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Niederschrift der Predigt von Pfarrer Hans Milch
2. Sonntag nach Ostern 1987
Schild der actio spes unica

Meine lieben Brüder und Schwestern,

 

lassen Sie mich einiges andeuten von dem, wovon morgen die Rede sein wird. Das sind einmal wieder sehr bedrückende Tage. Und daß der morgige spes-unica-Sonntag, die Großkundgebung gerade auf den Tag fällt, wo der Papst in München den Pater Rupert Mayer selig spricht, ist in der Tat – man mag es mir glauben, man mag es mir nicht glauben: ich weiß, das es so ist – Zufall. Es war nicht deshalb gewählt, dieser Termin, aber es ist wohl eine Fügung. Denn verlegen ließ sich das nicht mehr, und ich hätte es sonst ausfallen lassen müssen. Undenkbar, daß ich es hätte ausfallen lassen.

Nun, ich sage, es sind bedrückende Tage. Warum? Redet etwa der Papst Unsinn? – Dann wäre es nicht so bedrückend. Aber er redet sehr viel Gutes und Schönes und vieles, was wahrheitsträchtig ist. Ich sage absichtlich "wahrheitsträchtig", denn was nicht mit der gesamten Wahrheit verbunden ist, hat die Möglichkeit, in sich wahr zu sein – und wird erst "in totum", im Ganzen, wahr. Es ist also eine Wahrheitsmöglichkeit. Aber gerade weil er soviel Gutes und Schönes sagt, um so bedrückender, denn es ist außerhalb! Warum er seines Amtes nicht waltet, darüber wird morgen deutlich die Rede sein.

Alles in seiner Amtsführung steht hinter dem Minuszeichen. Und das Minuszeichen ist jene falsche Ideologie, jene falsche Lehre, jene antichristliche Doktrin von dem kollektiven Fortschritt der Menschheit und von dem Beitrag, den die Kirche dazu zu leisten soll. Solange er das sogenannte "Konzil" anerkennt, solange steht alles hinter diesem verhängnisvollen Vorzeichen.

Und ich bin außerordentlich bestätigt worden. Ich bin immer sehr dankbar für die Fügung Gottes, die meine Auffassung klar bestätigt hat. Auch von seiten Monseigneurs bin ich durchaus bestätigt worden. Die Vorgänge haben mir recht gegeben, mich gegen Auffassungen aufzulehnen, die da sagen: "Ja, einerseits ist da vieles Wahre gesagt, einerseits ist sehr viel Schönes und Gutes – auch im Konzil! –, andererseits aber wieder etwas, was abzulehnen ist."

Diese "Einerseits-Andererseits"-Auffassung hört sich so schön objektiv an, und man kann sich da so schön aus der Affäre ziehen – und treibt zum Verrat! Das ist der berühmte Additismus, wie ich ihn nenne, die Lehre, als sei die katholische Überzeugung die Summe mehrerer voneinander trennbarer Inhalte. Das Ganze sei dann die katholische Lehre, aber sie sei "zustandegekommen", sie sei ein Kompositum, etwas, was sich zusammensetzt aus vielerlei Wahrheiten und Inhalten.

Und das ist genau das Falsche! Das ist die Ur-Irrlehre! Wenn ich so meine, dann käme ich auch auf die Idee, es gäbe "Teilwahrheiten". Aber das Wort "Teilwahrheit" ist ein innerer Widerspruch wie ein "viereckiger Kreis". Es gibt die Wahrheit oder sie gibt es nicht! Die Wahrheit ist entweder ganz oder gar nicht! Und wenn deshalb der oberste Hirte sich hinter einen Irrtum stellt – er tut es guten Willens. Das halten viele gar nicht für möglich. Sie sagen, "er ist doch so studiert, er kann es doch gar nicht guten Willens und in guter Absicht tun" – die berühmte falsche Vorstellung von "Studiertheit". Als garantiere ein langes Studium, ein intensives Studium für Intelligenz und garantiere für den Besitz der Wahrheit. Ein verbreiteter, vor allem in Deutschland verbreiteter Irrtum! Das garantiert für gar nichts, schützt auch nicht vor Dummheit! Das setzt ein gewisses Minimum von Begabung voraus, aber Begabung hat mit Intelligenz rundherum noch gar nichts zu tun. Es kann ein Mensch außerordentlich begabt sein und eine Menge wissen – und trotzdem fehlt ihm die Intelligenz! Und deshalb kann durchaus auch ein Papst "guten Willens" sich irren. Darüber wird morgen die Rede sein. Das wird morgen mal ganz konkret nachgewiesen.

