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Niederschrift der Predigt von Pfarrer Milch

Aschermittwoch 1980

Meine lieben Brüder und Schwestern,

 

die Fastenzeit ist eine große Zeit der Freude und des Lichtes. Was der Herr hier durchaus verurteilt, ist das berühmte Aschermittwochgesicht, überhaupt das bedrohlich verknautschte Gesicht, das manche meinen, zum Zeichen ihrer Andacht aufsetzen zu sollen. Denn wir können nur durch Ausstrahlung der Freude die Menschen überzeugen. Mit Freude ist zweifellos nicht gemeint die aufgesetzte sogenannte "Fröhlichkeit", so diese gewaltsame Heiterkeit – das findet man auch; alles Gemachte ist falsch! –, sondern mit Freude zog der Herr hier grandios aus: "Salbe dein Haupt und wasche dein Angesicht."

Was ist damit gemeint? – Eben die Ausstrahlung. Es muß vom erlösten Menschen eine Frische ausgehen, etwas Belebendes, Begeisterndes. Begeisterte allein können begeistern. Sie müssen erfüllt sein von einem mächtigen Licht und von einer lichten Macht. Das ist gemeint mit "Haupt waschen und salben". Der Christ atmet Souveränität. Und in der Nähe souveräner, in sich ruhender, starker Menschen ist gut sein. So müssen wir auch unser Fasten verstehen. Buße tun zunächst einmal heißt dies: Umkehren, seine innerste Lebenseinstellung prüfen und revidieren! Das müssen wir täglich, aber in der Fastenzeit besonders. Und wer seine Lebenseinstellung revidiert, wer neu eben die Weichen stellt, der stärkt und mobilisiert seine Freude. Er wird sich erneut der Erlösung bewußt. Alles Aufgesetzte ist schrecklich, unecht und gefährlich! Und gegen das Aufgesetzte hat der Herr hier ganz entschieden etwas. "So, jetzt wollen wir einmal ernst sein. So, jetzt wollen wir einmal andächtig sein. So jetzt... usw., usw." Und sofort wird eine vermummelte Atmosphäre geschaffen. Damit verdirbt man nicht nur sich, sondern auch anderen jegliche nur denkbare christliche Laune. Es kommt aber davon, daß man zu sehr seine eigene Persönlichkeit vernachlässigt, indem man sich selber im engen Sinne faßt und umkreist. Denn derjenige vernachlässigt sich, der nur sich selbst sieht. Derjenige gibt seine Persönlichkeit auf, der nur um seine eigenen Vorstellungen und Vorsätze kreist. Gut, Du sollst Deine Fastenvorsätze haben. Aber überlege Dir gut, welche Vorsätze Du faßt, ob sie eingebettet sind in den starken Atem einer neugefaßten Begeisterung! Begeisterung kommt aber daher, daß man irgendwohin schaut auf das, was einen begeistert. Und das ist die Buße und Bekehrung, die zunächst einmal gemeint ist. Erstens Begeisterung, zweitens Begeisterung, drittens Begeisterung – und dann kommt lange nichts – und dann kommt noch einmal Begeisterung! Und dann kannst Du aufgrund Deiner Begeisterung Dir Vorsätze fassen, von denen Du weißt, ich schaffe es. Dann machst Du mit diesen Deinen Vorsätzen weder vor Dir selbst noch vor irgendeinem anderen auch nur den geringsten Bohai – "Ich habe mir jetzt vorgenommen, in der Fastenzeit darauf und darauf zu verzichten" –, einen Akt von weltgeschichtlichen Ausmaß: "Ich verzichte jetzt sieben Wochen auf dieses oder jenes." Da bist Du in Gefahr, um diesen Verzichtsvorsatz herumzukreisen wie die Katze um den Brei und selber die "ungeheure" Bedeutung dieses Deines Verzichtens zu bestaunen und zu begutachten. Genau das sollst Du ganz und gar nicht tun! Fasse Deine Vorsätze im Verborgenen und verschone die anderen mit dem Ernst und der Anstrengung Deiner Entsagung! Laß sie alle es ganz und gar nicht merken!

