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Niederschrift des Vortrags von Pfarrer Hans Milch
Wir und Rom – Ist die Kirche an ihrem Hauptsitz noch vorhanden?
Saarbrücken, 18. September 1983
Schild der actio spes unica

[Die Niederschrift dieses Vortrags wurde leicht überarbeitet]

 

Meine lieben hochwürdigen Herren, ehrwürdige Herren, meine Damen und Herren,

ich halte diesen Vortrag mit gemischten Gefühlen. Der Endzweck dieses Vortrags ist es, das Thema, von dem er handelt, zu beseitigen. Denn die Thematik und Problematik: "Haben wir einen gültigen Papst, haben wir keinen gültigen Papst? Ist der Stuhl des Hl. Petrus besetzt oder ist er nicht besetzt? Hat Johannes Paul II., Karol Woityla, den Thron des Petrus usurpiert, sich angemaßt? Oder ist er rechtmäßiger, gültiger Papst?" – diese ganze Fragerei ist nicht ohne die Hilfe des großen Zerstörers und Durcheinanderwerfers aufgebracht worden. Denn diese ganze Fragestellung lenkt uns in einer grauenhaften Weise vom Wesentlichen ab, und von dem, worauf es heute entscheidend ankommt. Sie verengt unseren Blick und hat eine zerstörerische, spalterische Wirkung. Und ich wäre dankbar, wenn mein Vortrag erreichen würde, daß diese ganze Frage überhaupt aus den Gehirnen verbannt würde.

Ist der Stuhl Petri vakant?

Auf was kommt es an? – Auf die Inhalte. Auf die Inhalte und immer wieder auf die Inhalte! Immer sie und nur sie. Die Kirche, der Innenraum der Kirche und der offizielle Raum der Kirche, ist unter Fremdherrschaft. Und diesen Raum halten besetzt diejenigen, die ihren fanatischen Kampf kämpfen gegen die Inhalte und ihre absolute Verbindlichkeit. Und wer jetzt die Hauptfragestellung schwerpunktlich richtet darauf: "Ist der Stuhl Petri besetzt oder nicht besetzt, ist der heutige Papst wirklich Papst oder ist er es nicht?" – der tut den Progressisten den größten Gefallen, indem er von den Inhalten ablenkt und sich auf juristische Fragen konzentriert. — Allerdings, so ganz unerheblich ist es wahrlich nicht.

Im Grunde versteht man unter Sedisvakanz, daß der Stuhl des Petrus vakant ist, leer ist, die Zeit zwischen dem Hinscheiden eines Papstes und der Neuwahl des nächsten. Wäre der heutige Papst in Wirklichkeit keiner, so wäre in der Tat der Stuhl des Petrus unbesetzt. Aber wann wäre der Papst kein Papst mehr? – Nur dann, wenn er sich den Stuhl des Petrus usurpiert hätte mit der teuflischen Absicht, durch die so erworbene Macht die Kirche zu zerstören.

Hat der heutige Papst diese bewußte, willentliche Zielsetzung, ja oder nein? Können wir das feststellen, ob er diese Zielsetzung hat oder nicht? – Wir können es natürlich nicht feststellen! Und solange man das nicht feststellen kann, weil man nicht in das Innere eines Menschen hineinzusehen vermag, müssen wir davon ausgehen, daß der Papst diese teuflische Absicht nicht hegt und in einem materiellen Irrtum befangen ist. Daß er selbst besetzt ist, von denen, die die Absicht haben, und zwar die gründliche Absicht, die Kirche von innen her zu zerstören. Die gibt es, die gibt es nachweislich. Das sind diejenigen, die von außen her in die Kirche hineinwirken und sich viele Helfershelfer gewonnen haben. Die die katholische Kirche aller Zeiten, so wie wir sie kennen und wollen, und wie sie gemeint und gestiftet ist, zerstören und ausradieren wollen. Und die Beherrscher sind: Professoren und Publizisten – um es einmal pauschal zu sagen, schwerpunktlich Professoren und Publizisten. Und Marionetten in ihrer Hand sind Papst und Bischöfe.

Jetzt könnten Sie einwenden: "Ist es denn überhaupt möglich, daß ein so gescheiter, theologisch und philosophisch gebildeter Mann wie Johannes Paul II., Karol Wojtyla, so benebelt und in einen solchen Irrtum hineingestoßen werden kann?" — Er kann – bei all' seiner Intelligenz und bei all' seinem theologischen Vorwissen. Und wie sehr er es kann und die Bischöfe es können! Darauf werde ich gleich zu sprechen kommen.

Meine lieben Brüder und Schwestern, stellen Sie sich vor, Papst Johannes Paul II. wäre nicht Papst, sondern wäre nur der Herr Wojtyla, der sich als Papst ausgibt, zum Papst hat wählen lassen, um die Kirche zu zerstören, von solchen, die ihn absichtlich auf den Thron des Petrus setzen wollten, damit er sein Zerstörungswerk vollziehe. Dann würde ihm der ganze Episkopat unter diesem Aspekt gehorchen. Und weil der Papst kein gültiger Papst wäre, wären auch die Bischöfe im Grunde keine gültigen Bischöfe mehr.

Das hieße weiterhin, dort, wo sich die katholische Kirche als katholische Kirche darstellt, dort wäre sie nicht mehr die katholische Kirche. Sie ist ja in den Augen der Welt eine dauerhafte Institution, mit Papst und Bischöfen, sie nennt sich katholische Kirche. Und auf einmal wäre sie es nicht mehr, dieselbe Einrichtung, lokalisierbar, räumlich fixierbar, personal ansprechbar, genau wie vor dreißig Jahren – das wäre auf einmal seinshaft nicht mehr die katholische Kirche, sondern eine andere, freimaurerische Kirche, die Synagoge Satans. Dann hätte sich eine negative Transsubstantiation vollzogen. Der Kirche, so wie sie sich darstellt, wäre eine neue Substanz untergeschoben worden, an der selben Stelle, wo sie immer gewesen ist. Sie wäre von Grund auf etwas ganz anderes, nämlich die Antikirche.