Aber es ist vollkommen falsch dann zu sagen: "Immerhin ein Lichtblick. Da hat er doch was Wahres gesagt." – Nein! Er hat etwas "Wahrheitsträchtiges" gesagt, was erst wahr würde, wenn es ins Gesamte hineinkommt! Und je mehr "Wahres", also je mehr "Schönes" und "Wahrheitsträchtiges" hinter das Minuszeichen kommt, um so schlimmer! "Hunderttausend Mark" hört sich ganz gut an, aber wenn davor ein Minuszeichen steht, ist es eine sehr bedrückende Angelegenheit. Genauso ist es damit. Man kann nicht sagen: "Immerhin, wenigstens, aber da hat er doch das und das gesagt. Da können wir uns doch freuen." – Nein, da können wir uns gar nicht freuen! Das ist um so tragischer und bedrückender!

Hüten wir uns vor derlei Verharmlosungen und "Sowohl-Als auch"- und "Einerseits – andererseits" – Schablonen. Das sind Objektivitätsschablonen, die mit wahrer Objektivität gar nichts zu tun haben! Ich hab darüber schon öfters gesprochen, und ich sage es noch einmal.

Denken Sie jetzt mal an Hitler. Was hat Hitler das Fundament seiner Macht gegeben? Was hat ihn, wer hat ihn hochgebracht, hochgehalten? Was für ein Zement hat ihn gefestigt? – Die Nicht-Nazis, die haben ihn hochgebracht und hochgehalten! Die Nazis hätten’s nicht geschafft. Die waren und blieben eine Minderheit. Selbst die, die unter Druck und Terror noch bei einer einigermaßen freien Wahl gewählt waren, waren nur zu 44 % gewählt, und das waren auch zu einem ganz großen Teil Nicht-Nazis. Die Nazis waren eine Minderheit und die Anti-Nazis! Aber die Nicht-Nazis, die haben seine Macht gefestigt und haben ihn hochgehalten! Das sind die, die immer so schön für sich sagen: "Ja, aber wir waren nie Nazis." Aber gerade durch die ist er zur Macht gekommen und konnte er seine Macht behaupten, die durchaus dagegen waren und durchaus vieles beklagten. "Wir beklagen ja auch so manches, was da geschieht, durchaus und sogar mit Nachdruck, was sich die SA leistet und die Verunglimpfungen, Unterdrückungen, die KZs, aber man muß doch andererseits auch zugeben, daß da etwas aufgebrochen ist und daß man ja loyal sein muß im Dienste Deutschlands" usw. Diese Scheinobjektiven, die haben ihn hochgebracht!

Und wie ist es heute? Was gibt dem Progressismus den Halt? Was zementiert ihn? – Die Konservativen, die Nicht-Progressisten! Durch die kam der Progressismus hoch und durch die hält er sich! Das ist die Klammer, das sind die Steigbügelhalter, die Nicht-Progressisten – nicht die Anti-Progressisten, DAS SIND WIR! Die katholische Position ist die Position des Anti-Progressismus, nicht des Nicht-Progressismus. Nicht-Progressismus, das ist gar nichts! Konservativ ist gar nichts! Katholisch: das ist die Position! Und das ist die Position des "Anti", des radikalen "Anti". Das muß man wissen. Das ist die Position des Abseits.

