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Niederschrift der Predigt von Pfarrer Hans Milch
2. Weihnachtsfeiertag, Fest des Erzmartyrers Stephanus, 1983
Schild der actio spes unica

Meine lieben Brüder und Schwestern,

 

Sie müßten das mal lesen in der Apostelgeschichte, wie Stephanus redet. Ganz lange erzählt er die Geschichte der Väter, des Volkes Israel, die Wunder des Herrn, die Worte der Propheten. Und dann kommt er auf Christus zu sprechen, wo sich alles erfüllt hat. Und indem er das sagt, bricht sein Zorn aus: "Ihr Unbeschnittenen an Herz und Ohren! Wie schwer ist es doch, ja wie unmöglich ist es, es euch einzugeben!" – Das ist eine harte Sprache, eine polemische, wenn Sie wollen. Und Sie werden derlei mehr hören und lesen, wenn Sie die hl. Schrift aufschlagen.

"Warum ist er denn so hart geworden, der Stephanus? Hätte er denn nicht mal in Ruhe sich einlassen sollen auf die Bedenken und Einwände der Zuhörer? Hätte er nicht eine Diskussion in Gang setzen sollen?", so würde man heute sagen. "Warum denn so scharf und so hart?" Denn "unbeschnitten an Herz und Ohren", das ist schon eine tödliche Beleidigung für einen Israeliten. Das heißt: Du bist im Grunde deines Herzens gar kein Angehöriger des Volkes Israel und Sohn der Verheißung! Du bist nicht besiegelt mit dem Merkmal Gottes und Seines großen Bundes! Du bist außerhalb! Du bist ein Heide! Das ist "unbeschnitten an Herz und Ohren".

So fährt er sie an. Sie hörten ihn, mit Ach und Krach, gelangweilt, gähnend, böse, und wie er schließlich mit Christus kommt und sie so anfährt, ist es aus. Und er dachte nicht daran, irgendwie anders zu beginnen, als diesen harten Vorwurf zu starten, ähnlich ja heute im Evangelium. Oder man erinnert sich an das Aufregen des Herrn in Nazareth. Da haben sie noch gar nicht Vorhaltungen gemacht, und Jesus sagt gleich: "Ich weiß schon, was ihr denkt: 'Arzt, hilf dir selber! Dann zeig' doch hier in deiner Heimatstadt, was du zu bieten hast an Wundern. Dann wollen wir ja glauben.'" Und dann sagt Er: "Kein Prophet gilt etwas in seiner Heimat."

Das kennen wir. Das hört man ja des öfteren: "Was kann schon an dem Besonderes sein." Mir hat mal eine ältere Dame gesagt als Einwand gegen die Verehrung, die einem Bischof gezollt wurde: "Unsinn, ich habe ihn gekannt, als er noch ein kleiner Junge war." – Ein atemberaubendes Argument, aber sehr verbreitet. Daraus leitete sich schon seit Jahrhunderten der berühmte Dorfterror ab. "Was will der denn? Den kennen wir doch. Will der was Besseres sein? Wir kennen ja seine Schandtaten und seine Fehler. Ha, und seine Familie erst! Wollen wir gar nicht erst anfangen. Was will der denn?" – Nur nicht darüber hinaus, über die Ebene, über die Gleichmacherei! Alles im schönen, gleichen Schritt und Tritt!

Das war die berühmte frühere Gemütlichkeit, wo alles so schön und heimelig und gemütlich war. Für alle, die sich schön unter die Planierraupe gebeugt haben, da war's natürlich gemütlich. Aber wehe, wenn einer irgendwie was Besonderes vor hatte, Eigenes dachte, eigene Gedanken und Fragen vorbrachte. "Was ist denn mit dem los? Der scheint vom Teufel besessen zu sein. Der macht ja nicht mit!"

