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Rundbrief vom 8. Juni 1976

Liebe Freunde in der spes unica!

 

Von Herzen grüße ich Sie und wünsche Ihnen zum Pfingstfest die ganze Wirkmacht des Heiligen Geistes in Ihnen, für Sie und von Ihnen ausgehend für die Vielen!

Am letzten spes-unica-Sonntag, dem 4. April 1976, versuchten wir, hinzuschauen auf "den, den sie durchbohrt haben".

Gott ist Mensch, "das Wort ist Fleisch geworden". Alle Welt sehnt sich seit Anbeginn nach dem Menschen. "Die Schöpfung seufzt und liegt in Wehen nach der Offenbarung der Gottes-Söhne und Gottes Töchter!" Im Menschen ist alle Welt vereint und versammelt: der Stoff, die Pflanze, das Tier, der Engel. Der Mensch ist das Zusammen aller Welt. Im Menschen will alle Welt über die Brücke geleitet werden und über jegliche Grenze: aus dem Draußen ins Drinnen! Außerhalb Gottes ist alles Dasein ohne Sinn. Nur in Ihm finden wir uns selbst, unseren Namen, unser Wesen, was uns eint und jedes Einzelnen Einmaligkeit. Nach Unendlichkeit geht unser Verlangen, und drinnen in Gott, wo Er in der Liebes-Ekstase der drei Personen ganz Flamme ist und vollkommener Friede, gehen wir auf zur Erfüllung unseres Daseins. "Wenn das Samenkorn in die Erde fällt, bringt es viele Frucht!" In Ihm werden wir mächtig und glücklich so endlos, daß absolut nichts darüber hinaus gedacht und gewollt werden könnte. Sich hineinnehmen lassen und mithelfen, alle Welt hineinzunehmen, ist des Menschen Mission: "Geht hinaus in alle Welt, laßt alle Menschen der ewig-einen Wahrheit begegnen und tauchet alle, die es wollen, hinein in das Wesen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!"

Wir können getaucht = getauft werden, weil der Gottmensch die Bahn nach innen für uns erkämpft hat durch Sein Leiden.

Er, der in der Einheit des zweiten göttlichen Ich Gottheit und Menschheit umfaßt, ist logischerweise immer drinnen, sowahr Er Sich selbst nicht entfliehen kann. Und Er geht nun aus freiestem Liebeswollen in alle Bezirke des äußersten Außen. Er ist das fleischgewordene Angebot Gottes an die, welche sich im Außen eingerichtet haben mit böser Behaglichkeit. Er geht in das Erleben der Sinnlosigkeit, die draußen vor der Türe waltet. Er verkostet das Grauen der "Finsternis draußen". Wir sündigen, da wir uns selbst aus freiem Willen das furchtbarste Schicksal schaffen. Wir sondern uns ab von Ihm, der unser Ursprung ist und unser Ziel, Weg und endloses Ende! Solange wir im Leib sind, nehmen wir nicht wahr, was wir uns bereiten an Unheil. Wir fällen die unselige Entscheidung, spüren aber nicht die selbstbereitete Not. Er spürt sie. Wir sündigen, und Er erleidet unsere Sünde. Er geht ins Außen, leidet maßlos unter dem Nichts, das dort haust. Er bietet Sich an und wird abgelehnt. Die Ablehnung trifft Ihn furchtbar, und was Ihn trifft, läßt Er denen zum Heile gereichen, die Ihn treffen. Er geht ins Außen und bleibt drinnen. Dadurch macht Er alles Los, das im Außen liegt, alle Ungerechtigkeit, Tod und Not, die das Außen bildet, zu Seiner Eigenschaft. Das Außen wird zum Innen. "Eine Taufe = Tauche habe ich zu vollziehen, und wie brenne ich danach, daß sie geschehe!" – "Das Licht leuchtet in der Finsternis, aber die Finsternis hat das Licht nicht ergriffen!" – "Er kam in Sein Eigentum, aber die Seinen nahmen Ihn nicht auf. Allen aber, die Ihn aufnahmen, gab Er die Macht der Gottes-Söhne und Gottes-Töchter!"

Das ist, meine lieben Freunde, der herrliche Sinn Seiner Passion: Aus Fluch wird Segen! Leiden, Ausgestoßensein, Verachtetsein wird Glück und Macht in Christus! Das Leiden, Krankheit, ungerechtes Schicksal und der Tod – bislang Zeichen der Gottesferne, Signale des Ausgestoßenseins aus dem Paradies – werden zu göttlichen Funktionen und zu Garantien der Gottvereinigung. Da das Leid vergöttlicht wird, werden wir, die wir Gott annehmen, erlöst – nicht vom Leiden, sondern im Leiden zur Machtausübung durch das Leiden. Leiden, harte Arbeit und die Hingabe des Gebetes werden zu Quellen des Heiligen Geistes. "Wer an mich glaubt, aus dessen Innerem werden Ströme lebendigen Wassers fließen!" Das heißt: Wer mit mir vereint ist, aus dem wird der Heilige Geist strömen und Menschengeister beleben, erleuchten, aufrichten und stärken. Durch das Kreuz lenken wir die Welt.

