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Ansprache von Dr. Wolfgang Schüler

24. Oktober 2007

Ansprache zum 25. Jahrestag der Weihe der St.-Athanasius-Kapelle

In seiner Rede am 22. Oktober 2007 erinnert Dr. Wolfgang Schüler an das Wirken Pfarrer Milchs und seinen Einsatz für die Errichtung des Gotteshauses. Dr. Schüler verdeutlicht aber auch nochmals die falsche Kirchenvorstellung des Konzils, die es bei den eventuell bevorstehenen Gesprächen der Priesterbruderschaft St. Pius X. mit Rom zu widerlegen gilt.

 

Hochwürdiger Herr Pater Kampmann, liebe Mitglieder unserer Gemeinde St. Athanasius,

der heutige Tag ist ein Tag des großen Dankes zuvörderst an Gott, der es fügte, daß unser verehrter und geliebter Pfarrer Hans Milch am 1. Januar 1962 die Pfarrstelle in Hattersheim antrat, nachdem er Kaplanstellen in Lorch am Rhein, Rennerod im Westerwald und am Dom zu Frankfurt inne gehabt hatte. Schon während seiner Zeit als Kaplan am Dom zu Frankfurt war er als ein wortgewaltiger Prediger bekannt. An den Samstagen stand das Telefon im Büro des Domes nicht still, denn viele wollten wissen, wer am Sonntag das Hochamt hält. Wenn es hieß, daß Pfarrer Milch zelebriert und predigt, dann hatte man am Sonntag kaum Chancen in der Nähe des Domes einen Parkplatz zu finden.

Wieviele von uns wären doch zu Opfern des innerkirchlichen Modernismus geworden, wenn er uns nicht vor diesem Elend bewahrt hätte. Sein mutiges Eintreten für die katholische Wahrheit, das in dem Satz gipfelte: "Wir sind dem Wort und dem Werk von Erzbischof Lefebvre verschworen" quittierte der Bischof von Limburg 1979 mit der Amtsenthebung. Dadurch verlor Pfarrer Milch seine materielle Existenzgrundlage und war er fortan auf Spenden angewiesen, für seine Mutter, für sich und für diesen Kirchenbau, für dessen Finanzierung er oft betteln mußte.

Dazu bemerkte er: "Der Herr will, daß ich bettle, also bettle ich", und er vermochte höchst wirkungsvoll zu betteln. Nur weil Pfarrer Milch alles auf eine Karte setzte, weil er alles riskierte, deshalb steht heute diese Kirche hier als ein Bollwerk des Katholischen in Hattersheim, und sie ist dank der Priester der Priesterbruderschaft St. Pius X. ein Hort der katholischen Wahrheit geblieben.

Meine Damen und Herren, in einem bedeutenden Musikdrama heißt es: "Keiner war wie er" und dieser Satz trifft in besonderer Weise auf Pfarrer Milch zu. Ich will dazu kurz drei Ebenen beleuchten:

  1. Die Ebene der menschlichen Begegnung
  2. Die Ebene seiner Predigt und seiner Glaubenskundgebungen
  3. Die Ebene seiner Auseinandersetzung mit dem Konzil und dessen Folgen

Die menschliche Begegnung mit Pfarrer Milch

Wer Pfarrer Milch erleben durfte erfuhr ihn als einen Menschen, der sich ganz in den ihm begegnenden Mitmenschen hineinversetzen konnte, weil er ein ganz außergewöhnliches Einfühlungsvermögen besaß. Man wird vermutlich kein zweites Mal einen so großen Geist wie ihn finden, der sich noch dem Ärmsten und Verkommensten als Bruder und Freund zeigte. Man denke an seine Aktivitäten im Frankfurter Bahnhofsviertel, von denen ich im ersten Band meines Buches berichtet habe.

Dieser Priester war mit den Abgründen des menschlichen Charakters bestens vertraut. Ich erinnere mich, daß er einmal in einer Predigt von einem Heiligen im alten Rußland sprach, der ganz von dem Gedanken durchdrungen war, dem Herrn alles zu verdanken, sich selbst aber nichts, weder im Tun des Guten noch im Unterlassen des Bösen. Als dieser Heilige von fern her einen Schwerverbrecher kommen sah, der zur Hinrichtungsstätte geführt wurde, rief er aus: "Das bin ja ich – ohne die Gnade!" Dieser Ausspruch entsprach der Denkweise von Pfarrer Milch, und auf dieser Grundlage konnte er dem schwersten Sünder mit Ehrfurcht und Demut begegnen. Diese Grundeinstellung bestimmte allezeit seine Seelsorge, die einst eine Konvertitin zu der Bemerkung veranlaßte: "Dieser Priester hat ein großes Herz."

