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Geistliches Wort im April 2011
Schild der actio spes unica
 

Die Sanftmut Jesu in seinem bitteren Leiden

 

Mit dem Palmsonntag werden wir wieder das Kernstück des ganzen Kirchenjahres betreten, die Karwoche. Das bittere Leiden des Erlösers steht dann wieder vor unserem geistigen Auge. Der ganze Haß, die leidenschaftliche Wut, die furchtbarste Bosheit der Menschen hat sich gegen Jesus gesammelt. Wie wenn an einem schwülen Sommertage schwarze Gewitterwolken am Firmament aufsteigen und sich zu einer schweren Wolkenmasse vereinigen, die ihre Blitze aussendet und ihre Donner rollen läßt, so hat sich alle Sünde in dieser Woche vereinigt über dem unschuldigen Gotteslamm, um es zu vernichten. Dies wird nicht gelingen, wir wissen, daß Christus stärker ist als alle feindliche Macht; der Ostertag kündet uns seinen herrlichen Sieg. Da fragen wir uns: mit welcher Waffe siegt er? Das ist seine große, alles überwindende und alles erduldende Liebe.

Wenn wir genauer wissen wollen, wie diese Liebe aussieht, müssen wir auf den Herrn schauen, wie er sich im Kampf und Leid zeigt. Nicht umsonst läßt die heilige Kirche die Priester am Palmsonntag und noch an drei Tagen dieser stillen Woche in der heiligen Messe nicht ein Evangelium bloß, d.h. einen Abschnitt wie sonst gewöhnlich lesen, sondern die ganze "Passion unseres Herrn Jesus Christus". Da steht jedesmal Christus der Herr als der große Leidensheld vor uns. Die heilige Kirche will uns gleichsam zwingen, uns in das Meer der Liebe Jesu hineinzuversenken in Anbetung und glühender Gegenliebe.

Wie hebt nun die Passion an? – "In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ihr wißt, daß in zwei Tagen Ostern ist: dann wird der Menschensohn zur Kreuzigung ausgeliefert werden." Das klingt so ruhig und selbstverständlich, als wenn weiter nichts wäre. Keine Spur von Unruhe oder Aufregung liegt über ihm. Es ist fast so, als wenn es den Herrn persönlich nichts anginge. Er nimmt noch gern die Einladung Simons des Aussätzigen zum Mahle an, läßt sich salben von dem Weibe und verweist den Aposteln ihren Unwillen. Er spricht dann von seinem nahe bevorstehenden Begräbnis. Die Apostel scheinen es nicht so ernst zu nehmen, sie können sich in die Wirklichkeit dieser Dinge nicht hineinversetzen. Dem Herrn aber steht alles klar vor Augen: die ganze Bitterkeit der nächsten Tage, jede Stunde ist ihm gegenwärtig. Nicht als ob er keine Empfindung gehabt hätte, als wenn er fatalistisch den grausamen Ereignissen des Leidens und des Todes entgegenginge! Die ganze Furchtbarkeit kennt und fühlt er, und er bejaht mit vollem, freiem Willen und klarer Erkenntnis und starkem Empfinden alles, weil es vom Vater kommt, weil, wie die Schrift so oft geheimnisvoll sagt, "seine Stunde jetzt gekommen ist". Er macht es nicht wie viele Menschen, die sich bei schrecklichen Erlebnissen selbst zu trösten und die Größe des Leidens durch allerlei Redensarten und Gedankengänge vor sich selbst herabzusetzen versuchen, um so leichter darüber hinwegzukommen. Christus ist nicht blind, er macht sich nichts vor, ganz gefaßt und ergeben in den Willen des Vaters geht er Leid und Tod entgegen. Wie groß und stark steht da der Herr vor uns! Ihm gilt nur der Wille des Vaters. In dem heiligen Willen des Vaters ruht er mit seinem ganzen Wollen: das gibt ihm die Kraft und übermenschliche Ruhe und Sicherheit. Die Liebe ist sanftmütig: der Herr zeigt es uns zu unserer Belehrung. – Auch über uns werden Schicksalsschläge kommen, schwere Stunden, Leidenstage aller Art. Dann wollen auch wir den Willen des Vaters in ihnen erkennen und uns fügen, wie Christus es getan, wollen in Ruhe tragen, was der Vater uns schickt.