Ist das möglich? – Es ist nicht möglich, meine lieben Brüder und Schwestern, denn genau damit würde das Wort des Herrn widerlegt, "die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen". Wäre es so, daß die katholische Kirche, dort, wo sie als solche angesehen wird, in ihrem wahren Sein nicht mehr die katholische Kirche wäre, dann würde das Wort des Herrn nicht mehr gelten. Es wäre außer Kraft gesetzt, widerlegt, wir wären die ärmsten Menschen, unser Glaube wäre hinfällig. Denn es ist völlig unmöglich, daß die katholische Kirche offiziell mit ihrem Anspruch die katholische Kirche zu sein, auf einmal an der selben Stelle nicht mehr die katholische Kirche wäre, sondern irgendwohin ausgewandert wäre – absolut unvorstellbar, denkerisch unvollziehbar. Was folgt daraus? – Dort, wo die katholische Kirche sich heute offiziell als solche präsentiert, ist ohne Zweifel seinshaft noch die katholische Kirche. Der Papst ist Papst, die Bischöfe sind Bischöfe und die Kirche ist die Kirche.

Der Zustand der katholischen Kirche

Aber was ist mit ihr geschehen? Vorübergehend ist ihr wahres Sein überlagert, entstellt; das Erscheinungsbild der Kirche entspricht heute grundsätzlich nicht mehr ihrem wahren Wesen. Vorübergehend ist ihr Wesenseigentum besetzt gehalten, überlagert. Vergleichen Sie es mit einem besessenen Menschen: Wenn ein Mensch körperlich besessen ist, dann bedient sich der Satan des Leibes dieses Menschen, seiner Sprechorgane. Und alles, was dieser Mensch von sich gibt, ist nicht er, sondern der Satan benutzt ihn, um zu sprechen – der Satan spricht vermittels seiner Organe. Hat der Besessene jetzt aufgehört, dieser Mensch zu sein? – Keineswegs: Er ist noch dieser Mensch. Aber alles, was er von sich gibt, ist abscheulich, gotteslästerlich, schaurig, teuflisch, zutiefst abzulehnen. Gegen den eigentlichen Willen und das tiefste Wesen dieses Menschen gerichtet. Aber Satan hat die Oberhand über seinen Leib gewonnen und benutzt und mißbraucht seinen Leib, um das zu sagen, was er, Satan, sagen will – oder einer oder mehrere seiner Dämonen. Muß ich deshalb sagen: Das ist nicht mehr dieser Mensch, dieser Mensch ist verschwunden, diese vom Teufel besessene Anneliese Michel ist nicht mehr die Anneliese Michel? – Doch sie ist es, doch ist sie selber besetzt, ihrer nicht mehr mächtig, ein anderer benutzt ihre Organe, um sich zum Ausdruck und zur Geltung zu bringen.

Ist die katholische Kirche dort, wo sie sich als solche vorstellt, seinshaft noch die katholische Kirche? – Zweifellos! Aber ihr Eigentum – der Papst, die Bischöfe, Priester, Sakramente – ist weithin mit Beschlag belegt vom Fürsten dieser Welt, so daß er die Organe, die Wesenseigentümlichkeiten, den Wesensbesitz der Kirche benutzt, um sich selber zur Sprache zu bringen. Ist dadurch die Kirche überwältigt und zerstört? – Nein! Eine vorübergehende schreckliche Phase. Aber das, was so heimgesucht, so mißbraucht, so entstellt, so verfälscht wird, ist eben die katholische Kirche.

Und darum müssen wir davon ausgehen, daß der Papst gültiger Papst ist und nicht durchschaut, was gespielt wird. Der eine oder andere Bischof ist ganz und gar von diesem Progressismus in Beschlag belegt, allerdings nicht die meisten. Der eine oder andere Bischof will sogar sehr bewußt eine andere Kirche. Dieser Papst, wenn man genau hört und liest was er sagt, sicherlich nicht. Er ist in einem fürchterlichen Irrtum befallen, er sagt tausend Richtigkeiten, die entscheidende Richtigkeit sagt er aber nicht. Dort, wo es darauf ankommt, sagt er genau das Falsche, hält es aber für katholisch.

Die zentrale Falschideologie

Was ist denn der zentrale Irrtum? Es ist nämlich ein einziger, eine einzige Falschideologie. Und aus dieser einen einzigen Falschideologie ergibt sich der ganze Rattenschwanz von Skandalen, Irrtümern, Entstellungen und Verfälschungen seit dem sogenannten "Zweiten Vatikanischen Konzil", das kein Konzil war! Mit Sicherheit keins. Daß dieses Konzil einmal als ungültig erklärt wird, als ein Räuberkonzil erklärt wird, ist absolut sicher. Ein äußerst raffiniertes Ereignis, eine Versammlung, die der Satan so benutzt hat, daß man seine Genialität bewundern muß. Wenn einer unbedingt die Kirche zerstören wollte, hätte er es nicht besser, raffinierter machen können, als es geschehen ist. – Nur gelingt es ihm nicht. Sie wird sich wieder in ihrem eigenen Lichte erheben und wird sich aus ihrer eigenen Seinstiefe wieder regenerieren, absolut sicher gemäß der Verheißung des Herrn. Wir hier sind Kirche, und wir aber sind berufen im Rahmen der Priesterbruderschaft, im Rahmen der Meßzentren, im Rahmen der mit der Priesterbruderschaft assoziierten Gruppen, z.B. der actio spes unica, wir hier repräsentieren das wahre Sein der Kirche und sind aufbewahrt und aufgespart bis zu dem gesegneten Zeitpunkt, wo die Kirche wieder hervortritt als solche. Und das freilich wird zwar vorbereitet von den Gebeten kranker, leidender, einsamer, einfacher Menschen, wird aber zutage treten durch das Machtwort eines Papstes, der, koste es, was es wolle, ohne Rücksicht, wie ein heiliger Gregor VII., hineinfegt, ohne Rücksicht darauf, daß die Kirche dann zahlenmäßig sehr stark zusammenschrumpfen wird, aber diese Zusammengeschrumpfte wird dann den Kern bilden und den Keim einer langsamen, stetigen, sicheren und vielleicht auch relativ schnellen Verbreitung. So wird es kommen.

