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Sonntagsbrief vom 23. November 1980

Meine lieben Brüder und Schwestern!

 

Letzten Sonntag hatte ich meinen Predigtzyklus über das Vater Unser unterbrochen und statt dessen einige Hinweise auf das praktische Verhalten des Christen im Denken und Handeln gegeben – hauptsächlich grundsätzlicher Art.

Leider ist es oft so, daß – gerade bei solchen Themen – eifrig zugehört wird, aber nicht präzise genug. Viele – es ist kein Vorwurf; das Zuhörenkönnen ist eine Kunst, die zu wenig eingeübt und gelehrt worden ist – achten auf eine gewisse "atmosphärische Note" mehr als auf das, was logischerweise und begriffsmäßig gesagt worden ist. Allzuoft mußte ich erleben im Laufe meiner Praxis, daß mir mit der sichersten Entschiedenheit entgegengehalten wurde: "Das haben Sie gesagt!", und wenn ich es dann per Tonband widerlegen konnte, kam der Vorhalt: "Das hat sich aber so angehört."

Man muß – das gilt für jede Rede, Vortrag oder Predigt – zu-hören, hinein-hören, aber nicht an-hören. Das An-Hören geht meist an der Sache vorbei.

Was habe ich also gepredigt am letzten Sonntag? Habe ich ein Plädoyer "für die Jugend gegen die Eltern" gehalten? Wer genau zu-gehört hat, wird mir bestätigen, daß es sich um überhaupt kein Plädoyer "für" oder "gegen" jemanden gehandelt hat, sondern um Beispiele für die rechte Grundeinstellung zum Menschen, für den man Verantwortung trägt. Und da waren zwei entscheidende Punkte genannt:

1.) Rücksichtslose Selbstkritik mit der Bereitschaft, sich kritisieren zu lassen, und

2.) das Eingehen nicht auf den Wunsch des Anvertrauten, sondern auf sein Wohl!

Wie konnte jemand auf den Gedanken kommen, ich hätte etwas "gegen die Eltern" sagen wollen, wenn ich das Verwöhnen als eine Art geheimer Herrschsucht angeprangert habe!?

Eltern, die sich zum Sklaven ihrer Kinder machen, indem sie sich dem Wunsch und nicht dem Wohl der Sönne und Töchter verschwören, werden keinesfalls mit Dank rechnen können – im Gegenteil. Die Kinder haben sich daran gewöhnt, in den Eltern Instrumente ihrer Wunsch- bzw. Begierdenerfüllung zu sehen, nicht aber Personen. Sie sind vergöttert und damit versklavt worden. Denn Sklaven werden immer zu Tyrannen ihrer Tyrannen, und Tyrannen zu Sklaven ihrer Sklaven. Zwischen Sklave und Tyrann besteht ein unausweichliches Wechselverhältnis, weil beide einander nicht als Personen ansehen, sondern als ein "es", ein Medium. Der Sklave sieht im Tyrannen eine abzuwendende Bedrohlichkeit, der Tyrann sieht im Sklaven eine profitable Chance. Menschlich sind sich beide völlig gleichgültig. Das ICH des anderen wird gar nicht wahrgenommen, sondern nur seine Brauchbarkeit. – Auch Eltern, die ihre Kinder verwöhnen, also sich zu ihren Sklaven erniedrigen, sehen in den Kindern eine nackte Bedrohung, nämlich die Bedrohung, von ihnen allein gelassen zu werden. Das gestehen sie sich nicht ein und rechnen es vielmehr ihrer mütterlichen bzw. väterlichen "Liebe" zu, daß sie mit Wunscherfüllungen en masse aufwarten und zuvorkommen. Meist ein recht unwürdiger und unappetitlicher Anblick, um so unappetitlicher, als sich das Ganze im Unterbewußtsein und im Zeichen der Selbsttäuschung abspielt. Habt Mißtrauen gegenüber Euren angeblichen "Beweggründen". Meist steckt der Teufel drin.

Ich habe deutlichst den Eltern gegebenenfalls zur Härte geraten. Aber auch zur Härte gegen sich selbst. Unter anderem – ich kann ja unmöglich auf zwei Seiten unterbringen, was ich alles gesagt habe – riet ich den Eltern, die sich einverstanden erklären mit der Heiratsabsicht ihres Kindes, ohne sich etwas vorzumachen, im Herzen ihres Kindes zurückzutreten und dem künftigen Partner bereits den Vortritt zu lassen. Für den Sohn bzw. die Tochter gilt dann, wie ich mich ausdrückte: 1. kommt der Partner, 2. der Partner, 3. der Partner, dann lange nichts und erst daraufhin im Zeichen des 4. Gebotes die Eltern. Ist das ein "Aufhetzen" des Kindes "gegen" die Eltern? Ganz im Gegenteil! Ein Kind, das sich von den Eltern für den Partner – auch innerlich – freigegeben sieht, wird mit um so innigerer Liebe und Selbstverständlichkeit den Eltern verbunden bleiben! Freilassen bindet – Festhaltenwollen trennt! An diesem Gesetz ist nicht zu rütteln. – Ganz eindeutig habe ich davon ausgenommen das Aufbegehren unreifer Kinder gegen angeblich "überholte" Moralvorschriften. Sie pochen auf ihre "Mündigkeit" und ziehen in freier Liebe mit einem "Partner" – genauer gesagt, einem Objekt ihrer Lustbefriedigung – zusammen. Hier gilt ganz klar, daß die Eltern dann das für ihr Kind Beste tun, wenn sie es seine "Freiheit" mit allen Konsequenzen auskosten lassen: "Gut! Dann seht ihr zu! Aber rechnet nun nicht mehr mit unserer Unterstützung! Wir nehmen eure Freiheit absolut ernst. Das wollt ihr doch – oder?!" Dies ist das einzig Heilsame für die Nachschwätzer dessen, was unausgegorene, schmalspurpsychologische Lehrer und andere ihnen suggeriert hatten. – Soweit auf engem Raume einiges. Bei "Protesten" und Unklarheiten bitte zurückfragen!!! Bitte dies immer!!! –

 

Herzlichst  Ihr priesterlicher Freund Hans Milch.

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Eltern
   
Ehe
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