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Geistliches Wort im November 2007
Schild der actio spes unica
 

Allerseelenmonat November

 

Zunächst sehen wir im Geiste den Reinigungsort, das Fegfeuer, wie einen dunklen, unterirdischen Kerker, in welchem viele Millionen Seelen gepeinigt werden sowohl durch innere geistige Qualen als auch durch äußere Leiden, wie Feuer – Leiden, welche unsere irdischen Erfahrungen und Vorstellungen weit übersteigen.

 

1. Die Größe der Leiden

Um die Größe dieser Leiden zu bemessen, genügt der eine Gedanke, daß nach der Lehre der Theologen die Art der Qualen im Fegfeuer wesentlich dieselbe ist wie in der Hölle, nur mit dem Unterschied, daß das Fegfeuer ein Ende nimmt, und daß die Armen Seelen durch die Hoffnung auf dieses Ende getröstet werden. Im übrigen aber müssen die Leiden mitunter furchtbar sein, so daß manche Seelen im Fegfeuer, was das Leiden der Sinne angeht, vielleicht ebensoviel zu leiden haben wie manche Verdammte der Hölle.

Die Qualen sind ebenso verschieden wie die Sünden. Es gibt unberechenbar viele Stufen derselben, angefangen von den Leiden einer heiligen Seele, die sich kurz vor dem Tode einer Zerstreuung im Gebete schuldig gemacht, bis zu den Qualen der Seele eines ergrauten Sünders, welcher Todsünde auf Todsünde häufte und nur im letzten Augenblick noch die Gnade der Bekehrung erlangt hat.

Wir werden uns sicher diese Qualen im allgemeinen nicht zu groß vorstellen, wenn wir sie vergleichen mit den Qualen des irdischen Feuers. Nur sind wir hier auf Erden noch in der Lage, daß der Schmerz, wenn er zu groß wird, uns tötet und so dem Leiden entzieht, während die Armen Seelen nicht sterben können.

Mitunter erzählt man, daß Arme Seelen sich beklagten, man lasse sie vielleicht schon ein Jahrhundert ohne Hilfe, und es waren doch erst wenige Stunden seit ihrem Tod verflossen; so endlos erschien ihnen die Qual!

Wenn wir einen Menschen sähen, der vor Hunger oder Durst verschmachtete, sicher würden wir ihm Speise und Trank reichen. Wenn wir einen Unglücklichen sähen, welcher jammernd unter einem Haufen herabgefallener Steine läge, sicher würden wir ihm eilig helfen. Wenn wir sähen, wie ein Kind auf glühende Kohlen fiele, sicher würden wir es schleunigst fortreißen. Nun, der Glaube sagt uns, daß wir mit ebenso leichter Mühe ein ähnliches Liebeswerk an den Armen Seelen verrichten können. Sollen wir sie erbarmungslos weiter brennen lassen in den Flammen?

 

2. Die Hilflosigkeit der Armen Seelen

Solange man auf Erden weilt, ist es ungemein leicht, Sünden abzutragen: die Sündenstrafen werden gleichsam geschenkt. Aber im Fegfeuer muß alles bezahlt werden, die Armen Seelen können keine Heilige Messe mehr hören, keine Ablässe gewinnen, kein Weihwasser nehmen, keinen Rosenkranz beten, kein Almosen geben, um ihre Sünden und Strafen abzubüßen; dort muß alles durch Leiden abbezahlt werden im vollen Sinne des Wortes.

Und dieser Hilflosigkeit der Seelen im Fegfeuer entspricht die Leichtigkeit, mit welcher wir Lebenden ihnen helfen können. Uns stehen alle jene Gnadenschätze Christi und der Kirche zu Gebote: Wir brauchen nur hineinzugreifen und die Schulden der Armen Seelen damit abzutragen. Sie selbst müßten sonst diese Schulden gleichsam mit ihrem eigenen Herzblut bezahlen.

Könnten wir so unbarmherzig sein, jene Unglücklichen ohne Hilfe zu lassen?

 

3. Unter den Armen Seelen sind vielleicht manche unserer Verwandten und Freunde

Haben wir die Größe der Qualen und die Hilflosigkeit jener Seelen erwogen, dann bedenken wir, daß manche dort unter ihnen sind, denen wir im Leben sehr nahe standen; vielleicht unsere nächsten Verwandten und Freunde.

Wie vieles haben wir ihnen zu verdanken! Welch manchen Dienst haben sie uns erwiesen! Würden sie noch leben, so bräuchten wir große Opfer, ihre Liebe mit Gegenliebe zu vergelten. Und jetzt sollten wir eine viel geringere Mühe scheuen, ihnen zu helfen? Jetzt, da sie ihre Schmerzen uns nicht einmal klagen, um unsere Hilfe nicht einmal bitten können, sollten wir sie ohne Hilfe lassen?

 

4. Unser Verschulden

Noch eine andere Klasse von Seelen erblicken wir dort: Seelen, denen wir Anlaß gaben zu jenen Sünden, für welche sie jetzt leiden. Vielleicht sogar sind wir viel schuldiger als sie, und es wäre unsere heiligste Pflicht, den Schaden, welchen wir durch Nachlässigkeit in Erfüllung unserer Pflichten oder durch böses Beispiel angerichtet haben, wiedergutzumachen. Da brennen vielleicht unsere Eltern oder Vorgesetzten dafür, daß sie es nicht wagten, unseren Fehlern entgegenzutreten, oder daß sie durch unsere Fehler zur Ungeduld gereizt wurden; da brennen etwa früher Untergebene, weil sie Fehler begingen, vor welchen wir bei klügerer Behandlung sie hätten bewahren können; da brennen etwa auch frühere Bekannte und Freunde, denen wir durch leichtsinnige Reden oder schlechtes Beispiel geschadet haben.

 

5. Die Dankbarkeit der Armen Seelen

Die Seelen des Reinigungsortes sind in der Freundschaft Gottes, in der heiligmachenden Gnade gefestigt. Deshalb ist es ihnen unmöglich, ferner noch zu sündigen, insbesondere der Undankbarkeit sich schuldig zu machen; es würde das ihrem innersten Wesen widerstreiten. Denn sie lieben Gott und lieben daher auch ihre Wohltäter, durch welche sie der Anschauung Gottes näher gebracht und von unsäglichen Qualen befreit werden.

Wie also wird eine Arme Seele, der wir geholfen, für uns beten! Wie wird sie für uns beten, besonders am Throne Gottes, falls wir sie dorthin geführt hätten! Durch alle Ewigkeit wird sie unserer eingedenk sein. Selbst die Heiligen des Himmels, auch Maria, auch Jesus, auch Gott selbst – sie werden dankbar sein, wenn wir die Seelen des Fegfeuers einführen in die Freuden des Himmels.

Die allgemeine Erfahrung bestätigt, daß die Armen Seelen sich dankbar erweisen. Ich will nicht alles, was in dieser Hinsicht erzählt wird, sofort als eine unumstößliche Wahrheit betrachten. Immerhin mag das eine oder andere auf einem zufälligen Zusammentreffen, vielleicht auch frommer Selbsttäuschung beruhen. Jedenfalls wäre es töricht, alle derartigen Fälle, in denen die Armen Seelen geholfen, ohne weiters in Abrede zu stellen. Denn wie so oft hört man, daß jemand in Not war; er wandte sich an die Armen Seelen, versprach denselben etwa einige Messen oder Rosenkränze – und es ward ihm geholfen.

Damit wir aber ihnen wirksamer helfen können, suchen wir selbst immer vollkommener zu werden!

 

Mit priesterlichem Segensgruß

Abbé Oliver E. Busse