Startseite Menü einblenden Übersicht: Geistliches Wort März 2008   Drucken
 
Geistliches Wort im April 2008
Schild der actio spes unica
 

Die Wundmale des Auferstandenen

 

Christus ist vom Tode auferstanden, Er ist wahrhaft auferstanden, und zwar leibhaftig, in Seinem verklärten Leib. Der Leib des Auferstandenen ist derselbe, der ans Kreuz genagelt war. An den Händen, an den Füßen und an der zuletzt noch von der Lanze des Hauptmanns durchbohrten Seite sind die hl. Wundmale als Zeichen Seiner Erlöserliebe sichtbar. Darf ich es wagen, in die österliche Auferstehungsfreude hinein über die fünf Wunden zu predigen, die der Gekreuzigte an Seinem Leib auch nach der Auferstehung beibehalten hat?

Im Osterlied singen wir: "Aus Seinen Wunden fließen her, Halleluja! Fünf Freudenseen, fünf Freudenmeer', Halleluja!" Und in die Osterkerze, die den Auferstandenen versinnbildlicht, wurden in der Osternachtsliturgie fünf Weihrauchkörner eingefügt, die die Wundmale des Herrn symbolisieren. Dabei hat der Priester gesprochen: "Durch Seine heiligen Wunden, die wir rühmen und preisen, beschütze uns und erhalte uns Christus, der Herr. Amen." Der auferstandene Heiland hat an Seinem verklärten Leib die Wundmale der Hände, der Füße und der Seite beibehalten: "Seht meine Hände und seht meine Füße..." sagt Er zu den zweifelnden Aposteln.

Der große Kirchenlehrer und Fürst der Scholastik, der hl. Thomas von Aquin, stellt in seinem theologischen Meisterwerk, der Summa Theologica, eine tiefsinnige Überlegung an über die heiligen Wundmale des Herrn nach Seiner Auferstehung. Im dritten Teil seiner Summa fragt der hl. Thomas v. A. ausdrücklich: " ... ob der Leib Christi mit den Wundmalen auferstehen mußte."

Der hl. Thomas macht zunächst verschiedene Einwände dagegen und meint: "Wunden und Wundmale bedeuten doch irgendwie eine Verletztheit und eine Entstellung am Leib. So kann es doch gar nicht passend gewesen sein, daß Christus, der Urheber des Lebens und unserer kommenden Auferstehung, mit Wundmalen an Seinem verherrlichten Leib auferstand."

Dann aber verweist der hl. Thomas auf die Worte, die der Auferstandene zum ungläubigen Apostel Thomas gesprochen hat: "Streck deinen Finger aus und leg ihn in die Wundmale meiner Hände, streck deine Hand aus und leg sie in meine Seitewunde, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig."

An der Tatsache, daß der Auferstandene an Seinem verklärten Leib nicht bloß die Narben von Seinen Wunden, sondern die Wunden selbst beibehalten hat, ist nach dem klaren Zeugnis der Hl. Schrift nicht zu zweifeln. Es fragt sich also, warum hat der auferstandene Herr nicht bloß die Narben, sondern auch die klaffenden Wunden an Seinem Auferstehungsleib beibehalten, so daß in alle Ewigkeit, auch in der Herrlichkeit des Himmels, Sein Leib diese Wunden tragen wird?

 

(1) Der hl. Thomas v. A. führt als ersten und vornehmsten Grund für die Wunden am Auferstehungsleib Christi an: "Christus behielt die Wundmale an Seinem Auferstehungsleib, nicht etwa, weil Er diese Wunden nicht hätte heilen können, sondern damit Er sie in Ewigkeit als Ehrenzeichen Seines Sieges, als Siegeszeichen trage."

Diese Wundmale bedeuten viel mehr als es alle ehrenden Orden und Auszeichnungen vermöchten. Hierzu aus der römischen Antike eine beeindruckende Begebenheit: Der römische Feldherr Manlius, der viele Siege errungen und die Reichhauptstadt Rom mitsamt dem Kapitol vor den feindlichen Galliern gerettet hatte, sollte auf falsche Anklage hin vom römischen Gerichtshof verurteilt werden. Die Anklage schmerzte den hochverdienten Mann zutiefst. Darum entblößte er mitten in der Verhandlung seine Brust, zeigte auf die Narben all der vielen Wunden, die er in den Schlachten für das Vaterland davongetragen hatte und rief mit lauter Stimme in den Gerichtssaal hinein: "Haec loquuntur pro me!" "Diese Wunden da sprechen für mich und bezeugen, was ich für den Staat und seine Bürger getan habe!" Dieser Auftritt machte auf die Richter einen überwältigenden Eindruck: Sie wiesen die gegen Manlius erhobene Anklage ab und setzten den Feldherrn in alle seine Rechte und Würden wieder ein.