Das ist eine uralte Geschichte mit dem Mitmachen. Und das ist furchtbar, wenn man gegen eine Mauer von Spießern anredet. Kirchenschänder, dezidierte Atheisten, Gottlose: mit denen kann man streiten, denen kann man etwas sagen, da kann man einhaken! Aber die Masse ist stumm, dumm, uninteressiert, oder ihre Interessenlosigkeit zeigt sich so in einer smarten Weise von Interesse! In jener unseligen Versammlung wurde ja die Mauer des Spießertums offiziell bestätigt, geheiligt und abgesegnet. Das jahrhundertelange dumme Wirtshausgeschwätz – ich habe kürzlich erst davon gesprochen – ist hoffähig geworden. Besonders hier in unserer versuddelten Gegend ist das stark: Wiesbaden, Frankfurt, Taunus. "Mach Dich verrückt. Ist alles halb so wild. Bleib auf dem Teppich!"

"Das tut einem ja weh": das ist so ein besonderer Slogan. Den kenne ich von meiner Verwandtschaft von dem Rand des Taunus her. Wenn man irgendetwas besonders geistig Anspruchsvolles las, da wurde gesagt: "Ei, was liest du denn da? Ei, das tut einem ja weh." – Nur nicht zuviel. Von allem ein bißchen. – "Na ja, man kann ja ein bißchen religiös sein. Das muß man ja." – Von allem ein bißchen. Und da ist alles zu spät! Da kommen Sie nicht dagegen an. Das ist eine so zähe Mauer, da können sie Granaten jeglichen Kalibers abschießen, es prallt ab – hoffnungslos! Und vor allem das Wirtshausgeschwätz, das angeblich konziliar geheiligte: "Wir haben ja alle einen guten Willen. Machen wir doch halblang. Seien wir doch nicht so stur. Jeder soll ein bißchen ab- und zugeben. Keiner soll doch behaupten, er hätte die Wahrheit. Das sind doch alles nur Menschen. Die sind ja abhängig von der Zeit. Und früher haben die Leute halt so gedacht, und jetzt denken sie so, und woanders denken sie wieder anders. Na ja, man muß halt sehen, wie man zurechtkommt. Leben und leben lassen. Mach dich nicht verrückt. Ich mein', so ist es ja nicht. Ich halte auch meine Kirche und mein Ostern, und ich weiß, was sich gehört. Das ist halt so mir überkommen von meinen Vorvätern. Da laß' ich auch nichts drauf kommen. Aber alles mit Maß und Ziel, auch das. Alles schön abgegrenzt." Daher der Zorn des Stephanus.

Dieses Gähnen, dieses weit aufgerissene Gähnen ist es, gegen das man einfach machtlos ist. Und dann wird noch gesagt – das sind dann mehr die "Gebildeten" – die behaupten, "vor allem im zwanzigsten Jahrhundert dürfe man keine absoluten Behauptungen aufstellen, keine unbedingten Feststellungen treffen", "die Unbedingtheit gehöre einer vergangenen Bewußtseinsepoche an, heute ziehe man vornehmerweise, wenn man von der Wahrheit redet, Glacéhandschuhe an, jeder hat so einen Teil von der Wahrheit, und es wird sich schon irgendwann finden, das herauskommen, was das Wahre ist", "jeder soll so seinen Teil dazugeben". Und gegenüber der Wahrheitsfrage hat man eine gewisse ironische Distanz. "Das ist das Zeichen des 'geistigen' Menschen", sagt man.

Und das ist nichts Neues. Das war ja bei Pilatus genauso. "Was ist Wahrheit?" – Das ist selbstverständlich ein ganz brutaler Typ, aber hoch gebildet. Er ist durch alle Hochschulen gegangen. Er hatte wahrscheinlich eine wertvolle Bibliothek und war sehr belesen und unterschrieb von morgens bis abends gähnend Todesurteile. So wie so der englische Empire-Typ, der aus Eaton und Oxford gekommen ist, hochgebildet – und in die Ecke spuckte und die Eingeborenen wie den letzten Dreck behandelte und es auf einen Toten mehr oder weniger nicht ankam. So ein Empire-Typ war auch der Pilatus. "Was ist Wahrheit?" – Machen wir's uns doch gemütlich. Seien wir doch nicht so. Hauptsache anständig, man verträgt sich und seien wir nur nicht so überspitzt und endzündlich, damit's nicht weh tut.