Was ist nun der zentrale Irrtum? Der zentrale Irrtum ist der: "Die katholische Kirche hat das Vorbild Jesu zu verwirklichen als Gemeinschaft und hat Modell zu sein für eine sich immer mehr selbst vollkommnende, immer menschlichere, immer tolerantere, großzügigere, verstehendere, einfühlungsfähigere menschliche Gesellschaft. Entscheidend also sind die Verhaltensweisen des Jesus von Nazareth: Er hat uns durch sein Verhalten die Liebe Gottes offenbart und uns durch sein Beispiel die Liebe Gottes zu den Menschen garantiert, vergegenwärtigt. Er ist im Zeichen dieser göttlichen Zuwendung zu den Menschen den Tod gestorben, um uns Menschen durch sein Beispiel die Kraft zu geben, eine neue Frömmigkeit zu installieren, nämlich jene Frömmigkeit, die nicht mehr zum Himmel aufblickt, sondern durch das Beispiel der göttlichen Liebe, vorgeführt durch Jesus von Nazareth, sich der Welt zuwendet, um die Welt im Sinne der Versöhnung und des Friedens zu revolutionieren. Die katholische Kirche ist da, um mit allen anderen Religionsgemeinschaften gemeinsam, im Zeichen des gemeinsamen humanen Anliegens zum richtigen Aufbau der menschlichen Gesellschaft beizutragen. Die katholische Kirche ist also ein Beitrag für den Fortschritt der Menschheit, der zahlenmäßig gesamten Menschheit. Die Menschheit als Kollektiv schreitet voran, und wir haben durch unser besonderes Wissen, das wir von Jesus her haben, eine besondere Mission, einen Beitrag zu liefern, Arm in Arm mit allen anderen, denen es auch um eine bessere Menschheit geht."

Daher ist das jetzt mit dem "pilgernden Gottesvolk" gekommen. Im Grunde eine teuflische Doktrin. Pilgerndes Gottesvolk heißt: "Wir sind alle noch auf dem Wege, und wir respektieren jede andere Auffassung, jede andere Überzeugung und Weltanschauung als eine gültige Station auf dem Weg zu endgültigen Wahrheit, zum Punkt Omega, zur Vollendung. Wir haben noch nicht die Wahrheit, wir sind noch im Niemandsland des Noch-nicht. Wir wissen noch nicht, was eigentlich die endgültige göttliche Wahrheit ist. Wir nehmen an dieser Wahrheit schon so ein bißchen teil, wir erahnen sie. Aber wir können zu dieser Wahrheit noch nicht vorstoßen. Wir umkreisen sie durch zeitbedingte Formulierungen. So sind die Dogmen zeitbedingte Formulierungen, die den Wahrheitskern umkreisen, aber dieser Wahrheitskern ist in sich unerreichbar. Und je nach Zeitläuften und je nach Situation gibt es immer wieder neue, eben zeitgemäße, je zeitentsprechende Formulierungen, die den gleichen Wahrheitskern in einer anderen Weise unter einem anderen Aspekt umkreisen, so gibt es ständige Ablösungen: Einmal sieht man die Wahrheit so, einmal sieht man sie anders. Aber immer ist es eine Wahrheit, die wir im Grunde noch nicht kennen, auf die wir zuwandern, uns demütig einander einhakend, auf dem Wege mit allen anderen Gemeinschaften ökumenisch zum Endziel hin. Demütig gestehen wir ein, daß wir die Wahrheit noch nicht haben. Wollten wir einen absoluten Wahrheitsanspruch erheben, einen unbedingten Wahrheitsanspruch, dann wären wir ja Friedensstörer – Störenfriede, wir würden die idyllische Gemeinschaft der Menschen untereinander konterkarieren. Wer Inhalte behauptet, der trennt, darum laßt uns nicht auf Inhalten bestehen. Es sei denn, wir sehen in den Inhalten einen Beitrag, jeder hat ja so seine Erfahrungen. Und so sollen wir im Ringelreihen, kreisrund sitzend, jeder seine Erfahrungen einbringen, seine Überzeugungen – recht so, wunderbar, sehr schön, du meinst das mehr so. Der andere ist mehr konservativ – recht so! Der andere ist mehr fortschrittlich – um so besser! Der eine andere ist Buddhist – auch sehr schön! — Wir wollen alle alles einbringen und dann möglichst gruppendynamisch verwerten. Und so kommen wir, indem wir vor allem das Beispiel des Geltenlassens, Leben und Lebenlassens, Stehenlassens üben, immer weiter und immer weiter, irgendwann wird dann die Vollkommenheit da sein, wenn alle Menschen Brüder geworden sind und wenn diese Erde ein bewohnlicher angenehmer Planet geworden ist."