Die Predigt Pfarrer Milchs

Die Theologie von Pfarrer Milch war eine lichtvolle Theologie, wie Herr Prof. Hoeres sie zutreffend nannte, und sie war es, obwohl er illusionslos in die Abgründe des menschlichen Charakters geschaut hat. Der Grund war seine klare Unterscheidung zwischen dem Wesen des Menschen und seinem Charakter. Während auf der Ebene des Charakters viel Unkraut wuchert, ist das Wesen des Menschen groß und herrlich. Dieses Wesen ist der Grund der Nächstenliebe, weshalb er in einer Predigt sagte: "Liebe heißt, sich in den anderen hineinversetzen, das mir begegnende Du als eine große Möglichkeit des Erlöstseins und Erlöstwerdens anschauen, als einen von Christus ins Auge Gefaßten, als einen, dem das große Glück widerfahren kann. So begegne ich jedem, auch dem Letzten, dem Verkommensten, dem äußersten Opfer all der Folgen, die die Erbsünde mit sich bringt. Ich durchstoße den Schutt der üblen Erfahrungen und des miesen Charakters und aller seiner Lasten und glaube an sein wahres Sein, an seine Ichtiefe, und gebe mich ihm hin und nehme ihn an, wie er ist."

Und diese Ichtiefe ist nach den Worten von Pfarrer Milch der Gedanke Gottes von dem je einzelnen Menschen. Und dieser Gedanke Gottes vom je einzelnen Menschen, das ist seine Seele und diese ist deshalb eine individuierte Geistseele. In einer Predigt sagte er dazu einmal: "Was ist denn die Seele? Das ist ja nicht irgendwie ein Gleich und Gleich, sondern das ist eine einmalige Besonderheit, eine einmalige Ausprägung des Gottesgedankens vom Menschen, unwiederholbar, unverwechselbar." Das war der Horizont, vor dem er dem Einzelnen begegnete und der auch seine Predigt bestimmte, so daß der Hörer den Eindruck gewann, seine Worte seien allein an ihn gerichtet.

Seine Predigt wurde auch deshalb als lichtvoll erfahren, weil er dem Menschen in unvergleichlicher Weise seine Größe vor Augen stellen konnte und zugleich sein totales Unvermögen, aus bloß eigener Anstrengung auch nur irgendetwas zustande zu bringen, wobei er an das Wort des Herrn erinnerte: "Ohne Mich könnt ihr nichts tun." (Joh 15,5) Die starke Polarisierung – nichts aus eigenem Vermögen, aber alles in Ihm – ist ein Spezifikum der Predigt von Pfarrer Milch und ein wesentlicher Grund für die Faszination, die von ihr ausging.

Die Glaubenskundgebungen

Wenn ich mich recht erinnere, dann hat er bis zu vier Glaubenskundgebungen im Jahr nach seiner Amtsenthebung durchgeführt, die meisten im Konzertsaal Eltzer Hof in Mainz.

Glücklicherweise hatte er 1972 seine Gebets- und Sühnegemeinschaft actio spes unica gegründet, die schließlich auf rund 2000 Empfänger seiner Briefe angewachsen war. Die meisten von ihnen hielten ihm auch nach der Amtsenthebung die Treue, unterstützten ihn finanziell und kamen zu den spes-unica-Sonntagen, so daß er die großen Säle, die er gemietet hatte, recht gut füllen konnte. Kein anderer deutscher Priester ist in dieser Weise an die Öffentlichkeit getreten und hat wie er den Gläubigen und Außenstehenden die wahre Opfermesse vor Augen gestellt und kraftvoll den katholischen Glauben gegen die progressistischen Irrtümer verteidigt.

Warum dieses unermüdliche in die Öffentlichkeit gehen, das einmalig in Deutschland war? Es war seine Liebe zu unserer heiligen Kirche, die ihn nicht ruhen ließ und die ihren grandiosesten Ausdruck in seinen Hymnen an die Kirche fand, die im Gebetsband und in meinem zweiten Band abgedruckt sind. Es war aber auch die Verantwortung Gott gegenüber, die ihn zu diesem Zeugnis in der Öffentlichkeit veranlaßte. In einem Sonntagsbrief wenige Wochen nach seiner Amtsenthebung durch den Bischof von Limburg, schrieb er: "Wenn der Herr mich einst fragt: 'Ich habe Dir die Gnade geschenkt, die katholische Wahrheit zu erkennen! Warum hast Du geschwiegen, als es an Deiner Stimme lag, dem Verbrechen zu wehren und die Krankheit zu bezeichnen, daß sie beseitigt werden könne?!' … Ich liebe, weiß Gott, nicht den Kampf! Aber wehe mir, wenn ich nicht kämpfte!"