Das erlebt man immer, immer wieder. Und das depremiert einen. Und, wie gesagt, das religiöse Interesse zeigt sich dann in einem Dauerengagement religiöser Diskussionen. Da hat man mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Erstens beweist man ja durch ständige Beteiligung an religiösen Diskussionen, daß man religiös sehr stark interessiert ist – nur kostet das Interesse gar nichts, das ist ein sehr billiges Interesse! Und man diskutiert bis in alle Ewigkeit, immer wieder diskutieren, diskutieren. Nur ja nicht an ein Ziel kommen, das dann schließlich verbindlich ist. Du liebe Zeit! Da ist ja die Gemütlichkeit dahin. Man ist tolerant. Man läßt jeden gelten. Freundlich nimmt man jedermanns Standpunkt zur Kenntnis und geht miteinander um wie beim Billardspiel. Alles in einer lockeren Atmosphäre, in so legerer. Das hat man ja auch nach dem sogenannten "Konzil" gesagt: Der Gottesdienst müsse so leger sein. Und als Ergebnis wird weithin behauptet – das hören Sie auch rundum: "Es ist ja heute alles nicht mehr so schlimm. Wir haben ja alle nur einen Gott, und wir sind ja Gott sei Dank jetzt alles eins."

Es tut also nichts mehr weh. Es ist nicht mehr gefährlich, das Evangelium. Und darum wird auch die Kirche nicht mehr gehaßt. Sie ist hoffähig geworden! Sie gehört dazu! Das merkt man ja an den Medien. Dauernd wird der Papst zitiert. Zwar sagt er gelegentlich in moralischen Fragen so ein paar für die Ohren der Welt sicher überspitzte Sachen. Aber gemach, das nimmt ja sowieso keiner ernst. Aber von großen Wahrheitsunbedingtheiten redet er selten! Er ist ein außerordentlich freundlicher, weltgewandter Herr, der überall herumreist und vor allem vom Frieden redet und daß der Krieg verbannt werden müsse und daß alle Menschen im Frieden miteinander leben sollen. Auch unser verehrter Herr Bundespräsident hat gestern abend jene fatal falsche Übersetzung gebraucht aus dem Weihnachtsevangelium, die da lautet "Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen". Das ist so etwa das Dümmste an Übersetzung, was man sich leisten könnte. Es heißt selbstverständlich: "Frieden auf Erden den Menschen, die guten Willens sind", was dasselbe ist wie "den Menschen des göttlichen Wohlgefallens" – aber nicht "und den Menschen ein Wohlgefallen"! Das ist so schön gemütlich, so bierstubenhaft, dieses "den Menschen ein Wohlgefallen", wie so die Losung beim Karnevalsverein. "Allen wohl und niemand weh" – das ist so die neue Losung! –, wir wollen uns nicht weh tun, wir sind ja normale Menschen. "Ich weiß nicht, mein Sohn, der ist so bißchen übertrieben fromm und religiös und so unbedingt. Und wenn man mit ihm über religiöse Dinge spricht, dann flackern seine Augen. Hoffentlich ist das nur eine pubertäre Übergangserscheinung. Hoffentlich wird er wieder vernünftig." So in etwa.

Das ist so hoffähig geworden, allgemein die Situation. Früher wußte man, wo so ein Unsinn geredet wurde. Man wußte, wer es sagte und wo es herkam. Seit über zwanzig Jahren kommt's vom offiziellen Raum der Kirche her! Und wenn Sie rundum fragen und sich mit einem Pfarrer unterhalten, dann beschwichtigt er Sie und sagt: "Ich weiß gar nicht, was die eigentlich wollen, der Lefebvre usw. Wir glauben doch alles. Leugnen wir irgendeine Wahrheit? Wir halten an allem fest. Es geht doch nur darum, die Wahrheit an den Mann zu bringen, daß man sie in der Sprache des zwanzigsten Jahrhunderts, eingehend auf die Situation des heutigen Menschen, verkündet. Aber die Botschaft selber ist unberührt." – Was ja in den Texten des Konzils immer so schön nach einem Komma kommt: "unbeschadet dessen...". Zuerst wird atemberaubender Unsinn geredet, z.B. daß die Menschheit kollektiv und universal "geistiger" geworden sei – und dann: "unbeschadet dessen...". Überall sei Wahrheit. Und Christus sei es, der allen Menschen Sich offenbare. "Ausschließlich", heißt ein Satz von oberster Stelle, "ausschließlich alle Menschen", (d.h. ohne Einschränkung, es gibt keinen Rest) "alle Menschen werden von Christus erleuchtet" – universaler Heilsoptimismus!" Diese Fehldeutung grassiert! Nicht alle Menschen, die in die Welt kommen, werden erleuchtet!

