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Geistliches Wort im Juli 2013
Schild der actio spes unica
 

Mannestugend im Licht der Eucharistie

Liebe

"Gott ist die Liebe. Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm," (1 Joh 4,16).

Als ich die heutige Betrachtung über die dritte göttliche Tugend, über die Liebe, vorbereitete, hat mich Kleinmut und Verzagtheit überfallen. Zu gewaltig erschien mir das unermeßliche Meer der göttlichen Liebe, vor dem ich wie ein Kind kniete, um mit hohler Hand für euch zu schöpfen; zu entsetzlich der Undank und Gotteshaß der Menschen, die noch immer schreien: Ans Kreuz mit ihm! Da habe ich mich in meiner Not vor dem Sakrament der Liebe niedergekniet und habe um göttlichen Geist der Liebe gefleht, er möge uns ein Doppeltes lehren:

I. Die Liebe Gottes
II. Unsere Gegenliebe

Die Liebe Gottes

Wer ist denn Gott? Wie soll ich ihn nennen, den Unfaßbaren, den schrecklich Heiligen, den Gewaltigen, der im Donner spricht und in der Ewigkeit wohnt, wer bist du, Herr? Bist du der Zerschmetterer, der Unglücksender, der Triumphator, über menschliche Ohnmacht, der Bürger menschlicher Kraft und Freiheit, der allein Gute und Selige mitten im Todesröcheln einer Schuld- und leidbeladenen Erde; wer bist du, Jehova? – "Gott ist die Liebe!"

Wenn der hl. Augustinus seine Afrikaner in einen besonders schweren, tiefen Gedanken einführen wollte, tat er es oft mit den Worten. "Eure Liebe merke auf!" Auch ich bitte mit St. Augustin, wenn ich euch jetzt hinführe zur Quelle aller Liebe in der Dreifaltigkeit: Eure Liebe merke auf!

Gott der Vater schaut sich selbst. Das ist natürlich ein ganz geistiges Schauen, weil Gott ein Geist ist. Durch dieses Schauen hat Gott in sich ein Bild von sich selbst. (Auch ihr habt in eurem Inneren ein Bild, eine Vorstellung von euch selbst.) Weil aber in Gott alles unendlich vollkommen ist, so ist dieses Bild, das er in sich trägt, kein totes Bild, sondern es ist lebendig; es ist eine zweite göttliche Person, es ist der Sohn Gottes. So wird der Sohn vom Vater gezeugt. – Eure Liebe merke auf: Indem nun Vater und Sohn ihre unendliche Schönheit und Herrlichkeit wechselseitig betrachten, werden sie von einer unendlichen Liebe zu dieser ihrer Schönheit erfüllt; und diese Liebe ist wieder das Allervollkommenste, was sich denken lässt, ist unendlich. Sie ist lebendig und ist eine dritte Person in Gott, der Heilige Geist. So geht von Ewigkeit der Heilige Geist vom Vater und Sohn zugleich aus.

O du Meer der göttlichen Liebe, das von Ewigkeit jubelnd aufbrandet in solcher Liebesgewalt, daß das Band der Liebe vom Vater und Sohn seine eigene göttliche Person ist! Ahnt ihr nun, was es heißt; Gott ist die Dreifaltigkeit. Dieses Leben bedeutet für Gott die höchste Seligkeit. Da ist die Liebe des Vaters gegen Sohn und Geist; da ist Liebe des Sohnes gegen Geist und Vater; da ist Liebe des Geistes gegen Vater und Sohn; da ist die Liebe des Vaters und Sohnes, die den Heiligen Geist von Ewigkeit hervorbringen. Das ist die fieberhafte Liebe in der Dreifaltigkeit; kein Auge hat es gesehen, was Gott ist, und kein Menschenherz kann es fassen, was das heißt: Gott ist die Liebe.

Gott hätte nun seine Liebe im Herzen der Dreifaltigkeit verschließen können, er tat es nicht, er wollte mitteilen, andere an seiner Liebe Anteil haben lassen – und schuf die Engelwelt, die jubelnd und selig sein Antlitz schaut. Er rief aus Liebe die Welt ins Dasein, und nun jauchzen ihm die Morgensterne zu, nun rühmen die Himmel des Ewigen Ehre, nun freut sich die Blume und das Vöglein des Lebens, das ihnen des Schöpfers Liebe geschenkt. Er schuf den Menschen nach seinem Ebenbilde, und wenn Gottes Wesen Liebe ist, wird sein Ebenbild nicht auch ein Gefäß der Liebe sein? Droben im Himmel umfangen sich Vater, Sohn und Geist in siebenfacher Liebe – drunten auf Erden sehe ich ein Bild tiefer Dreifaltigkeit: Vater, Mutter und Kind; Gott hat diese wunderbare Dreiheit auf Erden ersonnen und erschaffen, wie konnte er anders: Gott ist die Liebe!

