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Geistliches Wort im Februar 2014
Schild der actio spes unica
 

Mannestugend im Licht der Eucharistie

Geduld

"Habe Geduld mit mir! Mt 18,28"

In unserer nervösen Zeit Geduld? Ja, erst recht! Geduld, das ist nicht Stumpfsinn und Gefühllosigkeit und sittliche Gleichgültigkeit, die sich jetzt so breit machen; oder jene raubtierhafte Ruhe, die in verhaltener Wut auf den Tag der Rache wartet; das ist die Geduld des Teufels. Sondern wir meinen jene Tugend, die um Christi willen die vielerlei Leiden des Lebens erträgt und siegreich überwindet, um durch Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit der Auferstehung zu gelangen. Die christliche Geduld ist eine herrliche Männertugend. Das wird uns klar werden, wenn wir heute zwei Gedanken erwägen:

I. Die Geduld kommt von Gott.
II. Die Geduld führt zu Gott.

Auf diese Tugend fällt wundervolles Licht aus der Eucharistie. Wir flehen zu unserem dort gegenwärtigen Lehrmeister: Du geduldigster Jesu – erbarme Dich unser!

Die Geduld kommt von Gott

Die Geduld kommt von Gott. – Wenn wir von der Geduld Gottes sprechen, so meinen wir gewöhnlich seine Barmherzigkeit und Langmut gegen die Menschen. Wir verstehen aber auch darunter sein planvolles Warten, seine göttliche Erziehungskunst, die nicht von heute auf morgen, sondern erst in Jahrhunderten und Jahrtausenden seine Ziele erreicht. Denn Gott weiß von Ewigkeit her seine Ziele. Er könnte sie durch ein einziges Machtwort verwirklichen; aber er läßt die Dinge oft scheinbar ihren Lauf, er läßt oft das Böse für eine Weile obsiegen und das Gute unterliegen, er läßt Sonnenschein und Regen kommen auch über die Bösen und Ungerechten, wo der kursichtige Mensch mit den Donnersöhnen Jakobus und Johannes Feuer vom Himmel herabrufen möchte (Lk 9,54). Einmal kommt noch der Tag, wo Gottes Plan in Erfüllung geht, und am Jüngsten Tag sind alle seine Ziele erreicht. Seine Geduld hat gesiegt.

In dieser welthistorischen Betrachtungsweise liegt großer Trost. Unser enger Gedankenkreis nimmt dadurch teil an der Großzügigkeit und Erhabenheit der göttlichen Gedanken. Wenn wir uns an Gott halten, dann werden wir mit ihm siegen, mit ihm herrschen. Habt doch Geduld und lernt das Warten, nicht das müßige, sondern das Warten in göttlicher Ruhe und göttlicher Tätigkeit! – Werden wir die Belehrung Chinas mit seinen vierhundert Millionen erleben? Wir ganz gewiß nicht; aber Geduld! Gott wird es erleben, daß allen Völkern das Evangelium verkündet wird. Vorerst erträgt er noch wie seit Jahrtausenden den Götzendienst von tausend Millionen Heiden. – Werden wir die Rückkehr unserer getrennten Glaubensbrüder zur wahren Kirche schauen? Wir ganz gewiß nicht; aber Geduld! Gott wird es fügen, daß eine Herde und ein Hirt ist. Vorerst erträgt er noch wie seit Jahrhunderten die Zerrissenheit der christlichen Kirchen. – Werden wir den Aufstieg unseres Gottes aus tiefem sittlichen Elend und schwerer Lebensnot erhoffen dürfen? Ich weiß es nicht, aber Geduld! Wenn Gott in Sodoma nur fünfzig oder nur dreißig, ja nur zehn Gerechte findet, so wird er es nicht verderben. Denn er ist geduldig und von großer Erbarmung (Ex 34,6; Ioel 2,13)

