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Niederschrift der Predigt von Pfarrer Hans Milch
Ostersonntag 1983
Schild der actio spes unica

Meine lieben Brüder und Schwestern,

 

es wird heute im besetzten Raum der Kirche weithin gesagt, die Auferstehung sei der eigentliche Gegenstand unseres Glaubens. Das sei der Glaube der Jünger, der Apostel, der weitergegeben worden ist, und hier läge alles begründet. Genau das ist falsch. Wir können die Auferstehung nur begreifen als die höchste Vollendung und Konsequenz des Gottmenschentums. Das Gottmenschentum ist unser Glaube: daß Gott Mensch geworden ist, damit der Mensch vergöttlicht werde, daß das Wort Fleisch geworden ist, damit das Fleisch vergöttlicht werde. Dies findet freilich in der Auferstehung seine höchste Erfüllung, Vollendung, Bestätigung. Das Wort ist Fleisch geworden, ganz und gar. Löse ich nämlich die Auferstehung von dem grundlegenden Geheimnis der Menschwerdung, des Gottmenschentums, dann löse ich es von seiner Wurzel, und wir sehen ja, was dann übrig bleibt. Da kommt die schlechte, die falsche Legende auf vom sogenannten Auferstehungsleib. Als sei der Auferstehungsleib etwas substantiell völlig anderes als dieser menschliche Leib, als der Leib, mit dem Jesus auf dieser Erde einherging, ein anderer als dieses Fleisch mit Knochen und Blut, Nerven usw. Das ist Unsinn! Es ist genau dieser Leib, dieses Fleisch, und wenn Christus nach seiner Auferstehung sich den Jüngern zeigt mit seinem Leibe, legt er ja größten Wert darauf zu zeigen, daß es sich nicht um irgendeinen ätherischen oder einen Astralleib handelt, sondern um Fleisch: "Faßt mich an, berührt mich, gebt mir zu essen." Dieses Fleisch ist es.

Aber wie es sein muß – vom gottmenschlichen Ursprung gelöst – hört auch bald das auf mit dem Auferstehungsleib, und übrig bleibt dann nur, daß die Sache Jesu weitergehe, und daß das eigentlich damit gemeint sei. Damit haben es ja die Progressisten ununterbrochen: mit dem, was eigentlich gemeint sei mit den Glaubenswahrheiten. Und was ist dann schließlich gemeint? Eine seichte, soziale Einstellung, eine Vorstellung von Brüderlichkeit und Versöhnung, ein Seneca, der schon Menschenliebe lehrte; aber auch der fällt bald schon weg, und schließlich bleibt nur Spartacus übrig, der den Sklavenaufstand inszenierte; das ist dann die Sache Jesu, weil Jesus angeblich auf Selten der Armen steht. – Auch das ist vollkommener Unsinn! –

Für uns ist die Auferstehung die Frucht und Vollendung der Menschwerdung und hat zweierlei Bedeutung im Wesentlichen.

Erstens: Uns wird das Leben geschenkt, das Leben. Nicht irgendein Leben, sondern die Fülle des Lebens. Daß der Mensch nach dem Tode seines Körpers weiterlebt, dazu hätte, um uns dies beizubringen, Gott nicht Mensch zu werden brauchen. Das gehört zu den Selbstverständlichkeiten, auf die die menschliche Vernunft von selbst kommt. Denn der Mensch ist das Leben seines Körpers. Wenn das Leben dem Körper entweicht, entweicht der Mensch dem Körper. Und das Leben des Körpers, der Mensch, lebt weiter. Wir aber, an den Leib gebunden, können mit unseren Sinnesorganen nur den entseelten, den leblosen Körper feststellen. Daß der Mensch weiterlebt, das wissen wir also, aber das ist ja nicht die Erlösung, denn dadurch wissen wir ja noch nicht, wie er weiterlebt. Darüber wollen wir Auskunft, eine tiefbefriedigende, erhebende, erlösende Auskunft.

