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Geistliches Wort im August 2007
Schild der actio spes unica
 

10. Sonntag nach Pfingsten, vom Pharisäer und dem Zöllner

 

1. Der Pharisäer und der Zöllner gegenüber Gott

Was mag wohl Gott, menschlich gesprochen, gedacht haben, als der Pharisäer sprach: "Ich danke dir, Gott, daß ich nicht bin wie die übrigen Menschen, wie die Räuber, die Ungerechten, die Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner"? Sollen wir uns nach menschlicher Weise denken, was Gott hierauf hätte antworten mögen? Er hätte vielleicht gesagt: Du hochmütiger Pharisäer! Ja freilich, mit Worten dankst du mir; in deinen Herzen aber, welches ich durchschaue, schreibst du dir selbst das Verdienst zu und sprichst: "Was für ein heiliger Mann bin ich doch, das ich nicht stehle, nicht betrüge, nicht ehebreche! Wie viel besser bin ich als dieser Zöllner!" Machen wir es nicht mitunter ähnlich? Demütig sind wir in unseren Worten, in unseren Worten schreiben wir Gott alles zu; aber im Herzen wünschen wir, daß man uns die Ehre gebe, daß man uns für heilig, für klug, für geschickt, für fleißig halte; um die Ehre Gottes ist es uns dabei wenig zu tun. Wenn uns Menschen eine solche Verstellung, eine heuchlerische Ehrsucht ekelhaft vorkommt, wie viel mehr muß sie das unendlich heilige Auge Gottes verletzen und Abscheu erregen!

Sehen wir demgegenüber den Zöllner! Er mochte vielleicht viel gesündigt haben. Aber es ist ihm leid, er schämt sich darob, er wagt seine Augen nicht aufzuschlagen und spricht: "Gott sei mir Sünder gnädig!" Muß diese reuige Demut nicht Gott gefallen? Muß Gott dem Zöllner nicht alsbald verzeihen, wie der Vater dem verlorenen Sohn verzieh? Muß er ihn in seiner väterlichen Liebe nicht sofort mit dem Gewande der heiligmachenden Gnade ausstatten und auch mit anderen Gunstbezeugungen überhäufen? Jetzt fragen wir uns selbst: Wem möchten wir gleichen? Dem Pharisäer oder dem Zöllner? Wem aber gleichen wir in unseren verschiedenen Handlungen? Wir sind uns vielleicht nicht so genau der Triebfedern bewußt, welche uns beim Reden und Handeln bestimmen, unsere Umgebung durchschaut sie ebenfalls nicht immer. Aber das allsehende Auge Gottes sieht ganz genau, ob und wann wir dem Pharisäer gleichen und wann dem Zöllner, ob es Demut oder verborgener Stolz und Eitelkeit ist, was unser Herz bewegt, was uns beim Reden und Handeln treibt. Erforschen wir uns also genau, damit wir alles in uns bemerken, was dem Pharisäer gleicht, und damit wir es uns von uns werfen, um den Blick des dreimal heiligen Gottes nicht zu mißfallen. Bitten wir den Heiland, daß er uns hilft, uns und unsere Handlungen ernstlich zu prüfen und alle pharisäische Selbstgefälligkeit aus uns zu entfernen, dafür aber die Demut des Zöllners einzupflanzen.

 

2. Der Pharisäer und der Zöllner dem Nächsten gegenüber

Einen solchen Pharisäer pflegen auch die Menschen zu verabscheuen; sie verkehren nicht gern mit ihm. Wo er ist, fühlt man sich unbehaglich, denn man fürchtet ihn zu beleidigen, wenn man ihn nicht für so heilig, für so klug, für so gerecht hält, wie er selbst zu sein glaubt. Und doch kann man ihn vielleicht mit dem besten Willen nicht dafür halten, weil er es nicht ist. Wenn er selbst den Mund auftut, dann lobt er vielleicht anfangs den Nächsten, hintendrein aber kommt eine Bemerkung etwa wie folgt: Schade, daß er so unvorsichtig ist! Oder: Schade, daß er dies oder jenes nicht recht versteht! Dabei sollen, so die Absicht des Pharisäers, die Zuhörer denken: Wie vorsichtig bin doch ich, wie geschickt, wie klug!

