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Niederschrift der Predigt von Pfarrer Milch

2. Weihnachtsfeiertag 1980

Meine lieben Brüder und Schwestern,

 

ich möchte Ihnen nur von Herzen raten: Lesen Sie das Ganze einmal in der Apostelgeschichte nach. Denn was heute in der Lesung gesagt worden ist, ist nur ein Bruchstück, und zwar Kapitel 6, 8-10 und Kapitel 7, 54-59. Dazwischen liegt eine lange Rede des Stephanus, in der er den ganzen Verlauf der Heilsgeschichte von Abraham an darstellt in großer Begeisterung.

Sehen Sie, Stephanus ist Diakon, einer der ersten Diakone und der erste Martyrer, der Erzmartyrer, der deshalb hingerichtet wurde, gesteinigt wurde, weil er seines Diakonates waltete. Gewiß, es wurde damals eingeteilt: Die einen predigen und spenden die Sakramente; wir brauchen aber noch besondere Leute dafür, daß sie die Gemeinde bedienen in ihren gemeindlichen Belangen. Und die Diakonatsweihe hat einen Anteil an der Priesterweihe. Sie gehört schon zur Priesterweihe. Es ist schon eine Vorwegnahme. Und das unauslöschliche Siegel der Priesterweihe wird quasi schon anteilhaft vorweggenommen, aber nur anteilhaft, nicht vollkommen. Geweihte Diakone haben schon in sich das unauslöschliche Siegel.

Diakon heißt Diener, "der-im-Dienst-steht". Im-Dienst-Stehen heißt "sich selber vergessen", "sich selber verlassen", um sich selber im Selbstvergessen zu finden, um sein ganzes Dasein zu identifizieren mit dem Großen, das man gefunden hat. Man kennt sich nicht mehr. Man ist nur noch tätig für das Eine bzw. den Einen, den man gefunden hat!

"Ich will dem größten Könige dienen", sagte St. Christopherus. Und da fand er den größten König. Und nur dem allergrößten, dem einen und einzigen und endgültigen zu dienen, lohnt es sich!

Zeichen des Diakonates ist die Begeisterung. Zum Diakonat gehört wesentlich die Predigt. Der geweihte Diakon darf schon offiziell predigen. Darin wird gezeigt, daß Predigt Dienst ist. Und was predigt man? – Die Wahrheit! Man soll die Wahrheit verkünden. Denn das ist der größte Dienst der Liebe, einem Menschen deutlich zu machen, warum er da ist, warum es sich lohnt zu leiden, warum es sich lohnt den langweiligen Dienstag und miesen Donnerstag immer wieder zu ertragen und durchzustehen, den langweiligen Alltag zu tragen und die Bürde und die Last der eigenen und der anderen Fehler, all das, was so an Kribbelkram einen überkommt die Woche über. Große Taten, auffällige Werke, heroische Auffälligkeiten sind groß und bewundernswert, aber das Größere ist oft das stille, tapfere Ertragen dieses beständigen Einerlei! Warum lohnt es sich, wieso lohnt es sich, die ganzen Jahrzehnte durchzustehen? Die Botschaft von der Erfüllung, die alles auf Ihn, den Einen hin, wirkt und zielt und zeigt: davon ist er hingerissen!

Und nachdem er gesprochen hat und sieht die platten, müden, gelangweilten, öden Gesichter, bricht er in Wut aus und ruft: "Ihr Halsstarrigen, ihr Unbeschnittenen an Herz und Ohren!" Und dann sagt er das Wort, das eben verlesen worden ist: "Ich sehe den Himmel offen und Jesus zur Rechten der Majestät stehen."

Es ist sehr zu bezweifeln, daß er eine Vision hatte. Das Wort ist viel tiefer zu verstehen und geht uns alle an. Es ist damit die große Erfüllung angesagt. Denn in den heiligen Mysterien, vor allem im heiligen Mysterium des Opfergeschehens sehen wir ja den Himmel offen und Jesus zur Rechten der Majestät! Wir sehen Ihn! Und "wer Mich sieht", sagt Er, "sieht den Vater." Unmittelbar durch das, was wesentlich Kirche ist, schauen wir, hören wir, nehmen wir wahr das Einzige und Eine und Ewige und Überzeitliche und Endgültige und absolut Sichere!

Und das zu wissen und das zu sagen in diesem Raum: da ereignet sich die eigentliche Liebe! Das ist die Liebe: Dies zu verkünden und mitzuteilen! Und daraus ergibt sich dann automatisch die Mühe, auch in den anderen Belangen füreinander da zu sein, einander zu ertragen, caritative Werke zu vollziehen. Aber davon soll man doch nicht soviel reden!