Das ist diese teuflische Irrlehre. Sie ist der Kern des Verderbens. Also: Es kommt alles auf die Verhaltensweisen an und nicht auf die Inhalte und nicht auf die Wahrheit. Und was die Verhaltensweisen anbetrifft, so haben wir unseren Beitrag zu leisten. Und wer eben konservativ ist – gut. Er darf nur nicht behaupten, daß seine konservative Einstellung die einzig richtige ist. Dann ist er kommunikativ unfähig, wird ausgeschlossen. Wer absoluten Anspruch für sich usurpiert, sich anmaßt, der will nicht mitmachen, ist ja kein Mitmacher: "Weg mit ihm!" –

Der totalitäte Keim des Progressismus

Sehen Sie, das ist auch der totalitäre Keim des Progressismus. Was ist denn totalitär? Eine Militärdiktatur oder die Diktatur Francos? – Nicht die Spur, hat mit totalitär gar nichts zu tun. Diktatur heißt – das kann man gutheißen, das kann man nicht gutheißen, jede Staatsform hat ihre Gefahren, ihre Chancen, ihre negativen, positiven Seiten. Diktatur heißt: Um die Politik kümmert sich letztlich nur einer, bzw. die von ihm bestellt sind. Alle anderen können politische Ansichten haben, haben aber kein Recht sie zu äußern bzw. in die Waagschale zu werfen, zur Geltung zu bringen. Aber jeder wird in Ruhe gelassen und kann sein Privatleben führen.

Ganz anders totalitäre Systeme: Totalitäre Systeme kommen immer aus Unternehmungen, die die Menschheit en bloc bessern wollen. Wer aber die Menschheit kollektiv bessern will, braucht ein Rezept, ein Konzept, ein System. Wer sich in dieses System einfügt, ist ein Freund der Menschen. Wer sich nicht einfügt, wer wagt, anders zu denken, ist kollektiv, kommunikativ unbrauchbar, der wird so oder so totgeschwiegen, liquidiert. Besuchen Sie einmal solche progressistische Musterpfarreien wie z.B. Eschborn bei Frankfurt, sogenannte "integrierte Pfarreien". Wer mitmacht, darf mitmachen, der ist hochwillkommen. Aber er muß mit-machen. Behaupten, das, was ich jetzt sage, ist das einzig Katholische, das schließt ihn aus. Er muß seine eigene Auffassung relativieren und in den großen Einheitsbrei mit einbringen: "Ich möchte meinen Beitrag leisten." Wer da nicht mitmacht, wird ausgeschlossen, schief angesehen: "Der führt ja ein Privatleben, der hat ja eigene Absolutheitsvorstellungen, der ist ja unbrauchbar, der macht ja nicht mit. Die älteren unter Ihnen, bzw. die mittelalterlichen unter Ihnen, die wissen ja noch genau wie es damals war: Wer nicht mitmachte, war Meckerer und Miesmacher, war politisch unzuverlässig. Und so ist es ja genau heute: Wer da nicht mitmacht, der wird ausgeschlossen. So wie ich das eben darstelle, wird das natürlich nicht überall so brutal präzise gesagt.

Die irreführende Gültigkeitsfrage

Zumal ja sehr viele brave konservative Pfarrer durchaus auf dem Boden des Glaubens stehen und den Absolutheitsanspruch aufrechterhalten. Sie merken nur nicht, was gespielt wird. Sie lesen den Neuen Ordo der Messe, in guter Absicht. Daraus folgt das Entsetzliche, daß sie gültig zelebrieren – das ist erst das Schlimme, daß der Neue Ordo aus sich die Gültigkeit nicht ausschließt. Und jetzt meinen einige, in einem Wahn befangen: "Wenn die Messe gültig ist, dann ist es ja gut, dann kann man ja hingehen." – "Dann ist es ganz und gar nicht gut, und du darfst ganz und gar nicht daran teilnehmen!" – "Ja aber es vollzieht sich doch das Opfer des Gottmenschen." – "Umso schlimmer, denn dieses Opfer des Gottmenschen wird durch diesen neuen Ordo entstellt und entehrt, deshalb darf ich da nicht mitmachen."

Kommen Sie doch endlich von der Gültigkeitsfrage los! Wenn ich heute als Priester abfalle, vom Teufel mich beherrschen lasse; in einen richtigen Haß gegen Christus gerate und mich anschicke zu zelebrieren, um Christus zu beleidigen, in der möglichst unwürdigen Form: Mit einem zerbrochenen Holzteller, mit einem schäbigen Stück Graubrot, mit miesen Wein in einem Bakelitbecher, auf einem dreckigen Küchentisch, schnell, hausgemachte Texte, die aber durchaus dem Wesen des Meßopfers gemäß verstanden werden können, in Kurzform... – (Diese Kurzform z.B. ist offiziell erlaubt, wenn der Tabernakel nicht aufgeht oder wenn der Priester plötzlich feststellt, 200 Leute wollen dringend zur Kommunion und es sind keine Hostien konsekriert. Dann holt er sich schnell Hostien aus der Sakristei und holt in Kurzform die Hl. Messe nach. Sie sehen also, daß das geht. Das ist dann keine Schändung, wenn er es in Würde macht. Mir ist es einmal passiert, daß der Tabernakelschlüssel nicht ging. Ich konnte machen, was ich wollte: Der Tabernakel ging nicht auf, Da mußte ich Hostien nehmen und in Kurzform noch einmal zelebrieren, die Wandlung sprechen usw. Kurz die Opferbereitung, kurz die Wandlungsworte, und dann konnte ich die Kommunion darreichen.)

Nun will es ein solcher Priester aus Haß tun, ohne Not, nachdrücklich unwürdig, gemein. Er spricht die Wandlungsworte, er will verwandeln, um zu schänden: Ist diese Messe gültig? – Selbstverständlich, sie ist gültig. So hat sich Gott uns in die Hand gegeben. Darf man dabei sein? – Nie und nimmer. Denn wer dabei ist, nimmt teil an einer Schändung.

