrungstatsache. Das ist eine Sündenfolge. Im Paradies wurde seitens der Menschen das Recht gegen Gott gebrochen, sein Gesetz übertreten. Seitdem leiden die Gerechtigkeit und die Menschen wie an einer offenen Wunde. Solange Sinn und Gedanken des Menschen zum Bösen geneigt sind (Gn 8,21), so lange wird es auf Erden immer Ungerechtigkeiten, nie volle Gerechtigkeit geben.

Wie sagen zweitens: den vollen Sieg des Rechts bringt erst die Ewigkeit, Es ist ergreifend, mit welcher Beharrlichkeit die Heilige Schrift immer wieder an die Gerechtigkeit des Richters erinnert. Die ewige Wahrheit selbst erklärt bei Johannes 5,29: "Mein Urteilsspruch ist gerecht: die Gutes getan haben, werden zum Leben erstehen; die Böses verübt haben, erstehen zum Gericht." Oder sollte Gott jetzt gleich jeden armen Lazarus mit den Tafelfreuden des Prassers beglücken, jetzt gleich jeden Prasser mit Geschwüren treffen, von Hunden lecken lassen? Jetzt gleich die verstockten Samariterstädte mit Feuer vom Himmel strafen und seine Getreuen auf zwölf goldenen Thronen ehren? O nur der Himmel und nur die Hölle werden den Ausgleich bringen können. Dann werden die Himmel seine Gerechtigkeit kundtun (Ps 49,6), und alle Kreatur in der Höhe und im Abgrund wird bekennen: Du bist gerecht, o Gott, und gerecht sind deine Gerichte (Joh 3,2; Ps 118, 137; Offb 16,7)!

Wir sagen drittens mit dem heiligen Paulus (Eph 5,1): Seid Nachahmer Gottes! Wir wollen mit unserer Betrachtung niemand auf die Ewigkeit vertrösten, so sehr das Jenseits unser Erdenleben erhellt und verklärt; wir wollen vielmehr schon hier Träger und Apostel der Gerechtigkeit sein. Gott erkennt klar jedes Recht, jedes Unrecht und löscht es nicht aus den Büchern des Gerichtes; auch du sollst ohne Voreingenommenheit und ohne Pharisäismus die Augen öffnen für die gedrückte Lage der Schwachen, wie ebenso die unteren Stände die wirklichen Rechte der Arbeitgeber und Vorgesetzten anerkennen müssen. – Gott will keine Ungerechtigkeit unter uns Menschen, dann mußt du das Gleiche wollen: jedermanns Rechte achten, jedem das Seine geben und lassen! – Und wie Gott seine Gerechtigkeit in seiner Weltordnung – uns freilich verborgen – ständig verwirklicht, so sollen wir die erkannte und gewollte Gerechtigkeit in die Tat umsetzen. Dem Recht auf allen Fronten mit allen erlaubten Mitteln zum Sieg zu verhelfen, welch herrliche Aufgabe für Männer, gar wenn in ihren Herzen die eucharistische Sonne der Gerechtigkeit leuchtet! Ja, laßt sie leuchten, die Sonne der Gerechtigkeit, hinunter in die Abgründe verkannter und verachteter Arbeitermassen, hinein in die geschuldeten Werktagsleistungen des Berufes, hinein in euer Verhalten zu Weib und Kind und Gesinde, hinein in eure Ratsversammlung für Gemeinde, Verein und Standesbewegung, hinein in eurer politische Betätigung, auch wenn die Wogen hoch gehen: nie soll die Sonne der Gerechtigkeit verfinstert werden!

Gerechtigkeit und Liebe. Seid aber noch in anderer Hinsicht Nachahmer Gottes. Die Gerechtigkeit für sich allein tut es nicht. Sie muß mit Liebe gepaart sein. Deshalb warnt Papst Pius XI. in seinem ersten Rundschreiben die Völker vor der ferrea justitia, vor der eisernen Gerechtigkeit, wie es ja auch Gottes Art ist, nicht von Rechts wegen Feuer und Schwefel, sondern Sonnenschein und Regen kommen zu lassen auf Gutes und Böse, auf Gerechte und Ungerechte. Wie schön, wenn aus einem Mann die Gerechtigkeit eines Gottes und die Liebe eines Vaters leuchtet, so wie der Psalmist vom messianischen Friedensweg kündet: Gerechtigkeit und Friede küssen sich (84,11)!

Meine lieben katholischen Männer, so oft wir von diesem Brote essen, sollen wir das Andenken seines Leidens feiern. Und hat der Erlöser durch sein Leiden nicht gerade der Gerechtigkeit Gottes Sühne geleistet? Als den Gerechten haben ihn die Himmel herabgetaut, und für die Gerechtigkeit ist er in den Tod gegangen. So wollen auch wir für die Gerechtigkeit leben und sterben. Wer darf, o Herr, in deinen Himmel wohnen und wer auf Sion ewig ruhen? Wer ohne Makel wandelt und übt Gerechtigkeit!

 

Amen.

 

Abbé Busse
DRUCK Druckversion
|< Geistliches Wort im September 2013
Geistliches Wort im November 2013 >

Hilfe  •  Suche  •  Was ist neu?  •  Sitemap  •  Impressum  •  Tastatur  •  Konfiguration  •  Webmaster