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Niederschrift der Predigt von Pfarrer Hans Milch
Fest der heiligen Apostel Petrus und Paulus 1980
Schild der actio spes unica

Meine lieben Brüder und Schwestern,

 

Petrus, Simon ist ausgewählt, herausgerufen, ausgesondert worden, aufgespart und aufbewahrt für dieses Amt: denn Petrus ist eine Amtsbezeichnung. Der erste Träger des Petrusamtes war Simon, Sohn des Jonas, der jetzige Träger des Petrusamtes Johannes Paul II. Es wäre sinnvoller, statt Papst Petrus zu sagen. Petrus ist kein Name, sondern eine Amtsbezeichnung. Und wenn der HERR einen beruft, dann beruft Er ihn aus dem Grunde, weil Er ihn berufen will, aus keinem anderen. Der Grund der Berufung ist die Freiheit Gottes, nichts anderes. Es wird keiner wegen irgendwelcher Qualifikationen berufen, weil er besonders geeignet wäre. Auch der Priester wird nicht zum Priester berufen, weil er so besonders moralisch qualifiziert wäre, als wäre er ein braver Bub und deshalb, weil er braver Bub ist, mit Sicherheit auch zum Priester berufen. Solche falschen Vorstellungen schwiemeln ja schon seit Jahrhunderten. Es wird einer berufen, wenn Gott es will. Und er merkt es daran, daß irgendwann in ihm aufkeimt der unbedingte Wille: Ich will. Dann kann er es sich gar nicht anders vorstellen, als am Altar zu stehen und das Opfer Gott darzubringen. Ich kann mir gar keine andere Existenz denken für mich, das ist mein Platz, dorthin bin ich gerufen, dort finde ich die einzige Erfüllung meines Lebens. Nur so zeigt sich die Berufung zum Priestertum. Niemals jedoch in dem Gedanken: Ich will den Menschen helfen, es wäre ja recht schön, es würde mir Freude machen, seelsorglich tätig zu sein; wenn ich heiraten dürfte, würde ich auch ganz gerne Priester werden. Diese Vorstellungen bezeugen, daß von Berufung nicht im Ansatz die Rede sein kann. Wer berufen ist, fragt nach nichts anderem.