Also Sie sehen, daß mit der Gültigkeit gar nichts gesagt ist. Daß der Neue Ordo von vielen braven konservativen Priestern gültig gefeiert wird, macht die Sache keineswegs besser. Da heißt es immer: "Ha, der Pfarrer Milch erkennt die Neue Messe an." – Er denkt nicht im Traum daran sie anzuerkennen. Trauernd stellt er fest, daß sie gültig ist. Und daß sie gültig zelebriert wird, regelgerecht, schön, jeden Tag, von braven Priestern, das ist der viel schlimmere Skandal als Meßfestivals, Fastnachtsmessen oder was weiß ich nicht alles für deutliche Exzesse. Das ist der eigentliche Skandal, der progressistische Alltag! Von konservativen Priestern, die keine Ahnung haben und in einer falschen Gehorsamsvorstellung befangen sind. Die sagen: "Gewiß es ist vieles, was durchaus zu verurteilen und bedauern ist. Aber man muß eben gehorchen! Und nur im Rahmen der Legitimität, des Gesetzmäßigen, kann ich von innen her durch das Erleiden von alledem eine Besserung herbeiführen, außerhalb der Mauern ist das unmöglich."

Nun wir sind nicht außerhalb der Mauern. Ganz und gar nicht. Ich bin mittendrin. Meine Suspendierung war nicht unrecht, sonst müßte ich gehorchen. Was mir an Unrecht zugefügt wird vom Bischof oder vom Papst, muß ich fraglos auf mich nehmen. Der Gehorsam ist unabdingbar. Die Suspendierung war nicht ungerecht, sondern sie ist ungültig. Deshalb brauche ich diese Suspendierung gar nicht zu beachten. Wie auch die Suspendierung des Erzbischofs völlig ungültig war. Und meine Suspendierung erfolgte ja unter dem Aspekt, daß ich mich zum Erzbischof bekannte. Ich durfte gar nicht gehorchen. In der Kirche muß man entweder gehorchen oder man darf nicht gehorchen. Der Gehorsam ist nie ins Belieben gestellt. Wenn ich gehorchen darf, muß ich auch gehorchen.

Deshalb sind wir mittendrin. Wir feiern die Hl. Messe so, wie Christus sie will, das ist das Entscheidende, und nur dabei dürfen wir teilnehmen. Der Irrtum von vielen Seiten aus Reihen der "Una Voce" usw. ist der, daß sie sagen, die Messe ist gültig, also darf ich, ja muß ich, daran teilnehmen. – NEIN! Eindeutig nein! – Ich darf ja auch nicht teilnehmen an der göttlichen Liturgie des hl. Chrysostomus, ich darf dabeisein, mir sie ansehen, aber nicht teilnehmen. Ich darf natürlich an ihr teilnehmen, sofern sie von Unierten gehalten wird, also im Rahmen der katholischen Kirche. Aber im Rahmen der Schismatiker, der russisch- oder griechisch-orthodoxen darf ich eben nicht dran teilnehmen, obwohl sie höhchst würdig, höchst gläubig, höchst gültig dort gehalten wird. Und wenn schon das eindeutig ist, dann schon gar nicht bei der Neuen Messe, die Gültigkeitsfrage spielt dabei gar keine Rolle.

Wenn es nicht gültig wäre, dann bräuchten wir uns gar nicht so aufzuregen, dann wäre es halt ein dummes Theater, eine Vortäuschung. Es wäre halt Brot. Da könnte gar nicht viel geschändet werden. Das Ungültige kann nicht geschändet werden, sondern nur das Gültige. Das ist ja gerade das Aufregende dabei, daß es gültig sein kann. Natürlich, bei jungen Springern, die nach '65 geweiht worden sind, da habe ich starke Zweifel, ob die Sache gültig ist, weil sie gar nicht mehr die richtige Intention haben können. Auch wenn sie die Intention haben zu tun, was die Kirche tut: Sie haben ja einen falschen Kirchenbegriff. Da ist die Sache schon durchaus zweifelhaft. Aber die würden auch die tridentinische Messe ungültig lesen.

Der falsche Gemeinschaftsbegriff

Ich habe Ihnen eben diese Falschideologie geschildert. Aber waren nicht Strömungen, die in diese Richtung drängten, schon vor 1958 da? Sind nicht einige unter Ihnen, die sich an die Jugendbewegung erinnern, an die Gemeinschaftsmesse, an all' die Sperenzien in Zeltlagern usw., wo dauernd behauptet wurde, die Gemeinschaft bringt das Opfer dar, und das entscheidende dabei ist die Gemeinschaft? Da fing es doch schon an! Das ist grundfalsch:

Die Kirche ist keine Gemeinschaft. Die Kirche besteht auch substantiell nicht aus Gemeinden. Was ist die Kirche? Die Kirche ist nichts anderes, als das Opfer des Christus und seine Annahme durch Maria. Das ist die Kirche heute, gestern, morgen, übermorgen und in Ewigkeit. Also die Fortsetzung dessen, was Christus ist, und Christus tut, das Gebaren des Hauptes. Und die Erfüllung, die volle Wirksamkeit der Erlösungstat in Maria. Wenn nur Maria erlöst wäre, hätte das Kreuzesopfer Christi seinen vollen unüberbietbaren Erfolg gehabt. Wenn alle anderen verdammt wären, wenn nur Maria erlöst wäre, wäre der Erfolg unüberbietbar.

Im Grunde muß die Schola, in der Ostliturgie der Chor, vorne an den Altar. Was repräsentiert der Chor: Maria. Der Chor kommentiert, meditiert, kontempliert das heilige Geschehen. Der Chor, die Schola tut das, was Maria tut: Sie bewahrte diese Worte in ihrem Herzen und bewegte sie in ihrem Geiste. Das ist genau das Meditieren, klassisch ausgedrückt. Mütterlich bergend. Das ist die geistige Schwangerschaft, die damit ausgedrückt wird. Und das Gebären ist dann das große Ratgeben und Verkündigen, das Prophetische. Das Prophetische und Mütterliche ist tief miteinander verwandt.