Und dieser Kampfgeist, der seinen Grund nicht in Rechthaberei, sondern in der Liebe zu unserer heiligen Kirche hat, der spricht auch aus den Worten von Erzbischof Lefebvre, die er anläßlich der Weihe unserer Kirche vor 25 Jahren an uns gerichtet hat, und die Herr Pater Kampmann vorhin zitiert hat. Lassen wir uns von ihnen aufs Neue begeistern und schielen wir nicht nach einem faulen Frieden, damit wir endlich Ruhe vor Anfeindungen haben. Ein solch schmählicher Gedanke sei fern von uns! Nehmen wir uns vielmehr diese beiden standhaften, großen Männer der Kirche, Erzbischof Lefebvre und Pfarrer Milch zum Vorbild! Beide handelten aus Verantwortung für die Ehre Gottes und für das Heil der Seelen.

Im Weihnachtsbrief des Jahres 1979 schrieb Pfarrer Milch: "Denken Sie nur nicht, ich hätte mir meine Entscheidungen leicht gemacht. Immerhin trage ich eine ungeheure Verantwortung dafür, daß viele Menschen die Mauern Sions verlassen, weil Sion von Feinden erobert ist. Es sind die vielen, die mit mir im wahren Sion des Geistes ihre Wohnung nehmen, um auf den Tag der Befreiung und Heimkehr zu warten, und von mir ermutigt und beschworen werden, sich nicht irre machen zu lassen. – Ich habe mir tausendmal in einsamen, langen Stunden alle denkbaren Gegenargumente vor Augen gehalten und mich von keiner äußersten Gedankenschärfe dispensiert. Nun befinde ich mich in absoluter Sicherheit! In mir, bei aller irdischen Beschwer und Ungeborgenheit, ist eine unsagbare Freude und ein tiefes Glück, weil ich weiß, daß mein Weg der katholische ist."

Die Auseinandersetzung mit dem Konzil und seinen Folgen

Es ist Pfarrer Milch erst im Laufe der Zeit klar geworden, daß die Bischöfe am Niedergang des Erscheinungsbildes der Kirche in nachkonziliarer Zeit eine große Mitschuld tragen. Als ihm das bewußt wurde, verließ er 1977 die Bewegung für Papst und Kirche, deren Vorsitzender er zeitweise gewesen war, weil viele ihrer Mitglieder ihre Aufgabe darin sahen, die Bischöfe in ihrem verhängnisvollen Tun zu unterstützen.

In dieser Zeit erkannte er auch in zunehmendem Maße, daß im Konzil die primäre Ursache für den Zerfall des Erscheinungsbildes der Kirche in nachkonziliarer Zeit zu suchen ist. Den Sündenfall des Konzils erkannte er in der Preisgabe des katholischen Absolutheitsanspruchs durch dieses Konzil. Diese Preisgabe findet ihren Ausdruck vor allem darin, daß sich das Konzil ganz bewußt weigerte, mit der Enzyklika Mystici corporis von Pius XII. zu sagen: "Die Kirche Christi ist die katholische Kirche und stattdessen sagte, daß die Kirche Christi in der katholischen Kirche verwirklicht ist.

Meine Damen und Herren, kein Geringerer als der heutige Papst Benedikt XVI. hat die Preisgabe des katholischen Absolutheitsanspruchs durch das Konzil in seinem 1969 erschienen Buch "Das neue Volk Gottes" insofern eingestanden, als er dort sagt, daß das "ist verwirklicht" [lat. subsistit] eine "Reduktion des Absolutheitsanspruchs ... artikuliert". Nun läßt aber der Begriff "absolut" keine Quantifizierung zu. Es gibt keinen mehr oder weniger erhobenen Absolutheitsanspruch. Entweder wird absolute Gültigkeit beansprucht oder sie wird nicht beansprucht. Deshalb bedeutet Ratzingers Rede von der Reduktion des Absolutheitsanspruches durch die subsistit-Formel das Eingeständnis der Preisgabe des katholischen Absolutheitsanspruches durch das Konzil!

Theologische Gespräche mit Rom

Das ganz Außergewöhnliche bei Pfarrer Milch war, daß er das Konzil nicht nur auf der inhaltlichen Ebene angriff, sondern auch seine Methode, die Kirche in Teile zu zerlegen, durch die sogenannte Elemente-Ekklesiologie. Und dieser Punkt ist von brennender Aktualität, gerade jetzt, wo abzusehen ist, daß bald theologische Gespräche zwischen Rom und der Priesterbruderschaft St. Pius X. stattfinden werden. Vielleicht haben Sie im Internet gelesen, daß Bischof Fellay die Erwartung geäußert hat, daß bis Ende des Herbstes die, natürlich ungültigen, Exkommunikationen unserer Bischöfe aufgehoben werden und daß er fünf Mitglieder der Priesterbruderschaft in eine theologische Kommission berufen hat zum Studium der Konzilstexte, offenbar zur Vorbereitung auf die theologischen Gespräche mit Rom, die nach Aufhebung der Exkommunikationen stattfinden sollen.