Petrus ist sicher nicht zum Felsenamt berufen worden wegen seiner besonderen Charakterveranlagung, denn die war unter den zwölf Vertrauten des Herrn am allerunfelsenhaftesten. Petrus, Simon hatte gewiß keinen Felsencharakter. Sondern er war wankelmütig, ein Sanguiniker, und er war feige, wenn's galt, von Natur aus. Er hatte diese charakterliche Veranlagung. aber der HERR hat ihn zum Felsenamt berufen. Eben noch schwört er Treue bis in den Tod, dann verleugnet er dreimal seinen Herrn. Und diesen Fehler legt er so bald nicht ab. Der Hl. Geist hat nicht das Wunder gewirkt, daß aus Ängstlichen plötzlich Helden geworden wären – das ist eine Legende. Da war zum Beispiel am Anfang der Streit um den Sinn der Missionierung. Die Judenchristen, an der Spitze Jakobus der Jüngere, waren der Auffassung, wer Christ werden will, wer zu Christus gehören will, muß zunächst das mosaische Gesetz annehmen und sich beschneiden lassen. Dem widersprach Paulus. Er sagte nein. Denn das Gesetz weist auf Christus hin. Nun aber ist die Erfüllung da, und nun werden wir erlöst nicht mehr kraft des Gesetzes, sondern kraft der Hingabe an das unendliche Erbarmen. Also brauchen die Heiden nicht beschnitten zu werden, und sie brauchen das mosaische Gesetz nicht anzunehmen. Woraufhin ja dann das Apostelkonzil zusammentrat und im wesentlichen im Sinne des hl. Paulus entschied. Ganz genau so wie Paulus dachte Simon, der erste Petrus, ganz genau so. Und immer wenn er Paulus besuchte, setzte er sich unbefangen zu den Heidenchristen. Aber da kam einmal ein Besuch aus Jerusalem von Judenchristen, und der gute Simon setzte sich flugs zu den Judenchristen und vermied es, seine Solidarität zu den Heidenchristen zu bekunden. Ein Akt der Feigheit. Und da rauschte es im Karton. Es gab einen Krach, daß die Wände wackelten. Paulus trat ihm mit seinem sprichwörtlichen paulinischen Wutanfall entgegen. Man darf sich ja die Heiligen nicht als sanfte Gestalten vorstellen, die immer mit einer gewissen Blutarmut behaftet, ohne leidenschaftliche Ausbruchsmöglichkeiten über die Landschaft glitten. Eine völlig falsche Vorstellung. Sondern Paulus war ein Mann, ein Choleriker, der dem Petrus die Meinung gesagt hat, daß es nur so eine Art hatte. Und jetzt kommt das Große. Petrus sah ein, jawohl ich war feige. Er sah es damals ein, und er sah es auch dann ein: Du hast recht. Was liegt darin für eine Größe! Der Inhaber des Petrusamtes gab öffentlich zu, ich habe unrecht gehandelt, ich war feige. Und diese Größe, dieses unbeirrbare Fundament, war die Folge seiner Berufung. Die Qualitäten sind nicht die Ursache der Berufung, die Qualitäten sind die Folgen der Berufung. Weil er auf die Berufung einging, wurde der Sockel seines Daseins so gefestigt, daß er auch all diese Schwächen und all diese Fehlhaltungen übersiegte, bestand und bewältigte. Das ist das Große, das persönlich Große und Heilige an diesem Simon, der mit dieser Charakterhypothek belastet war. Aber er sagte: Jawohl, du hast recht: er stand dafür ein. Es wird ja doch die Zeit kommen, auch jetzt, in unserem Jahrhundert, wo eines Tages Papst und Bischöfe vor das Volk hintreten müssen und sagen: Meine lieben Brüder und Schwestern, wir haben kriminellen Unsinn gebaut, verzeiht uns. Das wird und muß kommen. Der erste Inhaber des Petrusamtes hat es getan.

Und dieses Amt ist der Inbegriff der Sicherheit, der Festigkeit und Unwandelbarkeit der gottmenschlichen Wahrheit. Der geoffenbarte Inhalt. Und nur das kann uns ja erlösen. Das allein macht uns frei, daß wir genau wissen: Das, was uns da gesagt wird, können wir verstehen in dem gleichen Sinne wie es vorgestern und gestern und morgen und übermorgen verstanden worden ist und verstanden werden wird. Das ist nicht zeitgebunden, sondern überzeitlich in der Zeit, überräumlich im Raum. Das wollen wir. Nach dieser höchsten Sicherheit, nach diesem absoluten Anspruch verlangen wir. Andernfalls sind wir nicht erlöst, andernfalls sind wir wie ein welkes Blatt, im Herbstwind hin und her geschaukelt. Opfer des Flüchtigen, Opfer der wechselnden Mode, ausgeliefert der Zeit mit ihrer Begrenztheit und ihrer Relativität. So aber sind wir ans Absolute gebunden, unbeirrt. So ist Simon zu einem geworden, der kraft dieses Wissens zum Geschlecht derer erhoben worden ist, die nicht aufgeben. Dazu sind wir Christen. Wir fallen, wir sind schwach, auch nach unserer Erlösung kann keiner für sich garantieren. Aber das eine tut not: Was auch geschehen mag, ich bin aus dem Holze geschnitzt, daß ich nicht aufgebe und immer wieder neu anfange. Und keine Macht der Welt kann mich abbringen von dem einen, was ich erkannt habe.

