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Sonntagsbrief vom 22. Dezember 1985

Meine lieben Brüder und Schwestern!

 

Ringsum Wüste!

Das ist kein Ausfluß von pessimistischer Einstellung – diese Diagnose von der Wüste ringsum. Es ist die realistische Sicht.

Selbstverständlich gehöre ich nicht zu den Naiven, die da von der guten alten Zeit schwärmen. Es gibt sie nicht, die gute alte Zeit. Seit dem Sündenfall ist die Erde ein Tal der Tränen; der Mensch zum Bösen geneigt von der Wurzel seines Daseins her; Ungerechtigkeit, unsagbares Seelenweh, Einsamkeit; auf der anderen Seite Sadismus, gemeine Herrschsucht, Genußgier, Untreue und Heimtücke. Gewiß auch die erwärmende Flamme des Opfers, der Hingabe, zuverlässiger Pflichterfüllung. Und erst recht seit der Einstiftung des Gottmenschentums die heroische Selbstaufopferung des heiligen Menschen. Weizen und Unkraut dicht beieinander, ineinander verschlungen. Das Unkraut scheint zu überwuchern und zu siegen. Scheint. Aber der Weizen siegt dennoch in der Verborgenheit, sein Sieg ereignet sich in der Gestalt der Niederlage.

Darüber also wäre nichts Neues zu berichten: Katastrophen, Mord, Meineid, Sünde, Egoismus und alles Übel kennzeichnen die Erde wie eh und je seit der Verweigerung der Stammeltern.

Und doch gibt es Neues, in der bekannten Menschheitsgeschichte bislang nicht Gewesenes. Das Neue ist mit einem umfassenden Wort bezeichnet: Vermassung ist sein Name.

Selbstverständlich hat es Masse und Vermassung schon immer gegeben – von den Gladiatorenspielen bis zum Dorfterror und Nachbarschaftsterror. Masse ist eine innere Einstellung des Menschen, die auch mit dem Wort Pöbel versehen werden kann. Eine wesentliche Folge der Erbsünde. Es ist die Einstellung, die den Menschen zur fanatischen Leugnung seines wesenhaften Geist-Anspruches treibt. Der von Masse beherrschte, der Vermassung anheimgefallene Mensch will ein ES sein, will sich dem MAN beugen, will immer sich im Miteinander und Nebeneinander befinden. Masse ist die süchtige Gier nach einem XY-Dasein: Einer unter anderen, einer wie die anderen.

Und sehen Sie – dies ist seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in einem Ausmaß am Wachsen, das wesentlich alles bisher Erfahrene übersteigt.

Die ganz und gar vom Menschen nicht bewältigte und nicht überschaute und immer unüberschaubarer und unbewältigter werdende moderne Technik, die unter dem grausigen Zwang dauernden Fortschreitens steht, läßt immer weniger das in Erscheinung treten, was mit Persönlichkeit zu benennen ist. Sie tritt die Persönlichkeit aus. Masse wächst im Maß des Wachsens der modernen Technik, die es überhaupt erst gibt seit etwa 1850. Die so rasant wuchernde Technik setzt einen Menschen voraus, der Geist und Willen hochtürmt in einer bislang nicht notwendigen Intensität; der sich eine Einsamkeit baut, in welcher der Heilige Geist sein Ich nährt und hegt. Auf das wahre Gemeinschaft erstehe, die in den heiligen Sphären der Einsamkeit kreist. Das In-ein-ander also – das absolute Gegenteil von Einebnung und Gleichheit.

Draußen, meine Lieben, wuchert die Gleichmacherei; draußen kreischen tief entwürdigte Weiber ihren Anti-Anspruch gegen die Menschenwürde. – Drinnen leuchtet das wahre Licht.

Dieses Drinnen wünsche ich Dir! Die nächtige Schoß-Tiefe der ewigen Weisheit, wo die weihliche Frucht wächst, die Christus heißt. WEIHE-NACHT wünsche ich Dir!

 

So segne ich eine Jede und einen Jeden von Ihnen!

Ihr Pfarrer Hans Milch.

Schlüsselbegriffe ?
   
Menschheit
   
Vegetieren
   
Technik
   
Die gute alte Zeit
   
Einsamkeit
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