Vor Christus in der Tat ist es so, daß der Mensch nach dem Tode seines Körpers ins Innerweltliche eingeht, um dort des Einen zu harren, der ihn aus der Innerwelt erlöst und befreit; da Er Gefangene mitnimmt, wie es heißt, da Er die Entbundenen, Befreiten – das ist die befreiende Gefangenschaft – hineinnimmt ins Innerdreifaltige Leben. Wenn wir von Vorhölle sprechen mit einem etwas unglücklichen Terminus, ist damit gemeint das innerweltliche Harren der unerlösten Menschen. Das Wort Seele ist so zu verstehen, weil der Mensch den Körper belebt, also beseelt.

Der Menschen Geist ist deshalb Seele. Sonst wird ja alles mögliche hineingeheimnißt, vor allem an Sentimentalitäten, in das Wort Seele. Aber es ist im Grunde nichts anderes als die nüchterne Kennzeichnung der menschlichen Person. Du bist Seele, ich bin Seele und lebe weiter. Aber selbstverständlich erlöst mich das nicht. Ich könnte ja noch einmal inkarniert werden, es könnte ja wiederholte Erdenleben geben. Darüber brauchen wir uns nicht groß aufzuhalten, denn Christus ist gekommen, um ums aus allem Rhythmus und Kreislauf der Wiederkehr herauszuholen. Denn was wir ersehnen, bei den meisten unbewußt, tief verborgen, verschlossen, aber real, unabwendbar, unabweisbar, unentrinnbar, in jedem von uns, ist die Unendlichkeit, die Ewigkeit: Der Mensch will alles, er ist unersättlich – legitimerweise! Er muß alles grenzenlos wollen: grenzenlose Wonnen, grenzenlose Macht, Besitz, Ruhm. Er will Mitte sein. Er will, daß alles ihn umkreist und lobpreist. Er will nicht irgendeiner sein, sondern wesentlich, gewichtig, höchst mächtig. Er will Mitte sein. Das ist nicht pathologisch, nicht egoistisch und auch nicht hysterisch. Es artet nur zur Hysterie aus, wenn die Aussicht fehlt dorthin, wo dieses Verlangen einzig Erfüllung findet. Aber wenn diese Aussicht da ist, dann ist tiefer Friede im Grunde des Menschen da.

Sehen Sie, ich habe das schon ein paarmal gesagt: Wenn ein Mensch arrogant ist, dann ist er es nicht aus Mangel an Bescheidenheit und Demut usw., sondern er ist es aus Mangel an Selbstbewußtsein. Junge Menschen zwischen Kindheit und Erwachsenenalter, nicht mehr Kind noch nicht Erwachsener, sind oft arrogant, aufdringlich, auffällig, und dann bekommen sie meistens gesagt: "Mach dich nicht so wichtig, du bist irgendeine Nummer unter anderen." Damit stachelt man ja geradezu seine Arroganz auf bis zur Verbitterung. Man nährt dadurch seine falschen Minderwertigkeitskomplexe. Man muß genau umgekehrt vorgehen. "Du bist sehr viel, unendlich viel. Um Deinetwillen leuchtet die Sonne, um Deinetwillen kreisen die Planeten und die Sterne, um Deinetwillen blühen die Blumen, rauschen das Meer und die Flüsse, wiegen sich die Wälder, sind die Tiere da und alles, alles für Dich; total und ungeteilt für Dich, da ja schon Gott ganz für Dich da ist und da ja schon Gott seinen letzten Blutstropfen für Dich vergießt und ungeteilt mit seinem Opfer Dir gehört und Dich meint; nicht auch Dich, außerdem Dich, nicht unter anderen Dich, sondern ganz und gar Dich, als wärst Du allein auf der Welt." – Das mußt du dem jungen Menschen sagen, damit er ein äußerstes Selbstbewußtsein gewinnt und weiß, daß er wichtig ist. Dann kann er bescheiden sein. Dann kann er dienen und demütig sein. Dann braucht er nicht mehr arrogant zu sein, well seine Minderwertigkeitskomplexe ad absurdum geführt sind. So ist der Weg, das ist die Erlösung, das müssen sie dem jungen Menschen sagen und ihn nicht noch zusätzlich klein machen, damit seine Arroganz zerstörerische Formen annimmt.