Gott ist Liebe – und so konnte er die aus Liebe erschaffene Welt nicht sich selbst überlassen, um für sich im Herzen der Dreifaltigkeit Seligkeiten zu genießen; nein, liebend und sorgend hält er seine Vaterhand über seine Schöpfung, und der dich behütet, schläft nicht (Ps 120)! Diese unübersehbare Fürsorge Gottes für Groß und Klein, Mensch und Tier und für die ganze Welt ist eine einzigartige Bestätigung des Wortes: Gott ist die Liebe!

Aber Gottes Liebe ist noch größer. So sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn hingab (Joh. 3,16). Über diese große Liebe Gottes sollte man gar nicht viele Worte machen, sollte lieber schweigend darüber nachdenken. Was hat also Gott getan? Denkt einmal über das Weihnachtsgeheimnis nach: da liegt das Kind in Armut und Verlassenheit – und dieses Kind ist Gott! O unbegreifliche Liebe! Denkt an den Karfreitag, da hängt Jesus am Kreuz mit ausgespannten Armen, als ob er die ganze Welt der Liebe umfangen möchte. Wahrhaftig, niemand hat größere Liebe, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde (Joh. 15,13).

Aber die Liebe Gottes hat noch wunderbarere Wege erdacht, um uns wie mit einer nie untergehenden Sonne zu erwärmen und zu beleben. "Nehmt", sprach er, "trinket, esset, das ist mein Fleisch und Blut, damit ihr nie vergesset, was meine Liebe tut." – Du Gott der Majestät, was hat dich bewogen, vom lichtumflossenen Thron des Vaters herabzusteigen auf die ungastliche Erde? Die Antwort, die uns entgegenkommt aus dem Tabernakel, sagt es uns: die Liebe! – Was hat dich bewogen, nicht nur hin und wieder, etwa während der Heiligen Messe, sondern immer unter uns zu sein? Die Liebe! – Nicht bloß in einer einzigen Stadt oder in einem einzigen Lande zu weilen, sondern an allen Straßen und Wegen, wo eine Kirche ist? Die Liebe, die Liebe! – Und das Audienzgeben, nicht bloß den Vornehmen, sondern auch den Armen, den Niedrigen, den Häßlichen, selbst in die Krankenstube und Kerker zu gehen, was hat dich dazu vermocht? Wiederum: die Liebe!

Ja, jetzt glaube ich es ganz, was in der schwindelnden Höhe der Dreifaltigkeit unerreichbar zu schweben schien, jetzt ist es uns auf den Altären greifbar nahe gekommen, das Johanneswort: Gott ist die Liebe!

Unsere Gegenliebe

Wer sollte ihn nicht wiederlieben! Unter dem weißen Schleier des Brotes birgt sich der Schönste unter den Menschenkindern (Ps 44,3). Dort ist die Lichtgestalt seines verklärten Leibes mit den strahlenden fünf Wunden; dort dieser herrliche Verstand, der einst seine Gegner verstummen machte und die wunderbaren Gleichnisse ersann; dort sein Herz, so voll von Gemüt und seiner Empfindung, mächtig schlagend für all die großen und kleinen Anliegen der Menschheit. Und dieses himmlisch liebeswürdige Menschenwesen ist ganz und gar überstrahlt von dem Glorienschein seiner Gottheit, ganz hineingetaucht in die übermächtige Schönheit und Größe Gottes. Welch ein Wesen ist Christus! Wer sollte ihn nicht lieben!