Soweit etwa das, was in der Predigt vom 4. April 1976 gesagt worden ist. Am 13. Juni 1976 – übrigens am 29. Jahrestag meiner Firmung, die ich als Konvertit erst im Priesterseminar empfangen konnte – werde ich predigen über das Thema: "Der pneumatische Mensch". Ich kann Ihnen aber nicht versprechen, in absehbarer Zeit eine schriftliche Zusammenfassung davon zukommen zu lassen. Ich mache von meinen Predigten vorher niemals ein Manuskript. Wenn ich ein wenig Zeit habe, kann ich den Inhalt anschließend zusammenfassen. Aber vorher mache ich nur stichwortartige Notizen, um die Unmittelbarkeit der Rede nicht zu hemmen. —

 

Liebe Freunde!

Die Kirche ist im Augenblick besetztes Gebiet, eine Gegebenheit, die einmalig ist in der ganzen Geschichte. Wie ein Land usurpiert wird von fremden Gewalten, die seine Eigenart entstellen, so ist seit über 10 Jahren die Kirche Gottes heimgesucht von den freimaurerischen Sendboten des Antichristen. Die Dogmen werden vom Papst und der Mehrheit der Bischöfe offiziell aufrechterhalten; die Träger der maßgebenden Hierarchie zelebrieren in gültiger, wenn auch weithin in abstoßender Weise. Das Grundgefüge der Kirche ist also noch erhalten, wenn auch vernebelt und entstellt. Die publizistischen Einflüsse der antikatholischen Modernisten überwiegen und bieten nach außen und sogar nach innen ein Erscheinungsbild der Kirche, das seine Wesensidentität eingebüßt hat. Um auf das oben angewandte Gleichnis vom besetzten Land zurückzukommen: Das Land und sein Volk sind noch da, die überlieferte Kultur ist nicht zerstört. Aber fremde Kräfte überwuchern den heiligen Boden Gottes. "Verwüstet ist der Weinberg des Herrn. Jerusalem ist zur Obstwächterhütte geworden!"

Unsere Losung im Zeichen der spes unica heißt: "Illuminare, Jerusalem!" – "Auf, werde Licht, Jerusalem!" Daß der sichere Tag der totalen Wende beschleunigt werde, dafür beten wir, dafür bleiben wir treu! Es gibt zwei Positionen des Kampfes – wie zur Zeit des Hitlerismus:

1.) Die innere Emigration. Das ist mein Ausgangspunkt, meine Plattform. Es ist die Kampfstellung der Treue zunächst im "erhabenen Schweigen der Tat". Die heilige Liturgie wird gefeiert im Geist, im Text und in den Gebärden der uralt-überlieferten Formen. Wer will, daß Hattersheim Oase bleibt und ich darinnen der Verwalter der gottmenschlichen Trutzburg, der rede nicht viel über Dinge, die ins Schweigen der Treue und in die Zuverlässigkeit der Tat gehören. Ich erhalte Anrufe, die gut und gerne von progressistischen Spitzeln verwirrter Instanzen kommen könnten. Man bedenke die Tugend der Klugheit! – Sodann ist mein gottgewollter Einsatz der des Anklagens, des Entlarvens, des Protestes, des Beschwörens der ewigen Wahrheit! Und alles im beständigen Gebet der Hingabe. Niemals aufgeben, niemals resignieren!

2.) Die äußere Emigration. Es ist die gottgewollte Wirksamkeit des heiligmäßigen Bekennerbischofs Marcel Lefebvre. In einer Schönstatt-Schrift, die ich erhielt, wird Pater Kentenichs Gehorsam gegen den Vater von Ecône ausgespielt. Darin liegt ein tiefer Irrtum, Pater Kentenichs Werk als solches stand nicht in Gefahr, und zu seiner Zeit galt es, einem Heiligen Vater Pius XII zu gehorchen. Die Kirche war in ihrer Identität erkennbar. Pater Kentenich hatte nur eine katholische Wahl: Gehorsam! Der von Erzbischof Lefebvre geforderte "Gehorsam" ist eine tugendwidrige Finte des Fürsten dieser Welt. Würde Lefebvre auf diesen "Gehorsam" eingehen, so wäre Gottes Rettungswerk um eine gnadengesegnete Bastion gebracht. Beten wir!

Es wünscht Ihnen allen die Glutkraft des Heiligen Geistes – Ihr in Christus und Maria verbundener

 

Hans Milch

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