Und das bestätigt Paulus. Paulus ist kein Gegensatz zu Petrus. Er will ja sein Amt, und er will, daß Simon seines Amtes walte. Darum fährt er ihn an. Er drückt es aus: Ich widerstand ihm ins Angesicht. Und immer muß der Berufene, zum Amt Erhobene sich bemühen, den Abstand zwischen dem Befund seiner persönlichen Bewährung einerseits und seinem Amte andererseits kleiner zu machen. Immer hinkt die Person hinter ihrem eigenen Amte zurück und muß sich bemühen, persönlich zur Höhe des Amtes zu gelangen. Das gilt für den Priester, das gilt für den Bischof und das gilt für den Papst. Werde, der du bist. Du bist getauft. Werde auch in deinem persönlichen Leben ein Eingetauchter und Eingeweihter. Du bist gefirmt: also werde auch in deinem persönlichen Leben eben einer, dem man anmerkt, daß in ihm der Geist weht, lebendig ist und von ihm ausströmt. Du bist Priester: also sei priesterlich auch in deinem persönlichen Leben. Aber das hat jeder mit sich selbst abzumachen. Du bist Bischof: also werde, der du bist. Du bist Papst: also werde, der du bist. Paulus wollte und wußte das. Und wenn er die Freiheit verkündigt – für die Freiheit hat uns Christus befreit – dann wollte er damit sagen, ihr sollt nun, da ihr die große, konkurrenzlose Herrlichkeit der ewigen Wahrheit erkannt habt, für diese Herrlichkeit entbrannt, Freigelassene sein. Der hl. Augustinus drückt das so aus, daß er sagt: "Liebe, habe die Liebe und dann tu, was du willst." Der von der Liebe Befallene, um den es geschehen ist, wird automatisch das tun, was das gottmenschliche Anliegen beinhaltet. Er wird die Opfer bringen, er wird ringen: Wenn er fällt, wird er aufstehen: er mag Umwege und Abwege gehen, aber er wird wieder zurückkehren. Er wird den fixen Punkt seines Daseins nicht mehr aus dem Auge lassen. Das ist der Freigelassene in Christus. Mit antiautoritär hat das rundherum nichts zu tun.

Wunderbar ist diese Festigkeit. Und hier haben die Getauften und Gefirmten die Pflicht, vom Priester, vom Bischof, vom Papst zu heischen: Walte deines Amtes, sei Petrus. Denn diese Festigkeit, die du verkörperst, verkörperst du ja für uns, um unseretwillen. Denn durch den Petrus wird uns das Felsenhafte mitgeteilt. Und in seinem Zeichen ist auch unser Dasein dann felsenhaft gefestigt, und wir sind Freigelassene des Absoluten im Absoluten. Und das übernimmt der hl. Paulus indem er sagt: Und wenn ein Engel vom Himmel käme und etwas anderes lehren würde als ich euch lehre, dann wäre der Engel im Banne. Und er sagt: Wißt ihr nicht, daß ihr auch die Engel richten werdet? Und er sagt: Wir sind Bollwerke, unüberwindlich, insofern wir an der gottmenschlichen, katholischen Wahrheit, der allumfassenden, universalen, alles vereinenden Wahrheit festhalten. Und wir stehen auf der Höhe, von der aus wir alles beurteilen, ohne von jemandem beurteilt werden zu können. Das hört sich außerordentlich stolz an und ist es auch. Gott sei Dank, berechtigter Stolz. Es gibt den demütigen Stolz des Beschämten, anders als der hochmütige Stolz dessen, der wähnt, es aus eigener Kraft zu vermögen. Aber wir sind zu diesem Stolz beordert. Wir sind es. Und der Felsenamtsträger hat das Felsenhafte mitzuteilen. Der Priester, der Hirte, der Lehrer ist dazu da, die ihm Anvertrauten auf die Höhe seiner Erkenntnis zu führen, damit sie selber ihr Dasein identifizieren mit jener beglückenden Wahrheit, die uns hinaufreißt und eintaucht und einweiht ins Übernatürliche. So müssen wir es sehen.

So ist Petrus und Paulus zu deuten, der gesagt hat: Ein Zwang liegt auf mir: Wehe mir, wenn ich nicht verkündigte, was mir zum großen Wissen geworden ist. AMEN.