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Niederschrift der Predigt von Pfarrer Hans Milch
3. Fastensonntag (Oculi) 1980
Schild der actio spes unica

Meine lieben Brüder und Schwestern,

 

Familie – Mutter; Mutter, Vater, Kinder: auch darüber müßte man lange Seminare halten, gerade heute. Denn das Bewußtsein von dem, was wesenhaft Familie ist, ist schon weithin verlorengegangen. Und das ist eigentlich das Schlimmste, was man über ein Volk sagen kann. Ein Volk, das seine Frauen nicht mehr ehrt, kann selbstverständlich den Sinn der Familie nicht mehr begreifen und ist zum Untergang verurteilt. Es ist fällig. Wir stemmen uns mit äußerster Gewalt gegen dieses offenbar nach menschlichen Ermessen Unabwendbare. Aber wir hoffen mit einer Hoffnung gegen alle Hoffnung. Wenn wir wollen, daß die Kirche als solche wieder erkennbar wird, wenn wir wollen und täglich darum flehen, daß der große Umschwung stattfindet, der die Kirche wieder als das ausweist, ausweisen wird, was sie wesenhaft ist, dann wollen wir dies auch darum, daß unser Volk und unser Kontinent gerettet werde. Manche meinen, dies sei nur möglich durch den Hereinbruch einer schrecklichen Katastrophe. Ich möchte vor einer solchen Vorstellung warnen! Selbstverständlich hängt das Damoklesschwert über uns, und der Einbruch einer Katastrophe ist wahrscheinlicher als unsere Bewahrung davor; aber wir sollten beten, daß die Katastrophe dennoch an uns vorübergeht, ehe die Wende kommt! Ob die Wende eine Frucht der Katastrophe sein würde, ist mehr als fraglich. Man darf nicht darum beten: "Herr, laß Feuer regnen. Herr, laß alles kaputtgehen, laß die Menschen merken, daß auch Du noch da bist"! Ob sie das dann merken, ist sehr fraglich. Wir müssen darum bitten, daß das Unheil und die Schrecknisse, die wir verdient haben, dennoch, gegen alle Gesetzmäßigkeiten, gegen alle Wahrscheinlichkeiten an uns vorübergehen, daß sie nicht kommen! Und wenn dann, ohne Katastrophe, die Kirche wieder deutlich wird, Gegengewicht wird, Deuterin, Wegweiserin der Maßstäbe, der ewigen Werte, dann werden wir erst recht kraft dieses großen Gegengewichtes und dieses heiligen Zeichens hoffen können, es wird dennoch gut werden, so gut, wie es sein kann eben nach dem Sündenfall, vor dem Jüngsten Tage. Das ist unser Gebet.

"Es steht und fällt ein Volk mit seinen Frauen", sagt Hedwig Dransfeld. Ich kenne kein wahreres Wort. Aber wie die Frau ist, wird auch von denen bestimmt, die die Frau anschauen. Das Bewußtsein der Frauenwürde muß im Bewußtsein verankert sein. Heute wird dieses Bewußtsein höhnisch und planmäßig zerstört und ist weithin schon zerstört worden mit großem Erfolg! An der Spitze dieser Zerstörungsunternehmung steht das Kabarett. Scheinbar im Zeichen der Gleichberechtigung wird die Würde der Frau zertrampelt. Indem man alles gleichmacht, einwalzt und einplaniert und einebnet, wird genau das, was die Frau wesenhaft auszeichnet und vom Manne unterscheidet, eliminiert. Man gibt sich dem teuflischen und zugleich unsagbar dummen Wahn hin, die Frau sei erst dann und in dem Maße dem Manne ebenbürtig, wie sie selber männlich und manngleich sei. Das Umgekehrte ist der Fall! In dem Maße, wie die Frau Frau ist, ist sie dem Manne ebenbürtig – wie sie also anders ist als der Mann.

