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Rundbrief vom 15. Januar 1979

Meine lieben Freunde in der spes unica!

 

Zunächst wünsche ich Ihnen allen und all Ihren Lieben ein gottgesegnetes Jahr 1979! Der Herr wirke in Ihnen, daß Sie in Seiner Liebe wachsen und in der Erkenntnis Seiner Erlösung! Er beschleunige den glühend ersehnten Tag der großen Wende! Er schaffe in uns heilige und unbedingte Bereitschaft! –

Am Anfang steht mein großer Dank an Sie alle! Ich danke aus ganzem Herzen für Ihr Beten, für Ihre Treue, für Ihr Engagement! Ich danke Ihnen, daß Sie alle so innig für mich persönlich gebetet und gebangt haben! Es war mir ein tiefer Trost, eine so große Schar von Freunden und Mitkämpfern an meiner Seite zu wissen! Gott möge Ihnen all dies in Fülle lohnen! Selbstverständlich danke ich auch von Herzen für Ihre Hochherzigkeit im Spenden! Gott weiß, wieviel Opfer und Entsagung in so manchem Fünf-, Zehn- oder Zwanzigmarkschein enthalten sind! Sie alle, meine Freunde, habe ich ins Herz geschlossen und bete für Sie, segne Sie und nehme Sie hinein in das heilige Opfer der Messe!

Meine Lage ist – in kurzen Worten gezeichnet – folgende: Herr Bischof Dr. Wilhelm Kempf von Limburg will mich im Grunde seines Herzens behalten, wobei wohl auch eine gewisse Sympathie mitspielt. Am liebsten wäre es ihm, wenn er mich als eine "konservative Funktion" im "legalen" Gefüge der Einrichtungen des innerkirchlichen Raumes einsetzen könnte. Es wird ihm dies nie und nimmer gelingen. Ich müßte dann ja seinem Wunsche gemäß meinen Absolutheitsanspruch aufgeben, mit dem ich behaupte, keineswegs einen konservativen Schwerpunkt darzustellen, sondern die ewige katholische Wahrheit zu vertreten! Nachdem mein Aufenthalt im Kloster Metten – wie von vornherein feststand – mich in nichts von meinem Standpunkt wegbewegen konnte zur tiefsten Enttäuschung des Bischofs Wilhelm, versucht er, in weiteren Gesprächen mich umzustimmen. Und ich versuche, ihn umzustimmen. Man soll seiner Hoffnung keine Grenzen setzen. Wie lange er freilich – von seinem Gesichtspunkt aus – seine Geduld zu wahren vermag, weiß ich nicht. Nur das eine weiß ich, daß ich eher sterben werde, als nur ein Jota oder ein Strichlein von meiner Überzeugung preiszugeben bzw. vom Kampfe abzulassen. Machen Sie sich keine Sorgen! Ich bin in meinem Sein und Dasein mit meiner Überzeugung und mit meiner Kampfesstellung identisch! –

Gerne hätte ich Ihnen schon vor Weihnachten geschrieben. Aber angesichts dessen, was ich hinter mir habe, und dessen, was ich plane, mußte ich – körperlich erschöpft – eine Pause einlegen. –

 

Meine Freunde! Es sind fette Zeiten für die Dämonen! Allenthalben wühlen und wirken sie mit höchstem Raffinement und großem Erfolg. Wir wissen, daß sie sich dennoch totsiegen werden und daß der endgültige Triumph des Unbefleckten Herzens der allerseligsten Jungfrau am Tage der Wende vorweggenommen werden wird! Und eins muß uns klar sein: An jenem Tage werden wir nicht mehr in die Fehler zurückfallen dürfen, die es dem Vater der Lüge vor 17 Jahren so leicht machten, die größte Katastrophe der Kirchengeschichte heraufzubeschwören.