Mit wie viel mehr Recht als der Feldherr Manlius kann der Sieger über Tod und Teufel, der gekreuzigte und auferstandene Heiland, auf Seine Wunden hinweisen und sagen: "Sie sprechen für mich! Sie sind Zeichen meines Sieges, den ich errungen habe unter Einsatz meines Lebens! Sie sind Zeichen meiner selbstlosen Liebe zu den Menschen!" Diese Wunden leuchten strahlender am Auferstehungsleib des Herrn als der höchste Orden der Ehre "pour le mérite", sie sind die fünf kostbaren Rubine, die herrlicher glänzen als alle Edelsteine auf den Kronen vergänglicher Könige, sie sind das kostbarste Geschmeide, das die Schöpfung dem Gottmenschen anbieten konnte.

Gott Vater schaut auf diese heiligen fünf Wunden. Und im Blick auf diese Wunden wiederholt Gott Vater zum erhöhten und verherrlichten Herrn: "Du bist Mein vielgeliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe!"

 

(2) Als zweiten Grund dafür, daß der gekreuzigte Heiland bei Seiner Auferstehung an Seinem verklärten Leib die Wundmale beibehalten hat, führt der hl. Thomas dies an: "Um die Herzen Seiner Jünger im Glauben an Seine Auferstehung zu stärken". Denn die Wunden am Leib des Auferstandenen sind gleichsam Seine Identitätskarte und der Beweis dafür, daß dieser verklärte Leib wirklich identisch ist mit dem Leib, der am Kreuze hing und aus dessen Wunden, den Wunden der Hände, der Füße und vor allem der Seite Er Sein Blut für uns Sünder vergossen hat. Und diese Wundmale trägt auch der verklärte Leib Christi, den wir in der Hl. Eucharistie wahrhaft und wirklich gegenwärtig wissen und den wir in der hl Kommunion in uns aufnehmen dürfen.

Wir sehen zwar diese Wunden nicht, wir glauben aber daran und beten mit dem hl. Thomas v. A. in seinem unsagbar schönen Gebet "Adoro Te devote, latens Deitas" (zu deutsch: In Demut bet' ich Dich, verborg'ne Gottheit an!"): "Die Wunden seh' ich nicht, wie Thomas einst sie sah, doch ruf' ich: Herr, mein Gott, Du bist wahrhaftig da!", und – so darf ich hinzufügen – Du bist wahrhaftig derselbe, der sich für mich am Kreuze hingeopfert hat, damit auch ich einmal mit allen, die an Dich, Heiland, glauben und Dich von Herzen lieben, zur Auferstehungsherrlichkeit gelangen kann.

Da diese Wunden am Auferstehungsleib Christi auch an Seinem eucharistischen Leib vorhanden sind, können wir in dem schönen Ablaßgebet, das dem hl. Ignatius von Loyola zugeschrieben wird, beten: "Seele Christi, heilige mich, Leib Christi, erlöse mich, Blut Christi, stärke mich, Wasser der Seite Christi, wasche mich, Leiden Christi, stärke mich, o gütiger Jesus, erhöre mich, verbirg in Deinen Wunden mich!" Ja, diese Wunden Christi, die Er auch an Seinem verklärten Auferstehungsleib beibehalten wollte, sind uns eine Zufluchtsstätte, in die wir in allen Versuchungen und Gefahren und Schwierigkeiten hineinflüchten und uns verbergen können, auf daß uns kein Unheil drohe.

 

(3) Einen dritten Grund, warum der Gekreuzigte auch noch nach Seiner glorreichen Auferstehung die Wundmale an Seinem verklärten Leib beibehalten wollte, gibt der hl. Thomas an, nämlich: "Um dem Vater, bei dem Er unser mächtigster Fürsprecher ist, zu zeigen, was Er alles in Seinem Leiden und Sterben für uns Menschen erduldet hat."

Immer, wenn die Zornesblitze Gottes auf uns Menschen wegen unserer Frevel und Verbrechen niederzusausen drohen, werden die Wunden Christi gleichsam zu Blitzableitern für die strafende Gerechtigkeit Gottes. Die Wunden des gekreuzigten und auferstandenen Herrn fangen gleichsam zu sprechen an und sagen dem zürnenden Vater: "Schau nicht auf die Sünden der Menschen, schau, Vater, auf all das, was ich zur Sühne für die Sünden der Menschen gelitten habe! Meine Wunden sind der sprechende Beweis dafür, daß ich mich nicht geschont habe, sondern in Sühnebereitschaft alles, gar alles für meine Brüder und Schwestern getan habe! Vater verzeih' darum und laß keinen Sünder, der reumütig ist, verloren gehen!"

 

(4) Und noch einen vierten Grund gibt der hl. Thomas an, warum der gekreuzigte Herr auch in Seiner österlichen Auferstehungsherrlichkeit die ganze Ewigkeit hindurch die Wunden an Händen und Füßen und an der durchbohrten Seite beibehalten wollte: "Um einmal im Gericht und für alle Zeiten den unbußfertigen Sündern zu zeigen, wie gerecht sie verurteilt und verdammt werden bzw. worden sind."