Und gerade die Demokratie, vor allem dort, wo sie so als Wert in sich betrachtet wird, wo aus der Demokratie eine Ideologie gemacht wird, da hat man eine panische Angst ins Abseits zu geraten. "Herr Pfarrer, sie geraten ja ganz ins Abseits." Das Abseits ist heute die Position der Ehre, meine lieben Brüder und Schwestern. Das ist die Position Christi – Abseits! Dort hält Er Sich auf, auf hohem Berge, ganz allein! Außerhalb der Mauern ist Er gekreuzigt worden!

Und Er war auch außerordentlich polemisch. Da werde ich morgen ausführlich nochmal drauf zu sprechen kommen. "Bitte seien Sie nicht polemisch, sondern seien Sie sachlich". – Das ist auch so ein pseudodemokratisches oder sagen wir besser "demokratistisches Schwammobil" mit dem "seien Sie nicht polemisch, sondern sachlich". Als würde wahre Sachlichkeit die Polemik ausschließen. Christus war sachlich und außerordentlich polemisch! Man lese doch Seine Reden gegen die Pharisäer. Wenn das nicht polemisch ist, dann möchte ich wissen, was polemisch ist! Wie Er auf die dreinhaut!

Da heißt es dann: "Ja, Christus konnte Sich das leisten, aber Du nicht." – Das ist auch so ein Trick Siebzehn. Wenn es den Leuten passt, sagen sie, man muss Christus nachfolgen und tun, was Er getan hat. Und wenn es ihnen nicht in den Kram passt, sagen Sie: "Ja, der konnte Sich das auch leisten und Du nicht." – Nein! In allem ist Er unser Vorbild – in allem! Auch in dieser Polemik ist Er Vorbild und im Abseits-Sein und im Abseits-Stehen und Nicht-Mitmachen!

Es ist ja der Mensch ohnehin geneigt, wenn er da so etwas liebt, so eine wunderbare "Begeisterung", so eine wunderbare "Atmosphäre", "herrliche Worte", "begeisterte Menschen". Da ist sehr viel Echtes in dieser Begeisterung – war es übrigens auch bei den vielen Millionen Verführten, die aus guten Impulsen heraus dem Rattenfänger von Hameln nachgelaufen sind. Aber immer sind die Leute geneigt, wenn sie dann so einen großen Jubel, so eine große, ausgebreitete Demonstration sehen, zu sagen: "Da darf man doch nicht abseits stehen. Kann man sich denn da so abseits halten? Geht das denn?" – O ja, es geht: dieses Abseits, dieses trotzdem "Nein- Sagen", "Wir machen nicht mit", "contra dicimus – wir widerprechen"! – "Aber es ist doch so schön, so anheimelnd und soviel Richtiges." – "Um so schlimmer! Ohne mich! Ich stehe unwiderruflich, schicksalsgebunden auf der Position der einen Wahrheit. Und da mögen Millionen ob schöner und wahrheitsträchtiger Dinge jubeln – ohne mich!"

Diese Position des Abseits ist die gottgewollte! Das ist der einzige Maßstab, meine unwiderrufliche Position! Und nur von unwiderruflicher Position aus gestaltet sich Persönlichkeit. Das ist die Wegmarke. Das ist der Gegenstand des absoluten Gehorsams – und nur dies! Und wo einer dieser Wegmarke, diesem Feuerzeichen folgt, selbst wenn er sich subjektiv irren würde, wenn er aber absolut einen Anspruch erhebt und daran sein Schicksal und sein Leben bindet, selbst wenn es objektiv falsch ist, marschiert er in den Reihen der Ehre! Deshalb sind mir auch klare, dezidierte Anhänger einer falschen Lehre sympathischer als die "Einerseits-Andererseits"-Jongleure, die sich so scheinobjektiv aus der Affäre ziehen wollen. Die marschieren nicht in den Reihen der Ehre! Eher die, die dem klaren Irrtum huldigen. Sie haben sich immerhin festgelegt, und Ehre sei ihnen gezollt.

Laßt uns um unserer felsenfesten Überzeugung und unserer bezeugten Sicherheit und um des gesicherten Zeugnisses willen die feste, um Millionen unbekümmerte Position der Ehre wahren. AMEN.