Ich meine die jahrhundertealten Fehler – selbstverständlich gab es Ausnahmen – in der Deutung der Tugenden der Einfalt, der Kindhaftigkeit und der Armut des Geistes. In Wahrheit heißt Einfalt: der unbedingte und alles beherrschende Wille, das ganze Leben auf das Eine, was not tut, hinzuordnen. Kindhaftigkeit heißt: heilige Unersättlichkeit im Mehrwissenwollen und Wachsenwollen. Armut des Geistes heißt: die durch nichts abgelenkte und ungeteilte Offenheit des Geistes in der Erwartung der Einweihung in die ewige Wahrheitsfülle. Allen drei geistgewirkten, aufeinander bezogenen und in der Substanz identischen Eigenschaften des in Christus lebenden Menschen haftet an ein grenzenloses, kühnes, tief erlösendes Vertrauen in die Lichtberge des Vaters. – Statt dessen wurden diese heiligen Werte mißbraucht und mißverstanden im Sinne von Dummheit. Die kitschig-sentimentale Verherrlichung der geistigen Unbedarftheit hat im Innenraum der Kirche eine lange Geschichte und gehört zu dem, was der Herr meint, wenn Er sagt: "Ärgernisse müssen kommen!" Im Gefolge dieser entstellenden Fehldeutung muß ein ganzer Katalog von zum Teil recht bösartigen Irrtümern gesehen werden. Z.B.: Christus habe immer so gepredigt, daß Ihn 'auch der Dümmste verstehen mußte'. Nachgerade das Gegenteil ist der Fall. Noch heute ist es unter Geistlichen akademischer Grade nicht unüblich, die tatsächliche oder vermeintliche geistige Beschränktheit eines Mitbruders mit 'taktvollem' Zynismus zu kennzeichnen mit den Worten: "Er ist ein guter Seelsorger." Dahinter steckt die bitterböse Vorstellung, zum Seelsorger bedürfe es keines besonderen theologischen Verstandes; es genüge doch für das 'schlichte gläubige Volk' (eine Abwandlung des Pharisäerwortes vom 'dummen Volk, das vom Gesetz nichts versteht') und für 'die guten Seelchen' ein 'Herz am rechten Fleck'. Geistige Bequemlichkeit läßt sich solche Herabwürdigung freilich gerne gefallen. – In Wahrheit muß nach Gottes Willen und Plan der Seelsorger auf der Höhe theologischer Einweihung stehen. Er steht auf der Höhe, wenn anders er seiner Bestimmung gerecht wird, 'von der aus alles beurteilt werden kann'. Er hat jene souveräne Überschau zu entfalten und mitzuteilen, die dem Erleuchteten gegeben ist. Die emsigen Professoren sind seine Gehilfen und Diener, die das Material zusammentragen, das er mit überlegener und intuitiver (d.h. mit der Treffsicherheit erwachter Geistorgane) Kraft sichtet und auswertet. So will es Gott, so ist es die von Christus vorgesehene Ordnung. – Statt dessen ist jahrhundertelang die Seelsorge weithin (nicht überall) geistig vernachlässigt worden, die Gemeinde im Wissen unterernährt, die Glaubensschulung mit dem Katechismusunterricht abgeschlossen. Predigten waren meist entweder 'fromme Anmutungen' oder moralische Standpauken. 'Das genügt für das gläubige Volk', hieß die Parole. –

Und jetzt kommt der Supertrick des Teufels: Seine Trabanten, die Progressisten, stellten sich vor etwa 17 Jahren vor die Gemeinde des Herrn: "Jetzt soll eure geistige Unterernährung aufhören! Ihr seid jetzt mündig! Das Zeitalter der Intelligenz des Gottesvolkes bricht an!" Was wunders, daß ihnen Glauben geschenkt wurde! Ein Gewimmel von 'Mündigkeit' setzte ein. Geltungsbedürftige aller Länder vereinigten sich, um ihre Meinungen zum besten zu geben. Viele meldeten sich zu theologischen Fern- oder Nahkursen. "Es ist eine Lust zu leben!", hörte ich aus dem Munde eines theologisch halbgeratenen Snobs. Es war 1965. Nur war es eben das Falsche, das angeboten wurde und wird. Mit gleißenden Worten und verführerischen Verheißungen wurde den Getauften und Gefirmten der Boden des Glaubens unter den Füßen weggezogen und dabei gesagt, dies sei nun die 'Vertiefung'. Jetzt ist die Kirche besetztes Gebiet, überwuchert und dem Auge der Öffentlichkeit nicht mehr erkennbar. Was ringsum wahrgenommen wird, das ist nicht mehr Kirche, sondern unter dem verlogenen Vorzeichen "Kirche" die Nicht-Kirche. Und dies, meine Brüder und Schwestern, muß im Ernst bedacht werden, wenn wir die Sache beim rechten Namen nennen wollen. Im lockeren Gespräch, wo die Worte nicht auf die Goldwaage gelegt werden, da man voneinander weiß, wie's gemeint ist, kann man schon mal sagen: "Konzils-Kirche" oder "Neu-Kirche", womit – sprachlich unkorrekt zusammengezogen – zum Ausdruck kommen soll die vom neomodernistischen Ungeist bedeckte und besetzte Kirche.