Des Herrn Größe wächst noch in unseren Augen, wenn wir weiter in seine Passion hineinblicken. Das Verhalten der Menschen zu ihm ist uns ganz unbegreiflich. Betrachten wir z.B. nur die Führer des Volkes, die Hohenpriester und Ältesten. Sie sollten doch das Volk dem Messias entgegenführen. Aber das Gegenteil tun sie; von Anfang an haben sie den aufkeimenden Glauben des Volkes zerstört; in blindem Haß peitschen sie das Volk auf gegen ihren Herrn und Erlöser. Der Herr tut alles, um sie zum Glauben zu bewegen. Er offenbart sich ihnen, beweist aus der Heiligen Schrift, beruft sich auf seine Wunder, er redet ihnen ins Gewissen, schleudert ihnen die Wehe ins Gesicht und zeigt ihnen drohend den Untergang, der ihnen bevorsteht. Alles vergeblich! Ihre Verstocktheit ist zu groß. Immer größer wird die Wut. Sein Tod ist jetzt beschlossene Sache. Ihre Anklagen sind Lügen. Das Rechtsverfahren spricht allem Recht hohn. Das Urteil ist schmachvoll und schrecklich zugleich. Das ungerechte und gemeine Urteil muß das lautere Empfinden des Herrn durchbeben bis in den Grund, er ist doch die Sonne der Gerechtigkeit. Und doch lehnt sich der Herr nicht auf und wehrt sich nicht, sondern schweigt und duldet in Liebe. Er nimmt das ungerechte Urteil frei und ungezwungen, aus freiem Willen an, weil er darin den Willen des Vaters erblickt, und weil es unser Heil gilt. Welche Sanftmut liegt in dieser Liebe des Herrn! Er ist uns darin vorangegangen – wir sollen ihm darin folgen. Wenn harter Tadel über uns kommt, wenn schroffer Befehl uns trifft, wenn gar offene Ungerechtigkeit und auferlegt wird oder ungebührende Strafe, daß wir uns bis ins Innerste getroffen fühlen und aufschreien möchten vor Empörung und Leid, dann wollen wir hinblicken auf den Herrn und um seine Gnadenkraft bitten, daß wir sanftmütig sind und stillhalten, vielleicht ganz schweigen und unsere Rechtfertigung dem Vater im Himmel überlassen.

Am größten steht die Liebe des Herrn vor uns auf Kalvaria, in den drei Stunden, da er am Kreuze hängt. Das ist so grausam und schrecklich, daß man sich abwenden möchte, um es nicht mit ansehen zu müssen. Alles hat man dem Herrn genommen, er kann sich nicht einmal mehr rühren. Er kann nicht mehr tun als still hängen, aushalten und fühlen, wie es dem Tode zugeht. Und dann dieser Hohn und Haß ringsum, diese Roheit, die alles Maß übersteigt! Hätte die göttliche Allmacht nicht alle Feinde niederschmettern sollen? Kann die göttliche Gerechtigkeit so etwas ruhig ansehen? Doch was tut der Herr? Er opfert und sammelt sich ganz in dem Willen des Vaters und spricht Worte der Liebe. Kein Wort der Klage und Anklage, nur stilles Beten und Liebe, geduldige, leidende, sanftmütige Liebe. O Geheimnis der göttlichen Liebe und der Sanftmut! Unausdenkbar für den Verstand der sterblichen Menschen! Unfaßbar für unser enges Herz! Zu unserem Heile ist es geschehen. Er ist aus Liebe zu uns gestorben. Nie offenbart sich die innere Größe des Herrn mehr als in diesen Stunden am Kreuze, da er nichts anderes tun kann als beten, leiden, dulden, opfern und lieben. – Auch für uns kommen vielleicht Stunden, da wir nichts mehr tun können, da wir gleichsam angenagelt sind! In der Stunde des Todes wird es vielleicht so sein, wenn man fühlt, es geht dem Ende zu, niemand kann mehr helfen. Eins aber können wir dann immer noch: uns aufrichten am Beispiele des Herrn, Herz und Willen sammeln in Got, uns ganz fest am Willen des Vaters halten und alles ihm überlassen. Üben wir uns im Leben täglich in der Sanftmut und in der Liebe, damit sie uns dann, wenn es mit uns zu Ende geht, hinübergeleite in das Meer der ewigen Liebe Gottes.

 

Abbé Busse