Dann ist Christus der Priester, der das Opfer vollzieht, der Opfernde sichtbar im Priester, Christus als der Geopferte real gegenwärtig nach der Wesensverwandlung als Hostie – er ist nicht in der Hostie, er ist die Hostie. Muß man auch immer richtig ausdrücken: Ich sehe GOTT! Und die Meßdiener repräsentieren nicht die Gemeinde, sondern die Engel, die dienend diesem Geschehen beiwohnen.

Dieses Geschehen ist völlig unabhängig, völlig saturiert. Dieses Geschehen bedarf keines einzigen Anwesenden. Es ist vorgegeben, entrückt. Und diese Vorgegebenheit, Entrücktheit und Unabhängigkeit muß zum Ausdruck kommen, dadurch daß sich das Geschehen groß in seinem Eigenrecht und seiner Eigengesetzlichkeit sich vor uns erhebt. Wer hinzukommt gewinnt, wer fortbleibt verliert. Das Geschehen selbst gewinnt durch keinen Hinzutretenden, nur der Hinzutretende gewinnt. Es verliert durch keinen Fernbleibenden, nur der Fernbleibende verliert.

Gerade weil dieses Geschehen dich nicht braucht, mich nicht braucht, deshalb ist es ganz für dich da, denn ich brauche Den, Der mich nicht braucht. Als ich konvertierte, war ich sehr glücklich darüber, daß mein Wunsch, den ich äußerte, mit relativer Kühlheit registriert wurde. Es wäre mir höchst peinlich gewesen, wenn man das mit Jubel begrüßt hätte: "Ach wie schön, kommen Sie herbei, kommen Sie in unsere Arme, schon wieder eine Seele gewonnen." – Ich wollte die Kirche als eine unabhängige, souveräne Königin erfahren, die meiner nicht bedarf. So will ich die Kirche sehen, und nicht als eine nette Gemeinschaft freundlicher Menschen untereinander, nicht als Kollektiv, nicht als Wir.

Und wenn sich hier das heilige Meßopfer erreignet, und du bist da – was ist das entscheidende? Dies "und du" – sonst gar nichts. Es gibt kein Rechts und kein Links, kein Hinten und Vorne, kein Drumherum. Er mit seinem Opfer und du. Das ist die Senkrechte. Darum schaut jeder in eine Richtung, rechts und links interessieren mich nicht. Und erst unter solchen, die vom unabhänigen Strahl der freien Hingabe des Gottmenschen getroffen sind und in freier Antwort ihr Ja gesagt haben, erst unter solchen ergibt sich als Heilsfrucht Gemeinde. Gemeinde ist also nicht eine Wesensbestandteil der Kirche, sondern eine Heilsfolge dessen, was Kirche wesenhaft ist. Das ist außerordentlich wichtig. Weg vom Wir: Er und du. Wie der hl. Augustinus sagt: "Gott und die Seele, sonst nichts."

Ist das egoistisch? Ganz und gar nicht. Gerade erst daraus erwächst mir die Möglichkeit und das wache Bewußtsein, den Wert des Anderen zu erkennen und den Anderen zu lieben. Und die sich unter diesem Aspekt erkennen werden automatisch Gemeinschaft.

Die werden auch ihre Gemeinschaft nicht reflektieren und sagen: "Hach, was sind wir für eine schöne Gemeinschaft. Wollen Sie nicht auch zu unserer schönen Gemeinschaft kommen?" – Ich bin bestimmt nicht kontaktarm, wer mich kennt, weiß das. Aber wenn ich mit diesem Anspruch irgendwo empfangen werde: "Wollen Sie nicht auch in unsere schöne Gemeinschaft kommen?" – dann sage ich sofort Aufwiedersehen. Da hebt es mich nämlich schon zum Brechen. Das ist schamlos! Das ist so ähnlich, wie wenn ich vor einer gewaltigen Landschaft stehe, die mich packt. Und dann kommt einer zu mir und sagt: "Es ist ergreifend!" – Dann ist alles weg. – Mund halten! Und wenn man feststellt. "Ach wie schön, daß wir eine so herzliche und nette Gemeinschaft sind", dann ist alles weg. Die Gemeinschaft ist, sie wächst, sie wird geboren, sie wächst organisch. Sehen Sie, das ist Kirche.

Wie viele sind denn in dieser falschen Gemeinschaftsvorstellung befangen? Wieviele meinen denn auch in unseren Kreisen, das kollektive Gebet sei wichtiger als das Gebet des Einzelnen? Man würde erst richtig beten, wenn man gemeinsam betet. Das Wir stehe über dem Ich. Da ist doch schon der Keim des Irrtums drin. Und wenn einer so Wir-Gebunden ist, so Kollektiv-gebunden, der aus dem polnischen Volk kommt und in den Verfolgungszeiten so intensiv Gemeinschaft erlebt hat und diese ganze jugendbewegte, liturgiebewegte Falschvorstellung von Gemeinschaft miterlebt hat. Wie schnell landet der in der Vorstellung, die Hl. Messe ist ein Gemeinschaftsereignis, bis hin: Die Eucharistiefeier ist eine Versammlung der Gläubigen unter dem Aspekt des Wortes "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." Aber das ist falsch! Christus will mit diesem Wort sagen: "Wenn zwei oder drei sich in meinem Namen erkennen, dann geschieht das dadurch, daß ich in ihnen bin". Das ist nämlich die umgekehrte Reihenfolge der Ursächlichkeit. "Wenn zwei oder drei in meinem Namen zusammenkommen, dann ist das nur dadurch möglich, daß ich in ihnen bin". So ist das zu verstehen, und nicht umgekehrt.