Jemand schrieb mir im Zeichen des Vorwurfs – bezogen auf den letzten spes-unica-Sonntag: "Interessant war für mich bei Ihrem gestrigen Vortrag auch die Feststellung, daß auch die Kirche Johannes XXIII. und Pauls VI. usw. die wahre katholische Kirche sei."

Meine Freunde! Es gibt nur die eine, heilige, katholische und apostolische römische Kirche. Sonst kann es keine Kirche geben, also auch nicht eine Kirche Johannes XXIII. und Pauls VI. Es gibt freilich die Katastrophe, die sich unter Roncalli und Montini im Innenraum der Kirche ereignet hat, da mit ihrer Duldung das antikirchliche erobernd und verwüstend einbrach. Ob diese Duldung die beiden im Sinne einer subjektiven Schuld belastet oder nicht, können wir nicht beurteilen. Wir haben für beide zu beten. Alle Mutmaßungen über ihre persönlichen Qualifikationen oder Nichtqualifikationen sind Zeitverschwendung. Wir haben uns damit nicht zu befassen. Uns erfüllt einzig die Sorge um die große Wende, da die Kirche wieder, wie ich zu sagen pflege, in ihrem eigenen Licht aufleuchten wird!

Was die Progressisten beherrschen, ist der Raum der Kirche; was sie besetzt halten, ist der Boden der Kirche. Erkennbar sind die Stahlgerüste ihrer ursprünglichen Struktur, die mißbraucht ist und mit Falschem ausgefüllt. Einmal schrieb ich: "Sie ist wie ein wankendes Gerippe." Das war keine 'dichterische Pathetik', sondern sehr präzise zu verstehen: das Skelett ist eben noch erkennbar. Die Substanz, das 'Fleisch', ist unsichtbar geworden, im Verborgenen, in innerer oder äußerer Emigration. Der Gedanke, daß da eine 'neue Kirche' entstanden wäre, ist theologisch unhaltbar. Hätte sich die katholische Kirche als solche quasi 'unter der Hand' in eine 'andere' verwandelt, so wäre die Verheißung widerlegt: "Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen!" Die Kirche als unerkennbar gewordenes, besetztes Gebiet – in Oasen und scheinbar 'außen' in Erscheinung tretenden Zentren lebend – ist dagegen noch lange nicht überwältigt. Man muß Theologie treiben in Ernst und tiefem Verantwortungsbewußtsein.

Überhaupt – auch in unseren Reihen schläft Satan keineswegs. Auf der einen Seite sehr viel Unwissenheit und mangelnde Unterscheidungskraft, auf der anderen Seite das Herumschwadronieren mit theologischen Privatmeinungen. Die in unseren antiprogressistischen Reihen Lehramt ausüben, müssen, weil das Amt der letztinstanzlichen Entscheidung zur Zeit nicht in Erscheinung tritt, mit doppelter Selbstdisziplin sich auf das beschränken, was absolut gesichert ist. – Den Gläubigen aber sei gesagt, daß sie sich hüten mögen vor dem progressistischen "Meinungs"-Wahn. Wenn Ihnen etwas nicht klar ist und Sie verwirrt, ratlos macht oder irritiert in diesem oder jenem, was seitens antiprogressistischer Theologen veröffentlicht wird, soll es Ihnen Anlaß zur Frage sein, nicht aber zu voreiligem Urteil.