Und wenn man die braven Pastoren dann fragt: "Ja, sagen Sie mal" (Schön und gut, ich kann selbstverständlich mit den Leuten kein Chinesisch reden, wenn ich ihnen die Frohe Botschaft verkünden will und muß auch den einzelnen dort abholen, wo er steht. Christus nimmt jeden an. Das ist eine Binsenweisheit. Aber Sie wollen ihn zu Christus führen.) "sagen Sie mal, wer ist denn Christus nach ihrer Überzeugung?" So müssen Sie dann weiterfragen. Und dann kommen markerschütternde Antworten, wer Christus ist und was Er wollte und was das Wesen der Kirche ist. Da lassen sie dann die Maske fallen. "Christus ist das Vorbild unbefangener, unvoreingenommener Liebe zu allen, der große Friedensapostel mit sozialem Engagement usw., usw." – Für den soll man dann vielleicht unbedingt eintreten? – Hm.

"Captatio benevolentia", so heißt es im Lateinischen, daß man zunächst einmal das Wohlwollen des Hörenden in Anspruch nimmt. Der hl. Paulus in Athen, als er vor Philosophen und Philosophenschülern umgeben war und ihnen nun die Wahrheit des Christus mitteilen wollte, ging zunächst auch auf die geistige Mentalität dieser Menschen ein und sprach von dem allwirkenden Geist, in dem wir leben und atmen und sind. Und das hörten sie gern. Als er dann deutlich wurde und das sagte, worum es ihm ging, als er vom auferstandenen Gottmenschen sprach, dann winkten sie ab und sagten: "Komm, komm. Wie schön. Darüber reden wir ein andermal", das hieß mit anderen Worten: nicht mehr, überhaupt nicht mehr! – Man kann versuchen, die Menschen zunächst einmal hörbereit zu machen für das, worauf es ankommt. Aber auch das ist mit Vorsicht zu genießen, wie das Beispiel von Athen zeigt. Aber dann muß ich alsbald mit der unbedingten Wahrheit kommen. Ich muß erfüllt sein von dieser Unbedingtheit und eine Stoßkraft entwickeln, um den Menschen aus dieser öden, gleichgültigen, langweiligen Masse herauszureißen und herauszurufen! Wenn ich eine Offensive anfangen will, mag ich die letzten Tage vor dem Beginn der Offensive Flugblätter abwerfen. Das kann ich machen. Aber ich werfe nicht monatelang Flugblätter ab, um dann nie zur Offensive zu kommen, sondern ich werfe vielleicht zwei Tage Flugblätter ab. Oder ich spreche durch Lautsprecher die Soldaten an, sie mögen sich ergeben. Und wenn das dann nichts genutzt hat, dann regieren die Kanonen und die Geschütze. – Entschuldigen Sie dieses Beispiel.

Gemeint ist nichts anderes als dies: Zunächst einmal ein paar allgemeine Dinge – gut, genehmigt, damit die Leute überhaupt mal zuhören – aber dann alsbald mit der ganzen Wucht der absoluten Behauptung ankommen: Das ist der Sinn deines Lebens – Christus! JA oder NEIN, Himmel oder Hölle, Sinn oder Sinnlosigkeit! Es gibt nichts Drittes! Denn Er ist gesetzt zum Zeichen, dem man widersprechen wird und zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel."