Jetzt spricht man auch – wir leben ja in der Zeit der total verkehrten Begriffe. Es gab selten eine Zeit in der Geschichte der Menschen, in der die Begriffe so total verwirrt und auf den Kopf gestellt waren. Es gab Zeiten schlimmerer Verbrechen. Das sei ohne weiteres eingestanden. Es gab Zeiten mit mehr Mord und Totschlag, noch mehr als heute – eingestanden. Aber es gab kaum Zeiten, in denen mehr die Begriffe total ins Chaos geraten sind wie heute. Die gab es noch nicht. Und das ist parallellos. Und das ist noch schlimmer als Mord und Totschlag, als Kriegsbrand und Barbarei. Zum Beispiel sagt man, man solle die geschlechtlichen Kräfte, die Geschlechtssphäre des Menschen endlich aus ihrem Tabu lösen, man solle unbefangen über die geschlechtlichen Dinge denken und reden wie über das Natürlichste von der Welt. Man solle also nicht mehr das Geschlechtliche verteufeln, sondern ruhig es so behandeln wie alles andere auch, wie wenn man ein Butterbrot ißt oder sonst irgend etwas. Das Geschlechtliche gehört zur Natur und man soll es eben so behandeln. – Scheinbar wird dadurch das Geschlechtliche aufgewertet. In Wirklichkeit wird es eben dadurch total abgewertet. Es wird seiner personalen Würde beraubt. In diesem Zusammenhang steht auch, daß man sagt: "Na ja, Mann und Frau unterscheiden sich durch rein biologische Zufälligkeiten, die einen funktionalen Sinn haben. Damit eben das Vergnügen zwischen zwei Menschen verschiedenen Geschlechtes zustandekommt, darum sind beide eben von der Natur günstigerweise, freundlicherweise so gestaltet, daß sie voneinander was haben. Es gibt ja außer Essen und Trinken noch den sexuellen Spaß. Und dafür sind die beiden Geschlechter nun so eingerichtet, und deshalb gibt es zweierlei Menschen. Aber abgesehen von dieser punktuellen Unterscheidung sind sie genau dasselbe."

Das ist heute die Lehre. Diese Lehre ist natürlich die Katastrophe, die Niederlage auf den Katalaunischen Feldern. Das Grab der Menschenwürde ist diese verbreitete Vorstellung. Sie zerstört den Menschen! Nein, der biologische Unterschied weist hin auf wesenhafte, personale Unterschiede und auf hohe geistige und personale Bestimmung! Die sexuelle Befindlichkeit des Körpers weist hin auf eine eigentümliche personale Wesenheit: im Bräutlichen, in der Fähigkeit der Begegnung, in der Fähigkeit der Vaterschaft, in der zeugenden Fähigkeit, auch in der zeugenden Fähigkeit des Geistes, in der mütterlichen Fähigkeit zu empfangen und zu gebären! Was die Natur, die biologische Anordnung hier weist, ist ein Zeichen geistiger Bestimmung, geistigen Sieges und geistiger Unterscheidung. Und darum ist die Sexualsphäre heilig. Sie ist das Heiligste des Körpers. Und darum wird die Sexualsphäre verhüllt. Nicht etwa, weil man sie geringschätzt, verachtet, unterbewertet, sondern genau im Gegenteil: weil man sie besonders hochschätzt und heilig hält. Denn Scham bedeutet höchste Ehrfurcht!

Christus drückt sich sehr derb aus, wenn Er die Schamhaftigkeit kennzeichnet. "Werft das Heilige nicht den Hunden vor und die Perlen nicht vor die Säue", so sagt Er wörtlich. Je wertvoller etwas ist, desto eher ist man geneigt, es dem Alltäglichen und dem Gewöhnlichen zu entziehen. Das ist einfach eingesenkt in unsere Natur. Wenn es nichts mehr gibt, was dem Gewöhnlichen entzogen ist, dann Gute Nacht, dann ist Kulturnacht, dann ist alles aus. Wenn es nichts Sakrales mehr gibt, nichts Entrücktes, nichts besonders Hervorgehobenes, Vorbehaltenes, Aufgespartes, dem man eben mit dem Vorbehalt geistiger Ehrfurcht begegnet, dann ist es aus, dann ist der Mensch zum Tier, zum Unter-Tier erniedrigt! Dann benutzt er seinen Verstand wirklich nur, um "tierischer als jedes Tier zu sein", wie Goethe es ausdrückt. Denn der Mensch ist tatsächlich kraft seines Verstandes in der Lage, untertierisch sich zu verhalten. Es ist geradezu eine Beleidigung des Tieres, eine Beleidigung des harmlosen Schweines, das ein gutes, von Gott geschaffenes Tier ist, das gar nichts dafür kann, es ist geradezu eine Beleidigung dieses harmlosen Tieres, wenn man untertierisch sich gebärdende Menschen als "Schweine" bezeichnet. Da ist dem Menschen dann noch viel zu viel Ehre angetan, wenn man ihn dann mit diesem in sich so wertvollen Tier vergleicht. Das vermag der Mensch kraft seines Verstandes. Er vermag in der Tat die Werte umzustülpen ins schlechthin Gemeine hinein.