Als ich zum Beispiel in meinem Pfarrbrief vom 26. November 1978 schrieb: "Versteht man nun, wie eminent entrückt und heilig-jenseitiges Schau-Spiel im tiefsten Sinne des Wortes ist die heilige Liturgie des gottmenschlichen Opfers?", wurde ich alsbald in einem gar gestrengen Brief "belehrt": "Die heilige Liturgie des gottmenschlichen Opfers war nie und nimmer ein noch so heiliges 'Schauspiel', dem doch das Odium des Erdachten, Unwirklichen, Zusammenphantasierten zueignet, sondern es ist ein heilsgeschichtliches, tieferschütterndes, aber wahrhaftiges Geschehen, dem wir nicht als Zuschauer beiwohnen, sondern dem wir mit dem tiefsten unserer Natur, unserer Seele, dem göttlichen Anteil in uns, zutiefst mitverwoben sind... es geschieht... Wirklichkeit und nicht ein Spiel..." Ganz gut gesagt, sofern es die Selbstverständlichkeit des tatsächlichen Opfergeschehens anbetrifft und sofern man von der falsch aufgebauten Alternative absieht. Denn das wahre Zuschauen ist ein Mitverwobensein mit der Tiefe unserer Seele und unseres Geistes. – Lassen Sie mich das mit dem Schau-Spiel kurz erklären: Im ursprünglichen Sinne des Wortes ist Schauspiel = Drama kein Als-ob, nichts Unwirkliches, bloß Erdachtes oder Phantasiertes, sondern Ereignis, Wirklichkeit. Die Engel schauen, die Menschen schauen! Der Gottmensch bietet Sich als Speise dar. In diesem Sich-Darbieten den Augen, den Ohren, dem Mund ereignet sich in der Tat das heilige Opfergeschehen. Sakrament ist ja ein heiliges, von Christus eingesetztes Zeichen, welches das bewirkt, was es bezeichnet. Ein wirksames Symbol. Der in die Verklärung – durch die ewige innertrinitarische Hingabe des Sohnes zum Vater – getauchte Hingang des Christus zum Vater in Tod, Auferstehung und Himmelfahrt ("Das Lamm, das vor dem Throne des Allerhöchsten daliegt wie geschlachtet!") geschieht durch das heilige Zeichen des Opfermahls: Der Sich zum Vater erhebende Gottmensch richtet Sich auf vor unseren Augen in heiliger, entrückter Souveränität. Um den Gegensatz zur progressistischen "Gemeinschafts"-Ideologie deutlich zu machen, beschwöre ich den Aufblick zum unabhängig von uns sich vollziehenden, in heiligen Gebärden und erhabenem Glanz sich hüllend-enthüllenden Opfer.

Und dieses, worin wir schauend dieses Opfer wissen, die Gebärden, der Glanz, das Schreiten; der Gesang, das Licht, die ganze bewegte Ikone, ist Spiel. Was ist Spiel? Alles Tun jenseits der Alltags-Notwendigkeit. Was dem Zwange körperlicher Selbsterhaltung dient, ist Ernst, d.h. knechtliche Arbeit. Spiel ist zwecklos im Sinne der Freiheit von irdischer Zweckgebundenheit. Es ist Inbegriff aller wahren Kultur. Spiel wird ewig sein und ist Vorwegnahme des Ewigen. Allzeit spielte ich vor Ihm, spielte auf dem Erdkreis!", singt die Weisheit! Odo Casel, der große Benediktinertheologe der 20er Jahre, lehrt uns, daß die Mysterienkulte des alten Hellas bzw. Kleinasiens adventlich weisen auf das Mysterium von Golgotha. (Aus ihnen erstand die griechische Tragödie.)

Im eigentlichsten und ursprünglichsten Sinne des Wortes ist Liturgie SCHAU-SPIEL.

Der hl. Apostel Paulus spricht vom Christen als dem "Mimetós Christóu", dem, der Christus darstellt, Seine Wirklichkeit lebt. Und mit Hinblick auf die Teilnahme an Seinen Leiden schreibt er: "Zum Schauspiel sind wir geworden den Engeln und Menschen!" und meint damit gewiß kein Als-ob.

Das sind der gebotenen Kürze wegen nur Andeutungen. Bei Gelegenheit werde ich darüber genauer sprechen. Noch einmal die Bitte: Wenn Ihnen etwas unklar ist, fragen Sie mich! Entweder nehme ich es zum Anlaß, in spes-unica-Sonntagen bzw. im Rundbrief darauf einzugehen, oder Sie machen mit mir einen Gesprächstermin aus. Die Reise lohnt sich.

Und nun segne Sie Gott! Im Gebet und in unerschütterlicher Hoffnung verbunden grüßt Sie, in der Liebe Jesu und Mariä

 

Ihr Hans Milch, Pfarrer

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