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Rundbrief vom 3. November 1979

Meine lieben jungen Freunde!

 

Mir liegt, weiß Gott!, nicht daran, Euch zu schmeicheln; aber, mag das Wort auch überschwenglich klingen, ich sage präzis die Wahrheit, wenn ich Euch versichere: Ihr seid wunderbar!

Nicht weil Ihr Euch "für meine Person" einsetzen würdet. Ich kann Euch garantieren: Ginge es um meine Person, wäre mir persönlich irgendein Unrecht widerfahren, so würde ich Euch um des höheren Gutes, des Friedens in der Pfarrgemeinde, willen mit Nachdruck veranlassen, auf alle Kundgebungen zu verzichten. Ich würde Euch beschwören, dem neuen Seelsorger in allem zu folgen und Euch an ihn zu binden.

So aber geht es Euch und mir um die Sache! Und um der Sache willen habt Ihr aus eigenem Antrieb Euch eingesetzt, habt in der vornehmsten Weise demonstriert und habt Abstand genommen von allen Emotionen, von Personenkult und Personenhaß! Auch in allen weiteren Kundgebungen werdet Ihr das gegen den Glauben gerichtete Unrecht, aus dem einzig die Maßnahme gegen mich erfließt, ansprechen und geißeln, ohne persönlich zu werden. –

Angesichts des Briefes, den der Bischof Euch geschrieben hat, bin ich es Euch schuldig, einige klärende Bemerkungen zu machen:

Der Bischof hat zweifellos recht, wenn er sagt, daß es sich in der Auseinandersetzung zwischen ihm und mir darum handelt, wo die wahre katholische Kirche zu suchen und zu finden sei. Der Bischof entwirft dann ein höchst einfaches Bild dieses Dissenses: "Der Bischof hält es mit dem Papst und dem mit ihm in Frieden lebenden Kollegium der Bischöfe des Erdkreises. Pfarrer Milch aber bildet sich ein, der Heilige Geist habe alle verlassen und Seine Wirksamkeit einzig auf Lefebvre und Milch beschränkt." Das klingt für primitive Ohren sehr einleuchtend und scheint die Schlußfolgerung auf dem Tablett zu reichen, daß Pfarrer Milch unter einem akuten Größenwahn leide.

Die Sache sieht freilich ganz anders aus.

Das Wesen der katholischen Kirche besteht in der Wirklichkeit, die mit der Menschwerdung des Gott-Sohnes und seines opfernden Hinganges zum Vater gegeben ist. Diese Wahrheit des Gottmenschentums hat sich gemäß der Verheißung unseres Herrn unter der Führung des Heiligen Geistes im Bewußtsein der Kirche durch die Jahrtausende hin mächtig vertieft und erweitert. Immer mehr erkannten die Nachfolger der Apostel, was für Inhalte im Gottmenschentum enthalten sind. Diese Inhalte sind alle aufeinander bezogen und voneinander abhängig. Wer einen Inhalt leugnet, leugnet folglich alle. Was hätten wir aber von der Herrlichkeit dieser Inhalte, wenn wir sie nicht erkennen könnten? Sie sind unser Glück. Wie kann ich glücklich sein, wenn ich mein Glück nicht begreife? – Zweifellos kann ich die Inhalte, solange ich im Körper lebe, nicht durchschauen. Wohl aber kann ich und muß ich genau bestimmen und benennen können, was ich noch nicht durchschauen kann. Z.B. kann ich und muß ich einen Menschen, den ich liebe und der mein Glück ist, erkennen und identifizieren können. Sein Gesicht beweist mir: er ist es. Aber damit durchschaue ich diesen Menschen noch lange nicht. Erst in liebender Erfahrung werden sich mir seine Qualitäten nach und nach erschließen. – Das Gesicht der gottmenschlichen Wahrheit, seine garantierte Erkennbarkeit, sind die Dogmen. Nur wenn der Papst oder die mit ihm vereinte Gesamtheit der Bischöfe ein Dogma verkünden, verbürgt sich der Heilige Geist für die sichere Wahrheit. Nur dann! – Wer z.B. behauptet, daß ein dogmatisches Konzil irren könne, ist nicht mehr katholisch. – Gewiß will der Heilige Geist, daß wir allen Verlautbarungen des Papstes und der Bischöfe einen Vertrauensvorschuß leisten und gehorchen, auch wenn ihnen kein Unfehlbarkeitsanspruch anhaften kann. Aber nur unter der Voraussetzung ihrer Übereinstimmung mit den Dogmen!

Es ist auch ein Dogma, daß uns die Wahrheit des Gottmenschentums geschenkt und vorgegeben ist, daß wir sie folglich von uns aus nicht suchen und finden können. Es ist ferner ein Dogma, daß das Sehnen des Menschenherzens nicht in einer besseren Welt, sondern einzig im Himmel gestillt werden kann. Zweifelsohne glauben der Papst und die Bischöfe auch heute an die Inhalte aller Dogmen – von einigen, freilich sehr prominent hervortretenden, Ausnahmen abgesehen. Es geht daher gar nicht um eine verschiedene Glaubensauffassung zwischen Lefebvre und Papst. Es geht ganz einfach darum, daß die Gesamtheit der Bischöfe darauf verzichtet, ihres Amtes zu walten. Ihre Aufgabe, die Einheit zu wahren, haben nicht Lefebvre oder Milch versäumt, sondern die Bischöfe! Der Einsatz von Lefebvre und Milch und anderen ist nicht die Ursache, sondern die Folge einer längst vorhandenen und von der unverantwortlichen Passivität der Bischöfe verschuldeten Spaltung!