Das Jawort des Einzelnen

Aber er ist nur erst dadurch in ihnen, daß der je Einzelne sein Jawort gesagt hat. Denn alles was da geschieht, alles was du im Glaubensbekenntnis aufzählst, die Menschwerdung Gottes – das ist ja das, was wir glauben. Daß es einen Gott gibt, das wissen wir aus der Erkenntnis. Daß Gott Mensch geworden ist, wissen wir aus dem Glauben. Und das ist überhaupt das Interessante. Daß es Gott gibt, kann mir wenig nutzen, ich weiß ja nicht, ob er sich für mich interessiert und inwieweit er sich für mich interessiert. Aber daß er Mensch geworden ist, heißt, daß er eingebrochen ist und zu meinem Schicksal geworden ist, so daß ein heiliger Eros mich durchdringt und es um mich passiert ist.

Denken Sie an den hl. Paulus: Jahwe am Kreuz, Jahwe am Galgen, Gott am Galgen – das war für Saulus unvorstellbar, eine äußerste Gotteslästerung. Er schnaubte: "Die müssen getötet werden, die sich so an dem erhabenen einzigen Gott, dessen Namen wir nicht zu nennen wagen, versündigen.

Und dann kam der Augenblick: "Ja das ist ja wahr! Das ist ja tatsächlich wahr! Gott am Galgen für mich!" – Von diesem Datum an können wir überhaupt Gott erst lieben, weil die Selbstliebe mit der Gottesliebe dann ineins kommt und Gott mein Schicksal ist. Meins! Und das ganze gehört mir, ungeteilt! Nicht wir. Das versuche ich schon den kleinen Kindern beizubringen: "Für wen hat er es getan?" – "Für uns." – "Stimmt. Sag's noch einmal richtiger!" – "Für mich!"

Für mich. Hinter der Menschheit, da kann ich mich so schön verstecken, in einem Kollektiv, in einem Wir. — Nein: Ungeschützt auf freier Plaine gehört dir der ganze ungeteilte Umfang des gottmenschlichen Unternehmens, und er hätte alles getan, wenn es nur dich als einzigen Menschen gäbe. DU ganz allein, barhäuptig, ungeschützt, bist diesem Angebot ausgesetzt. JA ODER NEIN. Dieses Feuer der Unbedingtheit muß in dir lodern. Aber wie leicht sind wir selbst von einer kollektivistischen Vorstellung gepackt.

Wahrheitskörner in anderen Religionen

Nun ist es so: Selbstverständlich gibt es christliche, vorchristliche, adventliche Wahrheitskörner in allen möglichen Religionen. Ja, der Irrtum selber lebt ja nur von der Wahrheit. Der Irrtum selbst frißt sich an der Wahrheit satt. Der Irrtum nimmt etwas aus dem Wahrheitsgefüge heraus und verabsolutiert es. "Sich etwas herausnehmen", sagt unsere Sprache. Das heißt: Aus dem gültigen Gefüge wird ein Teil herausgenommen, und es wird so getan, als sei dieser Teil alles. Auf Griechisch heißt das heirein – nehmen. Und dieses Herausnehmen heireisis – Häresie. Ein Stück Wahrheit wird verabsolutiert. Wir als katholische Kirche also solche haben allein die Fähigkeit und den Überblick zu bestimmen, was wahr ist und was falsch ist. Was Wahrheitskörner sind, die wir souverän verwerten und für uns in Anspruch nehmen, was nicht in Anspruch genommen werden kann. "Prüfet alles, behaltet das Wahre, behaltet das Gute, denn wir stehen auf der Höhe von der wir alles beurteilen, ohne von jemandem beurteilt werden zu können," sagt der hl. Paulus ganz tief zurecht.

Das ist wahr. Welche falschen Folgerungen ziehen daraus die Progressisten: Weil in anderen Religionen auch Wahres drin ist, sind sie uns also irgendwie doch gleichberechtigt und wir müssen sie auch als Erscheinungsform des Christlichen konzedieren. Das ist eine falsche Schlußfolgerung daraus.

Der Papst sagt viel Wahres – ich habe seine Gespräche mit Frossard gelesen, vielleicht kennen Sie auch sein Buch "Gott existiert, ich habe ihn gesehen". Er hat auch durchaus eine spekulative Fähigkeit zu theologisieren. Aber im entscheidenden Punkt ist er benebelt. Und wir dürfen die Macht Satans nicht unterschätzen, das Geheimnis der Bosheit. Wie schnell er einen Menschen herumkriegt, herumdreht ins Falsche. Gerade oft die intelligentesten. Und glauben Sie mir: Die den Progressismus durchaus für sehr katholisch halten und ihn sehr vertreten, sind oft besonders Intelligente. Und ihrer bedient sich Satan.

Ein Papst als bewußter Zerstörer der Kirche?

Meine lieben Brüder und Schwestern, lassen Sie mich am Schluß das sagen, was mit Hinblick auf den Papst unbedingt gewußt werden muß. Sie erinnern sich, daß ich vorhin gesagt habe: Nur dann ist der Papst kein Papst und hat den Stuhl des Petrus usurpiert, besetzt, wenn er ganz bewußt eine Überzeugung hegt, von der er weiß, daß sie nicht katholisch ist. Wenn er seine so erworbene Macht benutzen will, um die katholische Kirche zu zerstören. Er tut so, als ob er Papst wäre, alle halten ihn für den Papst, und er benutzt diesen Irrtum, um von innen her, klug und raffiniert, die katholische Kirche kaputtzumachen.