Darum Scham. Scham ist die heilige Ehrfurcht, die geneigt macht, das Wertvolle im Maße seines Wertes dem Alltag zu entrücken. Darum wird das Allerheiligste verhüllt. Darum werden die wertvolleren Dinge dem Alltag entzogen. Darum wird das Geschlechtliche, in dem sich die Person manifestiert und entfaltet, dem Alltag entzogen und nicht ins Gewöhnliche, Banale hineingezerrt. Hier bestehen z.B. deutliche Unterschiede zwischen dem männlichen und dem weiblichen Körper. Und der weibliche Körper ist durchaus in der Sphäre des Erotischen beheimatet, des Eros-Zeugenden, des Erogenen, wie das ein Wort sagt, im Gegensatz zum männlichen Körper. Darum bedarf der weibliche Körper einer viel stärkeren Verhüllung als der männliche.

Das alles wird heute nicht mehr gesehen. Nichts widerlicher als diese sportliche Gleichmacherei zum Beispiel. Nichts abstoßender als gewisse Sportlerinnen, die jeglichen Charme verloren haben, denen das Weibliche abhanden gekommen ist, die nur noch eben weiblich sind im Sinne biologischer Zufälligkeit. Aber alles drängt darauf hin, den Menschen so zu erniedrigen. Und durch nichts wird er mehr erniedrigt als durch die Medien und durch die Schule. Und Lehrer, die vom Wesen des Geschlechtlichen, vom Wesen der geistigen Würde und Heiligkeit des Geschlechtlichen nicht den blassen Dunst einer blauen Ahnung haben, werden befugt, kleinen Kindern mit Gewalt ein rein technisches Wissen vom Geschlechtlichen aufzuoktroyieren! Das ist im Grunde Seelenmord! Was ich im Laufe des vergangenen Jahres in einem dem zweiten Schuljahr vorgelegten Buch gelesen habe, das ist der Gipfel der menschlichen Selbsterniedrigung und einer planmäßigen Zerstörung junger Seelen! Geschieht seitens der offiziell sich darbietenden Kirche etwas dagegen? – Ganz im Gegenteil. Wenn da Väter oder Mütter sich wehren gegen den Sexualunterricht, dann finden sie bei denen, die die Kirche heute vertreten, bzw. bei der Besatzungsmacht, die die Kirche heute verdunkelt, zuschüttet und besetzt hält, keine Unterstützung. Ganz im Gegenteil: All dieses Zerstörerische wird gerade von denen, die es bekämpfen sollen, unterstützt!

Kulturnacht: Wir hatten gehofft nach 1945, es würde die Kulturnacht des Nationalsozialismus nun ein Ende haben. Man hatte gehofft! Ich kannte einen, der 1948 nach dem wunderbaren Fest der Kölner Domweihe – der Dom wurde wieder bezugsfähig, und am 15. August 1948 versammelten sich die Bischöfe und Kardinäle des Abendlandes in Köln; es war wie der Anbruch einer neuen Zeit, einer besseren, einer christlicheren Zeit – und ich weiß noch einen in der Jugendarbeit sehr begehrten und gar nicht fernen Geistlichen, der in der Bonifatiuskirche zu Wiesbaden beim großen Jugendgottesdienst ausrief: "Das war nicht nur irgendeine Domweihe, das war die Geburtsstunde des christlichen Abendlandes!" Wenn man heute dieselben Menschen wegen dem "christlichen Abendland" anspricht, sagen sie höhnisch: "Ach, Du bist auch einer von diesen unbelehrbaren, veralteten Abendländlern." Aber wir müssen das christliche Abendland erbeten und erflehen gegen eine Sintflut gegengesetzter Wahrscheinlichkeit.

Es ist rundum furchtbar, meine lieben Brüder und Schwestern. Ich wollte eigentlich heute abend intensiver über die Familie sprechen, über das Wesen der Mutter. Ich werde es verschieben. Es wird in acht Tagen sein. Aber es hat mal wieder notgetan, deutlich zu machen, wie tief ringsum man gesunken ist. Und es gibt nur ganz wenige, punktuelle Ausnahmen. Und die werden noch allgemein verachtet und als Außenseiter, als komische Sonderlinge abgestempelt. Von denen und von den stillen Betern und Beterinnen, die in den engen Stuben, oft krank und gepeinigt, unbeachtet ihr Leiden mit Christus vereinen, von denen, von den demütigen, einsamen Seelen wird die Rettung ausgehen! AMEN.