Wo sollst Du es denn hineinverbergen? – Wie gesagt, in Deine Begeisterung. Die Begeisterung kommt vom Hinschauen. Also werde erneut wach für die ungeheuren Geheimnisse, die kosmischen Geheimnisse der Erlösung, daß Gott Mensch geworden ist. Und das – jawohl! – das beziehe auf Dich, damit Deine Persönlichkeit weit wird und großen Atem bekommt! Mach Dein Gehirn wach und frei für den Blick auf das weite, welten- und himmelumspannende Licht der Liebe, das ungeteilt Dir gehört, als wärest Du allein auf der Welt! Das ist zunächst einmal die Bekehrung. Atem holen, frei werden, so daß die Menschen es gerne mit Dir zu tun haben, nicht weil Du dauernd fromme Sprüche von Dir gibst, sondern weil sie merken: Halt einmal, da ist ein starker, ein von innen her bewegter, von großen Gegenständen geprägter Mensch!

Und dann auf das andere schauen, auf das, was ringsum in der Welt sich begibt, und mit dem Herrn trauern. Zunächst einmal die Freude: Ich habe den gefunden, den meine Seele liebt, der meine Seele liebt. Gott gehört mir. Und mit Ihm bin ich verantwortlich für das Geschehen der Welt. Und dann schaue ich eben das Chaos an, das sich heute ganz besonders ausbreitet, nicht dadurch, daß mehr Sünden oder mehr Verbrechen geschehen – Sünden und Verbrechen sind zu allen Zeiten in Hülle und Fülle passiert –, aber was heute so schlimm ist, ist die geistige Verdunkelung, das Sinken des allgemeinen Niveaus, die Zusammenschrumpfung der Eliten, daß kaum noch geistige Wegweiser da sind, die entsetzliche Anspruchslosigkeit, die geistige Anspruchslosigkeit im öffentlichen Leben, daß man sich wirklich auf eine Sparflamme und auf ein Armensüppchen geistiger Kost und geistiger Erfahrung beschränkt und dabei so tut, als würde sich ringsum irgendein menschlicher Fortschritt ereignen, wo doch das Gegenteil der Fall ist. Diese Verarmung und Verengung ist das eigentlich Schlimmste; und eben das Allerschlimmste ist es, daß die Institution, die Gott gegründet hat, um in der Welt den Geist zu sichern und ein Gegengewicht des Geistes zu bilden, heute nicht sichtbar ist, nicht in Erscheinung tritt, verdeckt, vor dem Auge und Ohr der Wahrnehmung nicht vorhanden ist, daß die katholische Kirche als solche in ihrer großen universalen Erkennbarkeit verlorengegangen ist, unterirdisch! Und wir warten ja auf den Tag, da sie wieder aus dem Unsichtbaren hervorpresche und aufstrahle.

Mit solchen Gedanken, geistigen Verantwortlichkeiten müssen wir uns nähren und anfüllen, damit unser Herz weit wird und wir überzeugende Menschen werden. Und dann magst Du, wenn Du willst und kannst, noch Dein persönliches Opfer einsetzen und Dir vornehmen. Aber da ist es vor allem wichtig, daß die Linke nicht weiß, was die Rechte tut, und Du Deinem eigenem Opfer gar keine besondere Beachtung schenkst. Dann wirst Du es nämlich am besten schaffen und am überzeugendsten. Das sind die Wegweiser für eine wahre, wesenhafte Fastenzeit des Lichtes, der Weite und der Freude und des Geistes. AMEN.

Schlüsselbegriffe ?
   
Begeisterung
   
Freude
   
Kitsch
   
Fasten
   
Progressismus
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