Die unbußfertigen Sünder, die Gottverächter, die Glaubenslosen werden dann aufschauen zu dem, den sie durchbohrt haben. Sie werden den Anblick des Gekreuzigten und Seiner Wunden nicht ertragen können, denn diese Wunden werden für sie in alle Ewigkeit der Vorwurf sein: "Er tat für mich alles, aber es war vergeblich! Er wollte auch mich retten und ewig selig machen, aber ich wollte mich nicht retten lassen." Im Gericht, im persönlichen Gericht und im Jüngsten Gericht, wenn der Herr vor den Unbußfertigen mit Seinen Wundmalen anklagend und richtend stehen wird, werden diese Sünder zwar vor Christus niederfallen und Ihn anflehen: "Mein Herr und mein Gott! Hab' Erbarmen mit mir!" Aber es wird zu spät, es wird vergeblich sein, denn der göttliche Richter wird dann sagen: "Hinweg von mir, Verfluchte, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist! Wie oft suchte ich euch, wie oft bot ich euch zur Bekehrung meine Gnade an, wie oft wollte ich euch sammeln, wie eine Henne ihre Kücklein unter ihren Fittichen sammelt, ihr aber habt nicht gewollt! Weichet von mir!"

 

Alle fünf Wunden am Auferstehungsleib Christi sind heilig, weil aus ihnen das kostbare Erlöserblut zur Tilgung aller Sündenschuld geflossen ist; am heiligsten aber die Seitenwunde, weil (aus ihr der letzte Blutstropfen rann und weil) durch diese Seitenwunde hindurch das Heilandsherz offensteht als letzte Zufluchtsstätte für uns arme Sünder. Darum heißt es in der Herz-Jesu-Präfation: "Sein geöffnetes Herz, dieses Heiligtum göttlicher Freigebigkeit, ergießt Ströme der Gnade und des Erbarmens auf uns. Dieses Herz, in dem die Glut der Liebe zu uns nie erlischt, sollte den Frommen ein Ort der Ruhe werden, den Büßenden aber als rettende Zuflucht offen stehen."

Geliebte im Herrn! Ostern! Auferstehung Jesu Christi vom Tod! Leibhaftige Auferstehung des Herrn in Seinem Leib mitsamt Seinen Wunden, die Er für uns empfangen hat! "Seht, wie die Wunden prangen, die Er für uns empfangen. Ich werde durch Sein Auferstehn gleich Ihm aus meinem Grab ersteh'n, wenn – so will ich das schöne Kirchenlied fortsetzen – wenn ich es in meinem kurzen Erdenleben immer wieder verstanden habe, diese Wunden vertrauensvoll und dankbar zu betrachten. Will doch die Betrachtung der Wunden des Herrn unser Herz bewegen und für Seine Liebe öffnen und uns besonders dann helfen, wenn uns Versuchungen bedrängen.

Vom hl. Bruder Klaus stammt die Mahnung: "Darum merk und beherzige, o Mensch, die hochheiligen und gnadenreichen fünf Wunden unseres lieben gekreuzigten Herrn und Heilands, die Er nach Seiner Auferstehung zu unserem Trost an Seinem Leib beibehalten hat und am Jüngsten Tag der ganzen Welt offen zeigen wird!" Und ein Hymnus, ein Lied zu Ehren der heiligen fünf Wunden, aber aus derselben Zeit beginnt mit den Worten: "Salvete, sacra stigmata!" ("Seid gegrüßt, ihr heiligen Wundmale!"). Ihr seid nicht Verminderung, sondern Vermehrung der Auferstehungsherrlichkeit des Herrn, der wahrhaftig und leibhaftig auferstanden ist, damit auch wir einmal glorreich und verklärt auferstehen.

In manchen Tälern der Alpen (im Kanton Uri z.B.) bestand einst der ergreifende Brauch, daß vor dem Vernageln des Sarges eines Verstorbenen fünf Kerzen auf dem Sargdeckel aufgestellt und angezündet wurden. Dann wurde zu den fünf Wunden des gekreuzigten und auferstandenen Herrn je ein Vaterunser gebetet und danach jeweils eine Kerze ausgelöscht. Die fünf Wunden des gekreuzigten und auferstandenen Herrn leuchteten nun gleichsam hinein in den Sarg zum Toten und kündeten ihm: "Auch du wirst auf Grund des Blutes, das uns entströmt ist, einmal als erlöster Mensch glorreich auferstehen!" Darum muß für einen jeden von uns gelten: "Mein Glaube darf nicht wanken, o tröstlicher Gedanke! Ich werde durch Sein Auferstehn gleich Ihm aus meinem Grab ersteh'n! Amen, Alleluja!"

Abbé Oliver E. Busse