Der Diakon Stephanus: Sehr heilsam, dem heutigen Diakonatsrummel seine Rede entgegenzuhalten und seine Begeisterung und seinen Zorn. Heute ist es üblich, dauernd zu reden von der "Liebe", daß man "gut" sein soll und "helfen" soll, "aufeinander zugehen" soll, "miteinander reden" soll. – Und dann kommt noch das mit der Dritten Welt. Da wäre noch eigens einmal besonders darüber zu sprechen. Das wollen wir uns vorbehalten, vielleicht für einen allgemeinen Abend. Hinter diesem Dritte-Welt-Rummel steckt ja auch eine ganz böse, böse Ideologie. Und der fürchterlichsten Not hätte man längst Abhelfen können, wenn man gewollt hätte! Da steckt ja was dahinter, daß man das dauernd am Brennen hält, um da eine gewisse weltanschauliche Verwirrnis und Irrnis aufrechtzuerhalten: diese ganze Dritte-Welt-Ideologie, die man nicht mehr hören kann, von den hungernden Völkern.

Und es ist so üblich geworden unter Katholen, wenn sie sich unterhalten, daß sie mit stieren Augen zu bemerken pflegen, "wir tun ja alle viel zu wenig". – Red doch nicht so ein dummes Zeug! Dann tu doch mehr und halt den Mund! – Oder nach einem Glas Wein: "Davon hätte wieder eine indische Familie satt werden können." – Dann laß das Glas Wein doch stehen und halt den Mund. Red doch nicht soviel dummes Zeug! Man soll nicht soviel über "Liebe" reden. "Liebe" soll man tun!

Die Wahrheit soll man reden und die Wahrheit verkünden: das ist Diakonat! Und wenn Du unbedingt das Bedürfnis hast, mehr zu tun an Liebe: dann tu’s – und schweige! Und die Rechte soll nicht wissen, was die Linke tut.

Das ist Diakonat! Und hier ist Stephanus das große Beispiel: Dienst der Liebe, der ICH-Findung angesichts Seiner Herrlichkeit. "Und ich sehe den Himmel offen stehen..."

"Selig die Augen, die sehen was ihr seht": das haben wir gestern wieder aus einem "berufen sein sollenden", "höchst berufen sein sollenden" Munde gehört. "Selig die Augen, die sehen, was ihr seht": die Schechina, den Glanz des Herrn, die Herrlichkeit des Herrn. Da hätte einer die Gelegenheit gehabt, den Glanz des Herrn aufzurichten, statt Kraft-durch-Freude-Feiern zu veranstalten, wirklich im Glanze der Erhabenheit den Christus deutlich zu machen in Seiner Gewalt!

Gestern haben wir erst in einer der Orationen, der ersten, von dem Austausch, das heißt im Secret der ersten Messe, von dem großen Austausch vernommen, den Christus eingeht. Er kommt, um das Unsrige anzunehmen und das Seine zu geben. Und deshalb ist Er in doppelter Gestalt unter uns. Einmal in der täglichen Gestalt Seiner Armut. Da habe ich erst mal mich selber, mich Armseligen, zu tragen mit meinen Sünden und Ecken und Kanten und Lasten und in mir selber Christus zu sehen, der leidet – "denn das größte Leiden ist", wie Leon Bloy sagt, "kein Heiliger zu sein" –, dann den Menschen zu ertragen und dem Menschen zu begegnen und in jedem – jeder ist arm, jeder ist ein Armer! – Christus zu sehen. In dieser Gestalt ist Er da, von morgens bis abends. "Arme habt ihr allezeit bei euch. Mich als Armen immer, dauernd."

Aber Er gibt uns dafür das Seine, Seinen Sieg, Seine Herrlichkeit, Seine Entrücktheit, Seine Göttlichkeit, den Himmel auf Erden – "Ich sehe den Himmel offen." Und da ist Er nicht immer und überall, sondern nur zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten! Und in dieser Gestalt schauen wir Ihn zum Beispiel jetzt in dieser Stunde, im Glanze Seines himmlischen, ewigen Opfers. Denn Er nimmt ja, da Er auffährt in den Himmel, Seine Opfertat mit ins Ewige. Das Lamm liegt wie geschlachtet vor dem Thron des Allerhöchsten. Und dieses Ewige wird dann immer wieder in die jeweilige Zeit hineingeholt, so daß sich das Eine tatsächlich ereignet! Es geschieht jetzt Sein Opfer! Und wir sehen den Himmel offen und Christus zur Rechten der Majestät stehen, das heißt in der Hingabe zu Seinem Vater.

Wir werden hineingezogen – wenn wir wollen! – in dieses himmlische Geschehen, um Kraft zu haben, zu geben und vor allem zu verkünden das große, das einzige Glück im einzigen echten Diakonat, das uns der heilige Stephanus so überzeugend vorlegt, vorlebt hat. AMEN.

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