Christus gibt diese Vollendung: "Ich bin gekommen, daß sie das Leben haben und daß sie es in Fülle haben." Und was ist Leben? Liebe, Wonne, Genuß, Machtausübung, Besitz, Geltung, Ruhm und zwar alles ohne Ende, ohne Grenzen; das ist das Leben, das will Christus Dir geben und gibt es Dir, schon jetzt, seit der Taufe, wo er Dich zu Sich genommen hat.

Auf Todesanzeigen, auf Grabsteinen steht immer das Falsche, selbst bei dem Hinscheiden von Geistlichen steht der Unsinn: "Gott der Herr hat seinen treuen Diener zu sich genommen." Das ist doch vollkommen falsch! "Zu sich genommen" hat Er ihn längst, in der Taufe, in sich hinein. Da er seinen Körper verläßt, merkt er es, daß er in Gott ist. Aber da ist diese mohammedanische unausrottbare Vorstellung in den Köpfen oder Hinterköpfen der katholischen Christen, als sei Gott "da oben" und wir müßten von der Erde erst zu Ihm hinauf nach dem Tode: "Die Seele schwingt sich himmelwärts." – Sie schwingt sich gar nicht himmelwärts, sondern sie ist schon im Himmel und merkt dann nur, daß sie im Himmel ist, wenn sie den Körper verläßt.

Und zweitens: Was ist uns die Auferstehung wert? Eben die Auferstehung den Fleisches, meine lieben Freunde. Nachdem der Körper von uns abfällt, wirst Du, werde ich, so Gottes Erbarmen es gibt, die ganze Macht ausüben, und wir werden merken und schauen, was für eine Macht wir schon jetzt im Körper ausgeübt haben, da Gottes Kraft ja durch unsere Schwachheit wirksam wird. Weil wir armselig sind, durch unsere Armseligkeit wirkt Gottes Macht und Kraft.

Das alles werden wir erschauen, merken, genießen, atmen, in höchster Ekstase werden wir das erfahren, woran wir jetzt schon teilnehmen, verhüllt teilnehmen. Und dann... – ich weiß, dieses "und dann", dieses Nacheinander schafft philosophische Schwierigkeiten. Daß es jenseits von Raum und Zeit ein virtuelles Nacheinander gibt, ist philosophisch schwer zu fassen, die katholische Philosophie hat dafür ein "x" gesetzt, dieses "x" nennt sie "aevum", "aeon": eine virtuelle Zeitlichkeit – aber das ist jetzt nicht unsere Aufgabe, daß wir uns damit abgeben. Tatsache jedenfalls ist, daß der Mensch zuerst ohne Körper in Gott lebt und dann, am letzten Tag des Kosmos, sich aus Erdenstoff wieder seinen Leib formt. Denn Dein Leib ist Dein Leib deshalb, weil dieser Dein Geist irgendwelche Materie formt und durchseelt and durchherrscht. Nicht die Identität der Materie. Selbstverständlich konnte der Leichnam des Herrn, da er noch substantiell geschlossen gegeben war, geschlossen geformt nach drei Tagen hineingenommen werden; jener zertretene, entstellte, verwundete, erniedrigte Leib. Seine Wunden leuchten auf in Glanz und göttlicher Pracht. Aber nach Jahrhunderten und Jahrtausenden Verwesung, selbstverständlich müssen dann am Jüngsten Tage nicht sämtliche Bestandteile des ehemaligen Leichnams wieder zusammenschwirren. Das ist Unsinn! Denn dieser mein Leib ist nicht deshalb dieser mein Leib, weil es dieses Fleisch ist, sondern weil irgendein Fleisch von diesem Geiste durchformt wird. Und darum werde ich am jüngsten Tage aus Erdenstoff, irgendwelchem, mir meinen Leib wieder bilden. Aber was heißt denn Leib, wenn ich dann verleiblicht bin? Zweifellos ist der Mensch vollkommen erst durch den Leib. Leib ist ja nicht irgendeine materielle Hülle, sondern Leib ist ein erregendes, geheimnisvolles Instrument und Medium unabsehbarer Wonnen – jener geheimnisvollen, unaussprechlichen Wonnen der Liebe. Jetzt in diesem erbsündlich bedingten Zustand hat ja der Leib eine zwielichtige Rolle, und das bedrückt uns. Einmal ist er schön, spiegelt den Geist wieder, wenigstens hie und da nimmt man im Gesicht eines Menschen Geist wahr, im Schritt, in den Händen, in den Gebärden, im Blick, im Wort teilt sich Geist mit. Aber zugleich ist dieser Körper, der das Du einlädt und anzieht zur Vereinigung, zur Liebe, zugleich ist dieser Körper Kerker, Schmach, Erniedrigung. Er läßt den Geist von den Zufällen seiner Befindlichkeit abhängen. Er ist den Gesetzen der Natur unterworfen, den Gesetzen des Werdens und Vergehens. Und der Geist des Menschen ist nur insoweit entfaltbar, wie es der Körper jeweils erlaubt. Das ist eine Schmach. Der Körper ist also zugleich etwas Herrliches und Großes, aber auch Kerker – beides stimmt. Gruft und Grab ist der Körper und Licht und Schönheit auch – er ist beides.