Darum muß man schleunigst die Menschen vor diese Alternative stellen. Die sogenannten Gebildeten rümpfen die Nase: "Hach, wie unvornehm, solche Absolutheitsbehauptungen aufzurichten." Das ist übrigens nichts Neues, wie ich dargelegt habe. Das gab's zu allen Jahrtausenden, dieses "wie unvornehm". Sie sind wütend, daß man ihnen die Gemütlichkeit nimmt. Sie wollen lieber Allah oder Jahwe anbeten und ihm gelegentlich Steuern darbringen, um dann ihre Ruhe vor Gott zu haben und sich wieder auf dieser Erde einzurichten. Aber der nahe Gott, der Dich ganz einfordert, der Dich will und nichts von Dir will, der ist ungemütlich! Und da scheidet sich der "gute Wille" vom "bösen Willen". Die "guten Willens sind" nehmen Ihn an, sind glücklich: "Das ist das, was ich ersehnt habe – Er! Und Ihm will ich mit Haut und Haaren gehören. Gott und Mensch, Gott am Galgen – für mich!" Da gibt's nur noch eins. "Alles andere ist Kehricht und Müll", sagt der hl. Paulus. – Oder: "Nein, nein, nein! So nahe soll Er gar nicht kommen. Ich will Dich ganz weit, in Deiner Höhe, wie es Dir gebürt, verehren und anbeten, droben überm Sternenzelt. Da bin ich Dich los und bin außerdem noch so bißchen romatisch religiös." – Das ist der "böse Wille". Glauben Sie nur nicht, daß "Die-guten-Willen-Habenden" solche sind, die keiner Fliege was zuleide tun können! Die haben noch lang keinen "guten Willen". Wenn's hart auf hart kommt und man stellt sie vor die Alternative, werden sie recht böse, werden sie schön kratzig, die "keiner Fliege was zuleide tun wollen".

Es gibt nur einen "guten Willen", das ist der Wille, der "JA" sagt zu Christus, d.h. dem menschgewordenen Gott, der in Raum und Zeit tritt um Deinetwillen, um ganz Dir zu gehören – Dir! Nicht einem Kollektiv, nicht einer Gemeinde, nicht einer fröhlichen Gemeinde, nicht einer Versammlung, nicht einem Beisammensein, nett zueinander sein, Händchen geben usw. – sondern für dich! Du stehst auf freier Plaine, ungeschützt, barhäuptig unter Seinem Anspruch, unter dem Himmel Seiner unvorstellbaren Nähe: "Willst du Mich, oder willst du Mich nicht? Ich will Dich. Sagst du JA oder sagst du NEIN!"

Und das genau will die Welt nicht hören. Das ist der Welt sehr unangenehm. Darum haßt, nachdem sich die Kirche in ihrem äußeren Gebaren verfälscht hat, uns die Welt nicht mehr, d.h. uns schon, uns "Meckerer", uns "Miesmacher", uns "Sektenanhänger", die auf Unbedingtheit bestehen, die die Gemütlichkeit verderben. Wir werden schon gehaßt. Gott sei Dank! Das ist ein Zeichen, daß wir recht haben! Derjenige Vertreter der Kirche, der von der Welt nicht gehaßt wird, macht's bestimmt falsch. Wir müssen gehaßt werden von der Welt! Man wünscht sich wirklich glühende Gegner, glühende, wie Saulus einer war. Das war ein fanatischer Feind. Herrlich! Bei dem kam's an. "Gott am Galgen – unvorstellbar. Das ist äußerste Gotteslästerung, den Juden das Ärgernis und den Heiden ein Kuriosum, ein Gespött, ein Gelächter. Deshalb müssen alle getötet werden." – Und plötzlich: "Das ist ja die Wahrheit!" Und dann war die Wende, die plötzliche, um 180 Grad, die angemesse und einzig angemessene Reaktion.

