Startseite Menü einblenden Übersicht: Sonntagsbriefe 16.01.83 30.01.83 Drucken
Schild der actio spes unica

Meine lieben Brüder und Schwestern!

 

"Herr, wenn Du willst, kannst Du mich rein machen!" – "Herr, ich bin nicht würdig, daß Du eingehst unter mein Dach! Aber sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund!"

Zwei Aussagen tiefen Glaubens!

Glaube  heißt:  "Du,  ewiger,  allmächtiger  Gott,  dessen  Name  hochgelobt ist in Ewigkeit, bist für mich da! Dein allmächtiger Wille vermag alles und wird für mich wirksam, wenn es meinem Heile nicht widerspricht, was ich erflehe! Dann willst Du; und alles, was Du willst, geschieht!"

Glaube heißt: "Ich weiß, daß Du Dich mir nahst in grenzenlos freiester Liebe um meinetwillen, weil Du es willst. Ich weiß, daß Du mir zuwendest Deine Menschwerdung, Dein Opfer, Deinen Sieg über Tod und Sünde; daß ich in Dir geborgen bin und alles wiedererhalten werde unendlichfach!" –

 

Woher dieses Wissen – denn Glaube ist höchstes, festestes Wissen – woher diese totale Sicherheit? Aus Überlegungen? Aus einer Kette von Argumenten? Angesichts einer Podiumsdiskussion, die angeblich "Gelegenheit gibt, 'Ansichten' zu vergleichen und die richtige auszuwählen"? –

Nichts, gar nichts von alledem!!! –

Argumente, darlegbare und aussprechbare "Beweise" liegen  auf einer unteren Ebene des Geistes; auf der Ebene, wo der Naturwissenschaftler nackte Tatsachen feststellt und durch erfahrene Zusammenhänge "Beweise" findet und liefert. Wer immer Beweise will, bleibt im Parterre und steigt nicht zu den höheren Stockwerken auf.

Es gibt stärkere Sicherheitsvermittlungen als "Beweise".

Zum Erweis der übernatürlichen Wirklichkeiten ist der Beweis unbrauchbar und unzureichend. –

 

Die Philosophie zum Beispiel befaßt sich mit den Möglichkeitsgründen des Beweises, liegt also dem Beweis als Denkvorgang voraus und weist den inneren Grund auf für die Berechtigung und Möglichkeit des Beweisvorgangs. – Wer also immer "Beweise" fordert, steht auf der Denkstufe eines Herrn Virchow, der sich in dieser Hinsicht vom kleinen Moritz nicht unterscheidet. —

 

Der Glaube erwächst aus dem Ur-Auge und dem Ur-Ohr des Geistes, der Kraft, hineinzuschauen in der Welt Wesen, hindurchzuschauen durch alles, was die Körpersinne wahrnehmen. Dieses Urohr und Urauge ist das sehnsüchtige Spähorgan dessen, was der Mensch eigentlich ist. Das Spähorgan, aus dem erschaffenen Gottesgedanken, der diesen einen, lichten, unwiederholbaren Menschen denkt und will, herausschauend; Ausschau haltend nach dem Einen, der da kommen soll, gekommen ist.

Dieses Spähorgan ist absolut witterungssicher. Es wittert mit untrüglicher Gewißheit die gottmenschliche Wahrheit, die Wahrheit der Erlösung, des ewigen, innigen DU: Dies und nichts anderes ist es! Endlich! Ich habe den gefunden, der meine Seele liebt, den meine Seele liebt! Wer im Ernst sucht, um zu finden; wer fragt, um Antwort zu erhalten, dem kommt eines Tages die große, unumstößliche Gewißheit: Der Glaube!

Schwer, sehr schwer, aber um so dringender einzuüben unter souveräner Autorität – niemals durch "Argumentenketten", Beweisreihen oder gar Diskussionsgequatsche. Schwer und um so notwendiger in dieser Zeit!

 

Ihr Hans Milch, sacerdos.