Aber dann: Der Jüngste Tag! – Des Herrn Jüngster Tag ist ja da – Ostern ist er da und wird sich Maria ganz mitteilen, daß auch ihr jüngster Tag längst da ist — der Deine kommt – zunächst, wenn Du den Körper verläßt, Dein Gericht, Dein Jüngster Tag, und dann, wenn Du den Körper wiederholst. Im Grunde ist das Wort, das beim Aschenkreuz gesagt wird: "Du bist Staub und wirst zum Staub zurückkehren", in seiner ganzen Tiefe so zu verstehen: Du wirst am Ende wieder Staub sein und wirst Deinen Leib bilden, den ganz fügsamen, widerstandslosen Körper, der, ein vollkommener Spiegel, total durchsichtig ist für den Geist, durchlässig, durchgängig, kein Hindernis mehr, keine letzte Barriere für das vollkommene Ineinander, wie es bei der Liebe ist.

Im Diesseits bietet der Körper unaussprechliche Wonnen und ist zugleich die letzte Barriere. Zeitlich und räumlich setzt da der Körper einen Punkt. Aber die Liebe will keinen Punkt. Darum ist auch die äußerste Liebkosung noch ein Akt wonniger Verzweiflung. Man will ineinander hinein und kann es nicht.

Aber denn ist das Ineinander da, und der Körper vollzieht seine ganzen erotischen Fähigkeiten von Ewigkeit zu Ewigkeit. Wie? – Das können wir nicht sagen. Aber daß es so ist, das wissen wir. Dann wird ein Ineinander sein der Leiber. Jeder in Jedem. Du in Du. Ich in Du und Gott Alles in Allem. Das ist Auferstehung des Fleisches – eine wunderbare Verheißung. Und es wird dadurch verklärt nicht nur der subjektive Leib, das heißt der Leib, in dem ich mich erlebe, betätige, Kopf und Hände usw., sondern auch der gegenständliche Leib. Das ist auch Dein Leib, wie ich anfangs erwähnte: alle Sonnen und alle Planeten, die ganze Erde, die Berge und Landschaften, Meere und Ströme und Blumen und Tiere; alles Dein Leib und allen wird verklärt werden, ganz Dein. Du wirst die vollkommene Herrschaft, die unmittelbare. über die ganze Materie, über den ganzen Kosmos erringen.

Des bedeutet für uns die Auferstehung des Herrn, Seines Leibes. "Das Wort ist Fleisch geworden!" – Das erfüllt sich im äußersten Sinne. Ausgedehnt über den ganzen Kosmos, um Deinetwillen, für Dich in Ihm. AMEN.