Solche Gegner wünsche ich mir! Ich wollte, es würde wimmeln von solchen Hassern, die schnauben und toben gegen die Kirche Gottes! Da hätte man ein fruchtbares Feld der Eroberung, der Bekehrung. Stattdessen hat man verspießerte Typen, die schön "JA" sagen, "JA" und "AMEN", nur um ihre Ruhe zu haben. "Hast ja recht, aber laß mich in Ruhe. Ja, wissen wir ja. Ja, ich glaub ja alles, wenn du nur den Mund hälst. Ich weiß ja, wo ich hingehöre. Was brauch ich noch viel darüber zu hören. Laß' mich doch in Ruhe!" – Da ist alles zu spät. Das ist zutiefst "böser Wille"! Der Wille ist viel böser, als der Wille der klaren, fanatischen Feinde! Mit einem Gottlosen aus Moskau oder Leningrad hab ich's tausendmal lieber zu tun, einem Kirchenhasser, als mit einem von diesen halb-und-halben, zähflüssigen, auf Sparflamme brennenden, die von allem ein bißchen wollen – vor allem hier so sehr en vogue in dieser Gegend, die von allem ein bißchen haben – und vernünftig sind, vernünftig, auf dem Teppich bleiben. Das ist schrecklich!

Man braucht diese Masse der Spießer. Ich hab's neulich erst gesagt. Das Rad der Weltgeschichte muß sich ja drehen, d.h. der Menschen Gesellschaft. Das ist zwar eine sehr langweilige Weltgeschichte, aber der Schornstein muß rauchen. Das sind so die Leute mit einer grauenhaften Elefantenhaut. Und die haben viele, die ist verbreitet, diese Elefantenhaut. Das sind die Leute, die hinter einer verschlossenen Tür mit vorgehaltener Hand sagen: "Na ja, also Herr Pfarrer, wir wollen doch mal vernünftig sein. Jetzt sind wir doch unter uns. Mit dem Tod ist doch alles aus, nicht wahr." Aber das sind die, die so unlogisch sind, daß sie dann überall sparen, von allen auch nur ein bißchen sich genehmigen, weil ja der Schornstein rauchen muß. Ich möchte nur wissen, wozu der rauchen sollte. Die denken da an Erbschaft und bereiten ihre Beerdigung vor, glauben gar nichts. Das ist der helle Wahnsinn der Vernünftigen. Es gibt nichts Dümmeres und Irrsinnigeres als diese Masse der Spießer!

Es ginge ja auch nicht weiter in der Welt, wenn man nur die zwei Minderheiten hätte. Die eine Minderheit, das sind die Asozialen. Die laufen vor dem Alltag weg und dem Kreuz dieser Welt. Und die andere Minderheit sind die überzeugten Christen. Die sehen in dieser Welt und im Tage auch ein Kreuz. Sie nehmen es aber auf sich! Stellen Sie sich vor, wir wären nur auf diese beiden Minderheiten angewiesen... Wir brauchen leider die Masse der Spießer, damit es immer schön weiterläuft. Denn die machen das aus tiefster Überzeugung, im Vollgefühl ihrer Anständigkeit. "Ich habe mein ganzes Leben als anständiger Mensch gelebt" usw., usw. Das kennen wir alles. Sie sind davon überzeugt, daß dann drei Schippchen Erde kommen und damit alles aus ist. Auf die drei Schippchen Erde und "wir wollen ihm ein ehrendes Andenken gewähren", diese letzte Lüge, auf der bestehen sie. Die wollen sie unbedingt noch als Leiche da unten hören im Eichensarg. Das ist die letzte Abschiedslüge dann, die ihnen zugerufen wird. Dann ist man rasend schnell vergessen, gerade heute. Machen wir uns nichts vor!

Und aus dieser zähflüssigen Masse werden dann einzelne herausgerufen, Unbedingte, Wollende, nicht Dialogisierende, endlos Diskutierende, Hinterfragende, In-Frage-Stellende, Auf-der-Suche-Seiende – sondern Wollende! Die werden geliebt oder gehaßt – und nichts Drittes! Das sind die Menschen, die wir brauchen und die Christus will! Jeder prüfe sich selbst. Stephanus, dessen Fest wir heute begehen, der "erste, der für Christus starb", gehörte in höchstem Maße zu dieser Sorte von Menschen! Ahmen wir ihn nach, tun wir desgleichen. AMEN.