Vor Gottes Geduld sind tausend Jahre wie ein Tag – und dieser erhabene Gott ist Mensch geworden. Als Gottmensch hat er die Tugend der Geduld in einem Grade geübt, daß wir auf tiefste beschämt sind. Der erste Adam ist aus Gottes Hand als vollendeter Mann hervorgegangen. Man könnte erwarten, daß auch Christus als zweiter Adam im vollen Mannesalter ins irdische Dasein eintrat. Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, wieviel Geduld darin beschlossen ist, wenn der eingeborene Sohn Gottes wie jedes andere Menschenkind unter dem Herzen einer Mutter Fleisch und Blut annimmt solange, bis für sie die Zeit kam, da sie gebären sollte (Lk 2,6)? Wieviel Geduld, bis er heranwächst und zunimmt an Weisheit, an Alter und Gnade? Wieviel Geduld, da er die Jünger erträgt und das Volk ? Einmal hat er wohl ausgerufen: "O ungläubiges und verkehrtes Geschlecht! Wie lange soll ich euch noch ertragen?" Er hat es ertragen, daß man ihn anspie, beschimpfte, beraubte, verurteilte. Er ist zwar unter dem Kreuz zusammengesunken, hat sich aber in seiner Geduld immer wieder aufgerafft. Er hat am Kreuze das Toben der Feinde ertragen, ohne herabzusteigen, ohne Engelslegionen aufzubieten. Er hing in unbegreiflicher Geduld drei Stunden lang am Marterholz. Und unsere Geduld – so winzig klein! Schau nach den Gekreuzigten – und lerne Geduld von ihm! –

Noch eine andere Schule der Geduld hat uns Jesus hinterlassen: Schau Deinen Erlöser in der Eucharistie – und lerne Geduld von ihm! Wie er da seine Verheißung erfüllt: Seht ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt (Mt 28,20)! Wie er da die Armseligkeit so vieler Altäre und den Kleiderhochmut so vieler Besucher und Besucherinnen erträgt! Wie er da unser oft so gedankenloses Singen und Beten, unsere Geistesabwesenheit, unsere Schläfrigkeit, unsere lauen Kommunionen erträgt! Wie er da voll Geduld unsere oft so kleinlichen und kurzsichtigen Bitten anhört und uns in göttlicher Verschwendung mit Gnade und Trost und Sündenvergebung überschüttet! Wie er da Tag und Nacht wartet – und Du findest es nicht der Mühe wert, ihn zu besuchen, nicht einmal eine Stunde lang mit ihm zu wachen und zu beten (Mt 26, 40)!

Die Geduld führt zu Gott

O du göttliche Geduld, wie viele Geduldsproben hattest du schon mit mir zu bestehen! Nun will ich sie nicht mehr mißbrauchen. Nun will ich selbst Geduld lernen, denn die Geduld führt zu Gott. Führt zu unserem ewigen Glück.

Der Lehrmeister verlangt von apostolischen Männern: wer mein Jünger werden will, der nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach (Lk 9)! Täglich also haben wir unser Kreuz zu tragen – wir wollen es wie Jesus in aller Geduld tragen. Und wie Jesus durch sein Kreuz die Sünden hinwegnahm, so wollen wir durch unser Kreuz die Sünden büßen. Ohnedies ist die Buße im Beichtstuhl viel zu gelinde; wenn dann das Kreuz in der Familie oder im Beruf einmal schwer auf euch liegt, sollt ihr das in aller Ruhe tragen: Gott ist es, der dieses Kreuz als Buße schickt; ich will es geduldig hinnehmen; ich will hier auf Erden Geduld lernen, nicht erst als arme Seele im Fegefeuer!

Selbstbeherrschung. Wir hätten allen Grund, uns mehr zu beherrschen. Wie häßlich ist es, schon beim geringsten Anlaß aufzubrausen, zu toben, zu wüten, zu fluchen. Statt dessen hat der Dulder Iob den Zusammenbruch seiner Existenz, häßlichen Aussatz, den Tod all seiner Kinder und auch noch die Bosheit seines Weibes erduldet – und doch gesprochen: ich weiß, daß mein Erlöser lebt! Und unser Erlöser – hat vor dem ungerechten Richter geschwiegen und auf den Faustschlag des Kriegsknechtes mit Ruhe und Hoheit geantwortet. ¬¬– Habt doch Geduld mit allen (1 Thes 5,14), erbarmt euch im Beruf und zu Hause eurer Mitknechte, wie sich Gott euer schon so oft erbarmt hat (Mt 18)!