Simon, Sohn des Jonas, liebst du mich mehr als diese? So fragt heute der Heiland dich, katholischer Mann, dich, seinen Jünger. Unbedenklich antwortest du: ja Herr, du weißt, daß ich dich liebe. – Aber nicht nur in dieser Gnadenstunde, wo uns die Liebe zu Gott so leicht fällt, sondern in allen Lebenslagen... Simon, Sohn des Jonas, liebst du mich? Wie ein Gelöbnis wiederum deine Antwort: Ja Herr, du weißt, daß ich dich liebe. – Muß Jesus ein drittes Mal fragen, weil du ihn vielleicht nicht immer geliebt, ihn vielleicht dreimal oder öfter verleugnet, vielleicht sogar verraten, durch Todsünden die Liebe zu Gott getötet hast... Simon, Sohn des Jonas, liebst du mich? Da wurde Petrus traurig, weil ihn der Herr zum dritten Male fragte. Aber seine Reuetränen über seine Schuld, sein Haß gegen die Sünde, seine Hingabe an Jesus berechtigten ihn dazu, die Frage seines Gottes zu bejahen – o ihr Männer, ihr müßt auch mit Petrus bereuen und euch abwenden von dem, was die Liebe betäubt oder gar tötet, abwenden von jeder Sünde, ganz besonders von der Todsünde, um dann mit Petrus schlicht und wahr sagen zu dürfen: Herr, du weißt alles, du weißt auch, daß ich dich liebe!

Daß ich dich liebe – nicht mit dem Mund, nicht nur mit dem Herzen. Sondern im Werk, durch die Tat! Hat ja der Heiland selbst dem Petrus alsbald nach dessen Liebesbekenntnis ein großes Werk der Liebe aufgetragen: weide meine Lämmer, weide meine Schafe! Auch ihr, katholisch Männer, habt gegen eure Familie und gegen jeden Menschen Hirten- und Liebespflichten. Doch wollen wir das große Gebot der Nächstenliebe erst in der kommenden Predigt betrachten. Unvergeßlich aber soll uns das Wort Jesu sein: Wenn ihr mich liebet, so haltet meine Gebote! Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist's, der mich liebt (Joh 14). Simon, Sohn des Jonas, liebst du mich? Ja Herr, ich liebe dich; und ich will meine Liebe dadurch beweisen, daß ich Tag für Tag den Willen deines Vaters tue (Mt 7,21), daß ich Tag für Tag deine Gebote halte! Das sei unser heutiges Liebesgelöbnis. Wenn also der Zeitgeist, der Geldgeist, der Weltgeist aus unchristlichen Zeitungen und seichter Gesellschaft auch in deinem Herzen Altäre haben möchte, so denke daran: Erstes Gebot: Du sollst keine fremden Götter neben mir haben. Wenn der Sonntag in deiner Familie nicht mehr geachtet, durch Versäumnisse und schlimme Sünden entweiht wird, so denke daran: Drittes Gebot, dritte Gehorsams- und Liebesprobe: gedenke, daß du den Sabbat heiligst. Wenn du siehst, wie die Ehe millionenfach in den Schmutz getreten wird und dort grauenhafte Sünden der Blutschuld und der Treulosigkeit ihr Wesen treiben, dann denke an die zwei Gottesgebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen – tu es nicht, weil du ja Gott deine Liebe versprochen hast. Wer meine Gebote hält, der ist's , der mich liebt! Alles aus Liebe zu Gott!

Wenn aber Gott selbst uns die Liebe zu ihm so schwer macht? Wenn er Unglück und Leiden und Armut und Krankheit und Arbeitslosigkeit und Hunger und Verzweiflung über uns kommen läßt, können wir ihn dann auch noch lieben, oder werden wir wie Millionen andere klagen, in Lästerung ausbrechen? Ach, meine lieben katholischen Gläubigen, ich weiß es recht gut, daß das die Feuerprobe der Liebe ist: auch in der Trübsal, auch in der Ölbergnacht, auch unter dem Kreuz liegend oder ans Kreuz geheftet den Herrn unseren Gott zu lieben aus unseren Kräften (Mt 12). Aber wie leer und verfallen wären die Wohnungen des Himmels, hätte Gott nicht einen jeden seiner Lieblinge gezüchtigt und geschlagen (Hbr 12,6), hätte er nicht das Gesetz aufgestellt, daß leiden muß, wer mit ihm seine Herrlichkeit eingehen will (Lk 24,26; Röm 8,17). Wie die Liebe Gottes im Kreuz Christi am herrlichsten offenbar wird, so zeigt sich auch unsere Liebe am schönsten im Kreuz, das wir als treue Jünger täglich auf uns nehmen und so ihm nachfolgen wollen.

Laßt euch also durch nicht irre machen in der Liebe zu Gott und erfüllt eurem Heiland die innige Bitte, die er wie einst nach ihrer ersten heiligen Kommunion an seine Jünger, so heute an euch richtet. Sie lautet: Bleibet in meiner Liebe (Joh 15,9)!

Ja Herr, wir bleiben in deiner Liebe! Denn wir haben es heute erkannt, daß Gott die Liebe ist. Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.

 

Amen.

 

Abbé Busse