Und nirgends ist verheißen, daß der Heilige Geist unter allen Umständen die Bischöfe an dieser Passivität hindern muß. "Ärgernisse müssen kommen", sagt Christus, "wehe aber dem, durch den sie kommen!" An freiwilligem Versagen werden die Bischöfe nicht gehindert.

Es gibt nur eine Einheit: Das ist die Einheit in der Wahrheit. Es ist auch die Einheit aller Zeiten im Überzeitlichen, das Kraft unserer Erlösung erkannt werden kann. Einheit für sich gesehen ist kein christlicher Wert! Christus sagt: "Ich bin nicht gekommen, einen faulen Frieden zu bringen, sondern das Schwert und Menschen gegeneinander aufzubringen!" Auch die Einheit mit Papst und Bischöfen für sich gesehen und unter allen Umständen ist kein katholischer Wert. Die Einheit, für die Papst und Bischöfe zu sorgen und über die sie zu wachen haben, ist die Einheit in der Wahrheit! Gerade aber diese Einheit ist den Bischöfen seit etwa zwanzig Jahren leider völlig gleichgültig. –

Und pflichtgemäß spenden Erzbischof Lefebvre und seine Anhänger den vielen Verzweifelten, im Stich gelassenen Katholiken – es sind gerade die treuesten und besten – den höchsten und einzigen Trost. Diese Treuesten können nicht begreifen, wieso ungläubige Professoren, Publizisten und in ihrem Gefolge falsch geschulte Priester ungehindert den Glauben leugnen und die Dogmen lächerlich machen können. Die Nachricht, daß die Bischöfe vom Geheimnis der Bosheit besetzt und benommen sind und daher ihre Pflicht in wahrhaft – ohne Übertreibung ist dies gesagt – verbrecherischer Weise verletzen und die Wache über die Wahrheit versäumen und damit die Einheit verraten, erst diese Nachricht gewährt den Allerbesten Trost, Einsicht und die Hoffnung auf die Wende, die gewiß kommen wird. In höchster Verantwortung gegenüber dem Amt des Papstes und der Bischöfe, getreu ihrem Antimodernisteneid, der von den Bischöfen laufend gebrochen wird, in Liebe zur Wahrheit, die ihnen von Gott auferlegt ist, haben daher Lefebvre und seine Anhänger sich zu Wort gemeldet.

Der Heilige Geist steht den Bischöfen bei, wenn und insofern sie die Wahrheit bewachen, welche selbst einzig und allein die gottgewollte Einheit ist. Ihrer Mutlosigkeit und Verantwortungslosigkeit, mag sie noch so zahlenmäßig gewichtig und kollektiv sein, entzieht Sich selbstverständlich der Heilige Geist und verbittet es sich, daß dafür Sein Name hergegeben werde!

Und jetzt kommt's ganz dick!

Neuerdings behaupten viele Bischöfe – unter Nichtwahrung ihres Amtes – was die Wahrheit sei, könnten nur sie bestimmen und wissen. Der einfache Gläubige sei nicht imstande, die ewige katholische Wahrheit zu identifizieren, und könne daher auch nicht wissen, wann einer nicht mehr katholisch ist! – Und diese selben Bischöfe sprechen laufend von Mündigkeit. Danach wäre also die Mündigkeit des Katholiken darin zu sehen, daß er sich brav und "liebevoll" verhält, ohne zu wissen, was denn eigentlich das sei: Katholisch! Dieses völlig perverse Denken und absurde Verhalten ist nur möglich, weil die Bischöfe in ihrem Amt durch satanische Gewalt behindert sind. –

Viele Kardinäle und Bischöfe und Priester denken – hinter vorgehaltener Hand – genau wie Erzbischof Lefebvre und seine Anhänger. Lefebvre ist nicht "gescheiter" und will es nicht sein als die anderen. Wohl ist er verantwortungsvoller und mutiger. – Auch in der Nazizeit war Kardinal v. Galen von einsamem Mut. Bei ihm war der Heilige Geist. Nicht bei der lahmen Mutlosigkeit der anderen! Lefebvre und seine Anhänger haben in die Stuben der zerrissenen und von den Bischöfen im Stiche gelassenen Gläubigen, denen es um die einzig befreienden Inhalte der Offenbarung geht, Trost und Licht gebracht!

Es handelt sich um keinen Fall Milch, sondern – wie schon so oft – um einen Fall Bischof Kempf und den Fall der Bischöfe schlechthin! Beten wir in persönlicher Liebe für die wahrhaft bedauernswürdigen und von lähmendem Geist befallenen Bischöfe, die erst scharf werden, wenn es um die Verteidigung des Glaubens geht, und absolut gleichgültig bleiben, wenn die Zerstörung des Glaubens und damit der Einheit in Gott betrieben wird!

Beten wir für sie, daß sie gerettet werden, daß sie wieder zurück finden zu ihrer selbstverständlichsten Pflicht! Darum geht es!

In großem Dank Euch allen verbunden –

 

Euer Hans Milch

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