Von dieser erbarmenden Geduld wäre noch viel zu sagen, so von der Geduld in der Regierung der Völker und überhaupt im heißen politischen Leben, besonders auch von der harten Geduld, welche die Arbeitslosen aufbringen müssen, wenn sie Woche für Woche immer wieder den gleichen ablehnenden Bescheid erhalten. Am notwendigsten aber ist die Geduld im Familienleben. Dafür wollen wir noch eine kleine Begebenheit vernehmen, die sich fast lustig anhört und auf den gewaltigen Bußprediger Vinzenz Ferrer zurückgeht. Er hat vor mehr als 500 Jahren in Spanien und Frankreich gewirkt. Zu ihm kam einst eine Frau, die sich bitter über ihren Mann beklagte; er sei so brummig und jähzornig, man könne es nicht mehr mit ihm aushalten. Da sprach Sankt Vinzenz: "Laß dir von unserem Klosterbruder etwas Wasser aus dem Klosterbrunnen geben. Kommt dann Dein Mann nach Hause, so nimm einen Schluck von diesem Wasser. Behalt es aber vorsichtig im Munde. Dann wirst du Wunder erleben!" – Die Frau tat getreulich, was der Heilige befohlen. Als der Mann abends heimkam, brachte er gleich wieder Mißmut und Ungeduld mit. Schnell nahm die Frau, den dem geheimnisvollen Wasser und preßte die Lippen fest aufeinander, um ja das Wunderwasser gut im Munde zu behalten. Wirklich! Bald schon schwieg der Mann. So war für heute das Ungewitter vorüber. Noch mehrmals versuchte die Frau ihr Geheimmittel: immer mit dem nämlichen Erfolg! Der Mann war seitdem wie umgewandelt, der Friede war wieder mit ihrem Hause. Freudestrahlend lief die Frau zum hl. Vinzenz. Der aber sprach lächelnd: nicht das Wasser vom Klosterbrunnen hat dieses Wunder gewirkt, sondern Dein Schweigen. Früher hast du deinen Mann durch Widerreden gereizt. Dein Schweigen hat ihn besänftigt (H. Bihlmeyer, Wahre Gottsucher (1918) 11,27). Nun werdet ihr sicher der Frau auch solche Wasser verordnen, liebe Männer? Doch besser wäre es, wenn nicht nur das Weib, sondern auch der Mann mitunter einen kräftigen Schluck Wasser in den Mund nähme und es gut darin behielte. Das Wunder des Schweigens und Friedens müßte dann mit doppelter Sicherheit eintreten! – Hand in Hand zu Gott, auf dem Lebensweg in Geduld einer des anderen Last tragend (Gal 6,2)!

Denken wir noch einmal an die unerschütterliche Ruhe und Langmut Gottes, an seine klar erkannten Ziele, die er trotz aller Irrwege der Menschen und trotz aller Irreführung des Satans zu erreichen weiß. Je mehr wir uns dieser göttlichen Ruhe und Zielklarheit zu eigen machen, desto ähnlicher werden wir Gott, desto sicherer führt uns die Geduld zu Gott. Aber eure Nerven? O diesen mißhandelten Nerven wird gerade Geduld und Gelassenheit zur größten Wohltat werden! Wenn dir also Kränkung, Verachtung, Verleumdung begegnen, dann sei Gott ähnlich und setze dein Recht ohne Rachsucht in aller Sachlichkeit durch, aber – verzeihe! Wenn dich bald diese, bald jene Prüfungen treffen, dann sei dem Heiland ähnlich – und habe Geduld!

Habe Geduld mit mir! So flehen dich im Geist alle Menschen an, mit denen du im Leben zusammenkommst. Habe Geduld mit mir, so bittet dein Weib, wenn ihre Art und ihre Arbeit dich nicht befriedigen. Habe Geduld mit mir, so rufen Sohn und Tochter, wenn ihre Tugend über das rechte Maß hinaus verlangt. Habe Geduld mit mir, so bitten deine Untergebenen, deine Mitarbeiter, deine Vorgesetzten, deine Nachbarn und Freunde, wenn bald dies, bald jenes an ihrem Charakter oder an den Verhältnissen dich stört und verletzt. Ja, habe Geduld mit allen und wisse; es ist dem Heiland getan, was du dem geringsten seiner Brüder in geduldiger Liebe tust. Habe Geduld mit dir selbst, wenn du immer wieder in die alten Fehler zurückfällst, immer wieder deine Schwachheit fühlen mußt. – O Gott, habe Geduld mit mir! Du geduldigster Jesus, gegenwärtig im Sakrament, innig mit mir vereint, erbarme dich meiner! Laß auf dem Acker, wo deine Geduld das Unkraut nicht ausreißt, laß dort auch goldene Garben für die Scheune des Himmels reisen!

 

Amen.

 

Abbé Busse