Ist das überhaupt denkbar? Antwort: Es ist nicht denkbar. Es ist in sich vollkommen unmöglich. Christus hat den Simon, Sohn des Jonas, zum Petrus gemacht. "Petrus" ist seine Amtsbezeichnung, aber auch sein Name. Damit ist seine Person bezeichnet. Und alle Personen, die in seiner Nachfolge, aufgrund der entsprechend festgelegten Wahlprozedur, auch das übernehmen, was Petrus ist, zum Petrus werden und so auch vom Herrn das Wort vernehmen: "Du bist Petrus". Weil du Petrus bist, darum hat die Kirche das notwendige Felsenfundament, das ihr Dasein und ihre göttliche Beglaubigung garantiert. Dieses Felsensein beruht nicht auf dem Charakter, auch nicht auf der Überzeugung, auch nicht auf den Taten, Worten, Anordnungen, Befehlen, Reden, Predigten usw. des Petrus. Der kann in großen Irrtümern befangen sein. Aber er ist Petrus, er ist Papst. Und weil er Papst ist, darum ist durch sein bloßes Sein als Person, als Petrus, der Bestand der Kirche garantiert.

Sie werden sich vielleicht wundern, das zu hören. Aber bedenken Sie, was das heißt: Ein Papst mag leben so unmoralisch wie der Borgia-Papst Alexander VI., er mag in zentralen Irrtümern befangen sein wie Paul VI., er mag in einem dauernden wesenhaften Irrtum befangen sein wie der allererste Papst, eben Simon, der erste Petrus, über das Gesetz des Moses und seine weitere Wirksamkeit in das Christentum hinein. So daß er vom hl. Paulus hören mußte: "Wenn du recht hättest, wäre Christus umsonst gestorben." Außerdem steht in der Hl. Schrift nichts davon, daß Petrus daraufhin eine Sinneswandlung vorgenommen hat. Wir wissen es nicht. Und es ist nicht einmal sehr wahrscheinlich. Höchstwahrscheinlich ist es vielmehr, daß er mindestens für die Judenchristen daran festgehalten hat, daß sie beschnitten werden und das ganze Gesetz des Moses mit allen Einzelvorschriften annehmen und durchführen müssen. Ein grundlegender Irrtum, auch für Judenchristen.

Was macht also diese Felsenhaftigkeit aus? Daß er tief überzeugt ist, alles was er denke sei mit Christus konform, sei katholisch. Daß er für den Fall, er wolle ein Dogma im Sinne seiner falschen Überzeugung, seiner gutgemeinten Irrtümer, definieren, daran gehindert wird. Wie, ist ganz egal: er bricht sich ein Bein, er stirbt vorher, er wird krank, andere Umstände kommen dazwischen. Jedenfalls der noch so sehr im Irrtum befindliche Papst wird absolut daran gehindert, eine falsche Entscheidung in Glaubensdingen für die ganze Kirche zu proklamieren. Und hier liegt die Felsenhaftigkeit seines Amtes. Wie weit er sonst seines Amtes waltet, wie gut und richtig er seines Amtes waltet. ist dabei nicht entscheidend. Entscheidend ist: Er ist der Petrus.

Und jetzt stellen Sie sich vor, es wäre möglich, daß heimlich ein Papst formaler Häretiker ist, er also, ohne daß es andere merken, in seinem tiefsten Herzen einer Überzeugung huldigt, von der er genau weiß, daß sie ist nicht mehr katholisch ist. Er wäre also von diesem Augenblick an kein Katholik, und eben dadurch kein Papst mehr. Wenn er sich dann als Nicht-Papst anschicken würde, ein falsches Dogma zu definieren, würde ihm ja die Verheißung des Heiligen Geistes gar nicht zuteil. Er könnte als Nicht-Papst dann so tun als ob und die Menschen völlig in die Irre führen. Und man müßte bei jedem Papst Angst haben: Ist er es auch wirklich, denkt er auch wirklich so wie er nach außen tut? Hegt er vielleicht in seinem Innersten doch sehr bewußt eine antikatholische, unkatholische Überzeugung als solche?

Das ist undenkbar. Das wäre absolut gegen die Verheißung. Dann würde sich Christus als ein Lügner, als ein Narr oder als ein krankhafter Mensch erweisen. Es ist also vollkommen unmöglich, daß jemand, der von der Welt und von den Gläubigen als Papst angesehen und anerkannt wird, ein solcher formaler Häretiker ist, also eine Überzeugung hegt, von der er genau weiß, daß sie nicht katholisch ist. Also wissen wir, daß auch Paul VI. und Johannes Paul II. davon überzeugt waren und sind, daß was sie denken und sagen katholisch sei, auch wenn es objektiv antichristlich ist.

Und daher ist die ganze Frage: "Ist der Papst ein gültiger Papst oder kein gültiger Papst?" innerlich sinnlos und unlogisch. Die Vorstellung eines Papstes, der bewußt antikatholische Ideen hegt, ist ein innerer Widerspruch. Einen solchen Papst kann es nicht geben, und gäbe es ihn, wäre die ganze Verheißung des Christus hinfällig.

Wir können daher nicht nur, wir müssen davon ausgehen, daß Johannes Paul II. gültiger Papst ist. Und unser Erzbischof, tut das beste daran, wenn er immer wieder versucht, in einer Hoffnung gegen alle Hoffnung, den Papst zur wahren Ausübung seines in ihm wohnenden Amtes zu bringen. Dieses in ihm wohnende Amt entfaltet er nicht, aber daran knüpfen wir an. Weil er wesenhaft Petrus ist, beten wir für ihn auch im Kanon, wird er in das offizielle Gebet der Kirche mit einbezogen, auch der jeweilige Bischof.

Und nun bitte ich Sie sehr dringend, meine lieben Brüder und Schwestern, schließen Sie die Akte über diese Frage und wenden Sie sich wieder den wesentlichen Dingen zu.

Ich danke Ihnen.