Muß nicht ein solches Herabsetzen des Nächsten und ein solches offenes oder verstecktes Prahlen mit den eigenen Vorzügen einen jeden anekeln? Muß es nicht die herzliche Eintracht und Liebe stören? Prüfen wir uns sorgfältig, ob wir in unseren Reden unser eigenes Lob suchen!

Wie liebenswürdig ist dagegen die Demut des Zöllners! Nicht bloß Gott, sondern auch die Menschen verzeihen gern die begangenen Sünder und Fehler, wenn man sie nur demütig und aufrichtig eingesteht, bereut und zu bessern sucht. Mit dem Demütigen verkehrt jeder gern. Der Demütige ist ein wahrer Segen. Muß man ihn um einen Dienst bitten, so wird es nicht schwer, weil man weiß, daß der Demütige zu allem bereit ist und sich geehrt fühlt, wenn man sich seiner bedient. Muß man dem Demütigen sein Herz offenbaren, so wird das leicht, denn man weiß, daß der Demütige weit entfernt ist, den Sünder zu verachten. In welcher Stellung der Demütige auch ist: er ist eine Freude und ein Segen für seine Umgebung. Suchen wir also demütig zu werden, wie der Zöllner es war.

 

3. Der Pharisäer und der Zöllner gegenüber sich selbst

Der Fluch, welcher der stolze Pharisäer, und der Segen, welchen der demütige Zöllner sich selbst zuzieht, ist ein mannigfacher:

1. Der Stolz des Pharisäers verschließt ihm die Gnaden des Himmels: die Demut des Zöllners öffnet die Schleusen der göttlichen Freigebigkeit; denn: "Gott widersteht den Hoffärtigen, den Demütigen aber gibt er Gnade" (1 Petr. 5,5) Ist das nicht allein schon ein mächtiger Beweggrund, uns fern zu halten von allem pharisäischen Hochmut und den demütigen Zöllner nachzuahmen?

2. Der stolze Pharisäer wird schwerlich Verzeihung seiner Sünden erhalten. Dem Zöllner in seiner Demut dagegen verzeiht Gott mit Freuden, und wären dessen Sünden auch noch so groß. Wir lesen ja, wie Jesus spricht: "Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt nach Hause, jener nicht; denn ein jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden."

3. Infolgedessen ist der Pharisäer in großer Gefahr, ewig verloren zu gehen. Die Demut dagegen wird den Zöllner unfehlbar zum Himmel geleiten.

4. Der stolze Pharisäer erwirkt von seinem Fasten und seinen Almosen keinen Verdienst für den Himmel, denn er verrichtet sie ja, um damit zu prahlen. Der demütige Zöllner dagegen wird, was er tut, wahrhaft für den Himmel tun und im Himmel seinen Lohn empfangen; denn er verrichtet seine Werke für Gott und nicht für das Auge der Menschen.

5. Der Pharisäer endlich findet schon hier auf Erden keinen rechten Frieden; es geht ihm wie dem hochmütigen Aman, der keine Ruhe fand, weil ein einziger Greis aus dem Judenvolke, Mardochäus, sich nicht vor ihm beugen wollte. Der Zöllner dagegen lebt in tiefem Frieden; denn auf Ehre und Ansehen bei den Menschen erhebt er keinerlei Anspruch. Was er aber sucht, das wird ihm zuteil: die Freundschaft und Gnade Gottes. Obendrein aber erhält er oft, was er nicht einmal sucht: die Achtung und Liebe seiner ganzen Umgebung.

 

Mit priesterlichem Segensgruß

Abbé Busse