Wie Sie wissen hat Pfarrer Milch wie kein anderer gegen die additistische Denkweise gekämpft, welche die Kirche als aus Teilen zusammengesetzt versteht, und er war dadurch ein großer Verteidiger der Einheit der Kirche und insbesondere der Glaubenseinheit.

Demgegenüber versteht das Konzil tatsächlich die Kirche als aus Elementen aufgebaut, heißt es doch an jener bisher viel zu wenig beachteten Stelle in Art. 3 des Ökumenismusdekrets, daß die Kirche insgesamt aus kirchlichen Elementen erbaut wird [lat. aedificatur]. Das ist ein falsches Verständnis von der Kirche, denn diese ist eine unteilbare Einheit. Ich will nur an den hl. Cyprian erinnere, der in seiner Abhandlung Über die Einheit der katholischen Kirche diese Einheit unter verschiedenen Aspekten darlegt. Unter anderem sagt er unter der Überschrift Der ungenähte Rock Christi, ein Typus der Einheit der Kirche mit Bezug auf die Kirche: "Die Einheit des Lichtes ist der Teilung nicht fähig."

Das falsche, additistische Verständnis der Kirche durch das Konzil, diese fatale Bauklötzchen-Vorstellung von der Kirche, bildet die Grundlage für den konziliaren Ökumenismus, der den anderen christlichen Gemeinschaften zubilligt, vielfältige kirchliche Elemente zu besitzen, und ihnen daher sogar eine Heilsmittlerschaft zuerkennt.

Es wäre zweifellos im Sinne von Pfarrer Milch, wenn die Vertreter der Priesterbruderschaft in den anstehenden Gesprächen mit Rom an dieser Fehlvorstellung von der Kirche ansetzen und darauf bestehen würden, daß diese so folgenreiche Irrlehre widerrufen wird. Allerdings müssen sie sich hier argumentativ gut wappnen, weil ein hartnäckiger Widerstand zu erwarten ist: Das moderne Rom weiß ganz genau, daß diese Element-Vorstellung von der Kirche die Bedingung der Möglichkeit seines Ökumenismus ist.

Dankesworte

Zum Schluß noch ein Wort des Dankes, zunächst an die Priesterbruderschaft St. Pius X., die dieses Meßzentrum nun schon 20 Jahre betreut, den Priestern, die hier Dienst getan haben, unserem heutigen Seelsorger, Herrn Pater Johannes Kampmann sowie an die treuen Helfer, die ihm zur Seite stehen, allen voran Frau Wollstadt, die gute Seele von St. Athanasius und unser Küster Herr Worsch. Dank gebührt aber auch unseren Orgelspielern, der Schola, den Meßdienern, den Personen, die für den Blumenschmuck sorgen und dafür, daß die Kirche stets sauber und gepflegt ist, den Personen, welche die Arbeiten am spes-unica-Sonntag bewältigen, den Helfern bei den Prozessionen, den Spendern, die zur Erhaltung des Meßzentrums beitragen sowie den Personen, die sich um die Bücheranschaffung und den Verkauf verdient machen und all diejenigen, die ich jetzt vergessen habe.

Unser Dank gilt natürlich auch dem Vorsitzenden der actio spes unica, Herrn Frieder Wedel, für seinen Einsatz zur Erhaltung des geistigen Erbes unseres geliebten Pfarrers, insbesondere durch die Ausübung des Cassetten- und CD-Apostolats. Sein Sohn, Herr Jan Wedel, hat der actio spes unica dankenswerterweise eine Homepage eingerichtet, die er auch betreut und auf der Sie das gesamte Cassetten-, CD- und DVD-Angebot finden können. Wer davon Gebrauch macht, der wird großen geistigen Gewinn von diesen Predigten und Reden haben, die erfreulicherweise in zunehmendem Maße bestellt werden.

Meine Damen und Herren, schon vor der Errichtung dieses Gotteshauses hatte Pfarrer Milch von der späteren Bestimmung desselben gesprochen, und er gab seiner Hoffnung Ausdruck, daß es nach der großen Wende in der Kirche als "Mahnmal des katholischen Widerstandes in der düsteren Zeit der progressistischen Eroberung dastehen" wird.

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